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Fleischnachfrage im Wandel Vom Chef des eigenen Supermarktes zum Wochenmarkthändler

Vom Chef des eigenen Supermarktes zum Wochenmarkthändler: Im Rückblick sieht Peter Puls das als Karriereschritt. Nach 45 Jahren im Lebensmittelhandel will der Fleischermeister auch der aktuellen Krise trotzen.
10.11.2022, 05:00 Uhr
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Vom Chef des eigenen Supermarktes zum Wochenmarkthändler
Von Timo Thalmann

Fünfeinhalb Meter ist sein Königreich lang, mit nur einem schmalen Gang hinter dem Tresen seines Verkaufswagens mit Frischfleisch und Wurstspezialitäten. "Im Nachhinein ärgere ich mich, erst so spät mit dem Wochenmarkt angefangen zu haben", blickt Peter Puls auf seinen Werdegang zurück. Spät heißt in diesem Fall mit 53 Jahren. Zuvor hat der Fleischermeister einen abwechslungsreichen Berufsweg genommen, der mit etlichen Kurven von der Lehre im elterlichen Schlachterladen über die Filialleitung bis zum eigenen 1000-Quadratmeter-Supermarkt führte.

Nicht jeder Wechsel war freiwillig oder konfliktfrei. Aber jetzt ist der zehn Quadratmeter-Verkaufswagen sein beruflicher Hafen. Ein Weg von klein zu groß und zurück zu ganz klein, könnte man sagen. "Ich sehe es als Karrierereschritt zu wirklicher Eigenständigkeit", kommentiert er im Rückblick. Dreimal pro Woche steht er auf dem Findorffmarkt sowie jeweils einen Tag in Schwachhausen und in Osterholz. "Das mach ich nun seit neun Jahren und damit weiter, solange es mir noch Spaß macht", sagt Puls.

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Auch von den jüngsten Krisen will er sich nicht unterkriegen lassen. "Noch sind die Strompreise beim Großmarkt unverändert, anders als die Fleischpreise", berichtet er. Vor allem Rind- und Lammfleisch sei teurer geworden, bis zu 20 Prozent Preissteigerung im Einkauf. "Das kann ich gar nicht so teuer anbieten, wie ich jetzt eigentlich müsste." Denn parallel dazu beobachtet er natürlich auch, dass die Kunden das Geld stärker zusammenhalten. Das sei wohl so, wenn die Ausblicke unsicherer werden, meint Puls.

Damit kennt er sich aus. Sein Ende als Inhaber eines Supermarktes in Findorff war das Ergebnis massiver juristischer und geschäftlicher Auseinandersetzungen mit Rewe als Franchisepartner, sein Start ein Jahr später auf dem Wochenmarkt kein Selbstgänger. "Ich hatte mir das einfacher vorgestellt, weil ich ja schon lange als Händler hier unterwegs bin." Aber der Wochenmarkt erwies sich als eigenes Spielfeld mit anderen Regeln und anderem Publikum. Da war er der Neue, der erst einmal seine Kunden finden musste. "Das erste Jahr habe ich manchen Tag in den Tresen gebissen aus Verzweiflung." Er habe einigen Besitz versilbern müssen, um diese Durststrecke zu überstehen. Am Ende hat vor allem die Ausdauer zum Erfolg geführt. "Ich habe keinen Urlaub gemacht, war auch auf dem Markt präsent, wenn andere ihre Auszeiten genommen haben, so haben mich die Kunden nach und nach entdeckt."

Dass sich Supermarkt und Wochenmarkt unterscheiden, kommt ihm jetzt aber zugute. Puls setzt auf ein hochwertiges Sortiment: Fleisch vom Iberico-Schwein, Salzwiesenlamm oder Weideochsen. Auf den Wochenmärkten gibt es die Kundschaft, die bereit ist, für diese Qualität zu bezahlen, laut Puls nicht nur in den eher bürgerlich geprägten Stadtteilen Findorff und Schwachhausen, sondern auch in Osterholz, das er für unterschätzt hält.

Unterm Strich geht die Nachfrage im Vergleich zum Vorjahr trotzdem zurück. "Man muss allerdings zugeben, dass die Corona-Pandemie mir 2020 und 2021 eher höhere Umsätze gebracht hat", sagt Puls. Was die Leute zeitweise nicht in der Gastronomie ausgeben konnten, habe manch einer wohl in Puls' Ware investiert.

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Was allerdings als edel oder zumindest als Spezialität gilt, hat sich seit 1978, als Puls seine Lehre begann, durchaus gewandelt. "Ochsenbäckchen zum Beispiel, das war früher kein Thema, da haben wir Labskaus draus gemacht", berichtet er. Heute gelten die Stücke aus dem Kiefer als Delikatesse. Ähnlich das Flanksteak oder Bavette aus dem Bauchlappen des Rindes. "Das hatte ich schon Anfang der achtziger Jahre bei einem Praktikum in Frankreich kennengelernt, wollte hier damals aber keiner."

Andere Sachen sind dagegen nahezu aus dem Fleischer-Sortiment verschwunden, vor allem eher fette Produkte wie Wellwurst oder auch norddeutsche Beutelwurst, eine Blutwurst mit Roggenschrot, die nicht im Darm, sondern in einem Stoffbeutel steckt. Wieder andere Angebote erleben nach seiner Erfahrung gerade ein Comeback wie die Bremer Zwiebelwurst, eine gekochte Wurstvariante.

In seinem kleinen Verkaufswagen kann er auf diesen Wandel schnell reagieren, bis hin zur tagesaktuellen Nachfrage, zum Beispiel, weil am Vortag in irgendeiner Kochsendung Kalbsschnitzel eine zentrale Rolle gespielt haben. "Die lege ich dann gut sichtbar hin und die gehen dann auch alle weg." Und der Trend zur vegetarischen Ernährung? Das könne er schlecht einschätzen. "Die kommen ja sowieso nicht zu mir", meint er. Aber insgesamt weniger Fleischkonsum, dafür mit höherer Qualität ohne Massentierhaltung zu entsprechenden Preisen? "Da bin ich sofort dabei." 

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