Wo einst die Balge floss, ein Seitenarm der Weser, soll es wieder Wasserläufe geben. Die Obernstraße, meint die FDP-Fraktion, wäre ein guter Platz für einen weiteren Wochenmarkt in der City, zumal, wenn die Straßenbahn rausgenommen würde und künftig den Umweg über die Neustadt machte. Vorstellen können sich die Liberalen auch einen Anleger für Flusskreuzfahrtschiffe, die Einführung von Schnellbussen und eine Art Viktualienmarkt auf dem Domshof. Das ist ein Teil der Vorschläge in einem Papier zur Innenstadt, das dem WESER-KURIER vorliegt.
Die Probleme im „Tempelbereich“ der Stadt sind aus Sicht der FDP so gravierend, dass neben der „evolutionären Entwicklung auch radikale Veränderungen“ notwendig seien, heißt es in dem 19-seitigen Konzept. Es handele sich um derart komplexe, umfassende und tiefgreifende Veränderungsprozesse, dass ihnen mit der herkömmlichen Behandlung durch die Behörden nicht beizukommen sei.
Die Fraktion schlägt deshalb eine Innenstadt-Agentur vor, am besten als Entwicklungsgesellschaft, die teils öffentlich, teils privat getragen wird. Das Geld, um mit diesem Instrument künftig schneller auf den Wandel reagieren zu können, solle aus einem eigens aufgelegten Innenstadtfonds kommen. Gekrönt werden könne dieser Ansatz mit einem Innenstadtmanager, „angesiedelt in der Chefetage und im stetigen Austausch mit der Agentur“. Diese Forderung erheben auch die Grünen, sie sprechen von einer Intendanz für die Innenstadt.
Überhaupt gibt es in dem Papier nicht wenige Überschneidungen mit Inhalten der Öko-Partei: mehr Brunnen und bewegte Wasserflächen, um der sommerlichen Hitze vorzubeugen und generell zur Anpassung an das veränderte Klima beizutragen. Mehr städtisches Grün, auch vertikal an Gebäuden und auf Dächern. Mehr Aktivitäten im „grünen Gürtel“ Wallanlagen – dort denkt die FDP wie die Grünen insbesondere an den Theaterberg, der mit Festivals und kulinarischen Angeboten bespielt werden könne.
Streit um die Straßenbahn
Vollkommen im Gegensatz zu den Grünen, die in der Regierung mit Bau- und Verkehrssenatorin Maike Schaefer eine Schlüsselfigur der Innenstadtentwicklung stellen, fordern die Liberalen die Verlegung der Straßenbahn aus der Obernstraße heraus. Politisch ist das ein alter Hut, der aber immer wieder neu aufgesetzt wird, zuletzt von den Anrainern der Martinistraße. Sie wollen die Straßenbahn zu sich holen, die FDP will sie über die Neustadt zum Brill fahren lassen. Schaefer indes schließt alle diese Varianten aus, sie beharrt darauf, dass die Bahn in der Obernstraße bleibt.
Die FDP beruft sich auf entsprechende Untersuchungen und stellt fest, dass der Einkauf der Hauptgrund sei, Innenstädte zu besuchen. Bis zu 60 Prozent der Menschen suchten weiterhin das analoge Einkaufserlebnis. Der Onlinehandel sei ein starker Konkurrent, könne aber das beliebte Bummeln nicht ersetzen. Einen ihrer Klassiker haben die Liberalen ebenfalls im Repertoire: „Viel häufiger müssen wir auch an Sonntagen mit einer offenen Stadt locken.“ Die Regelungen zur Sonntagsöffnung müssten dringend angepasst werden. Weniger Bürokratie sei zum Beispiel auch in der Gastronomie das Gebot der Stunde, vor allem bei den Angeboten, die draußen an der frischen Luft gemacht würden. Stichwort Heizpilze, sie sollten auf jeden Fall erlaubt werden. Denkbar sei auch, die wichtigen Flanier- und Einkaufsstraßen zumindest zum Teil zu überdachen, um die Innenstadt zu einer Art Mall aufzuwerten.
Im Potpourri von Vorschlägen taucht auch das Thema Wohnen auf. Hier herrscht Konsens über alle Parteien hinweg: Mehr Menschen sollen in der Innenstadt wohnen und sie damit beleben. Die baurechtlichen Voraussetzungen sind dafür zu einem Teil bereits vorhanden; Gewerbeimmobilien können umgewandelt werden, allerdings geschieht das bislang nur in sehr geringem Maße. Ebenfalls nicht widersprechen will die FDP beim Ziel der verkehrsarmen City. Als Mittel der Wahl nimmt sie Schnellbusse, die zwischen den Park-and-Ride-Parkplätzen an der Peripherie und dem Zentrum pendeln. Parkraum, der in der Innenstadt zum Beispiel durch den geplanten Abriss vom Parkhaus Mitte wegfällt, sollte durch Großgaragen am Rand der Kernstadt ersetzt werden.