Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Interview Förderer der Universität setzt weiter auf exzellente Wissenschaft

Nachdem die Universität Bremen zukünftig nicht mehr als Exzellenzuniversität gefördert wird, bewertet Bengt Beutler Bremens es als nach wie vor wichtig, die Wissenschaft weiter zu unterstützen.
29.09.2017, 21:11 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Förderer der Universität setzt weiter auf exzellente Wissenschaft
Von Jürgen Wendler

Herr Professor Beutler, die Universität Bremen wird in Zukunft nicht mehr als Exzellenz­universität gefördert. Sind Sie enttäuscht?

Bengt Beutler: Ja, ich hatte gehofft, dass die Universität mit mindestens zwei ihrer Anträge für Forschungsschwerpunkte im Wettbewerb bleibt.

Welche Bedeutung messen Sie der Exzellenzstrategie für die Universität Bremen bei?

Schon die Tatsache, dass sich die Universität mit fünf Clusteranträgen zu wissenschaftlichen Schwerpunkten beteiligen konnte, bestätigt eindrucksvoll die inzwischen erreichte Leistungsfähigkeit und auch Leistungsbereitschaft der Bremer Wissenschaft. Mit ihrer Exzellenzstrategie verfolgen Bund und Länder das Ziel, die Leistungsfähigkeit der deutschen Wissenschaft international sichtbar zu machen. Dass Bremen als kleinstes und finanziell nicht besonders gut ausgestattetes Bundesland dabei mithalten kann und will, ist etwas ganz Besonderes.

Lesen Sie auch

Wie stark hängt die Weiterentwicklung der Bremer Wissenschaft von Erfolgen bei der Exzellenzstrategie ab?

Solche Erfolge bedeuten einen Schub für alle Beteiligten. Unabhängig davon gilt jedoch, dass es wichtig ist, auf die Bedeutung exzellenter Wissenschaft für Bremen hinzuweisen und die Wissenschaft weiter zu unterstützen. Erfolge gibt es schon länger in Gestalt der Sonderforschungsbereiche. Diese gruppieren sich auch um Schwerpunkte des Bremer Wissenschaftsplans, der zurzeit weiterentwickelt wird.

Ihre Bemerkung lässt sich als Hinweis verstehen, dass auch die Bremer Politik gefordert sei. Ist dieser Eindruck richtig?

Der Konkurrenzdruck ist bei der Exzellenzstrategie auch deshalb gewachsen, weil alle Bewerber von den jeweiligen Bundesländern substanziell unterstützt wurden – nicht zuletzt die in der letzten Runde nicht erfolgreichen Universitäten. Die finanzielle Unterstützung in Bremen nimmt sich im Vergleich eher bescheiden aus. Es wäre daher zu überlegen, wie man den erreichten Leistungsstand erhalten kann. Dazu bedarf es besonderer Anstrengungen – vor allem durch die Politik, aber auch durch die Wirtschaft, die von exzellenter Wissenschaft profitiert.

Was heißt das für die Bremer Forscher?

Niemand ist unabhängig von der Anerkennung und finanziellen Unterstützung – auch die besten Forscher nicht. Und von denen gibt es in Bremen sehr viele, wie unabhängig von der Exzellenzstrategie zum Beispiel auch persönliche Auszeichnungen und die Stiftungsprofessuren zeigen. Für ihre erfolgreiche Nachwuchsförderung ist die Universität Bremen von der Wissenschaftskonferenz ausgezeichnet worden. Damit Forscher erfolgreich arbeiten können, bedarf es jedoch entsprechender Voraussetzungen.

Sie haben bei unterschiedlichen Gelegenheiten immer wieder die Bedeutung exzellenter Wissenschaft betont. Was verstehen Sie darunter? Was bedeutet für Sie exzellent?

Für viele Menschen ist Wissenschaft an sich schon exzellent, also etwas Ausgezeichnetes. Und das ist sicher auch in dem Sinne richtig, dass wissenschaftliches Denken eine besondere Form des Denkens ist, die eine große Rolle für die Entwicklung der Menschheit gespielt hat und weiterhin spielt. Wissenschaftliches Handwerk ist exzellent. Heute wird allerdings zunehmend auch erkannt, dass es wichtig ist, über die Anwendung dieses Handwerks nachzudenken. Insoweit geht exzellente Wissenschaft über den Wissenschaftsbetrieb weit hinaus. Sie umfasst auch die Lehre und damit den gesamten Bildungsbereich. Und sie hat etwas mit Aufklärung im Sinne des Philosophen Immanuel Kant zu tun, der die Aufklärung als den Ausgang des Menschen aus selbst verschuldeter Unmündigkeit verstand.

Lesen Sie auch

Wenn ich Sie richtig verstehe, plädieren sie dafür, dass sich Forscher ebenso wie die ganze Gesellschaft immer auch der Gefahr bewusst sein sollten, dass Wissenschaft und wissenschaftliche Erkenntnisse missbraucht werden können. Sprich: Es geht um Kritikfähigkeit, also auch Kritik am eigenen Handeln. Nun ist Wissenschaft ohnehin kein Selbstzweck. Wo sehen Sie ihren Nutzen?

Heute ist exzellente Wissenschaft für das Überleben der Menschheit unerlässlich. Vieles, was uns selbstverständlich erscheint, beruht auf der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Exzellente Wissenschaft muss bewusst machen, dass es zur Erhaltung des menschlichen Lebens nicht ausreicht, die Vernunft zu gebrauchen, um persönliche Interessen oder Ziele zu verfolgen. Sie muss deutlich machen, dass sich Menschheitsprobleme nicht durch vereinfachte Vorstellungen von Konflikten lösen lassen.

Was genau kann die Wissenschaft für die Gesellschaft leisten?

Es gibt keinen Bereich, der nicht von ihr abhinge – im Positiven wie im Negativen. Im Positiven trägt die Digitalisierung zur Entwicklung der Wirtschaft bei. Im Negativen kann die Digitalisierung zu einem Überwachungsstaat führen. Schützen kann davor eine exzellente Wissenschaft, die um die Notwendigkeit der kritischen Reflexion weiß. Ein anderes Beispiel sind die Diskussionen über die Nutzung von Energiequellen, den Klimawandel und eine angemessene Verteilung von Ressourcen. Die Antworten, die hier gefunden werden, sind für die Zukunft der Menschheit wichtig. Die Gefahr besteht darin, dass die Wissenschaft in diesen Zusammenhängen zu sehr als Spezialgebiet für Fachleute betrachtet wird oder sich selbst so sieht – und nicht in ihrer grundsätzlichen Bedeutung für unser aller Leben und seine Gestaltung.

Lesen Sie auch

Noch einmal zurück zu Bremen: Welche ­Rolle wird die Arbeit von Wissenschaftlern in den nächsten Jahren für die weitere ­Entwicklung des kleinsten Bundeslandes spielen?

Exzellente Wissenschaft wird für die Entwicklung Bremens eine entscheidende Rolle spielen. In Teilbereichen der Wirtschaft – nehmen Sie nur die Luft- und Raumfahrt – ist das schon offenkundig. Hafen- und Verkehrswirtschaft sind auf Erkenntnisse auf dem Gebiet der Logistik angewiesen. Die Bedeutung von Start-ups wird weiter zunehmen. Ohne das kreative Potenzial wissenschaftlich ausgebildeter Fachkräfte ist eine gute Zukunft nirgendwo gewährleistet – in Bremen aufgrund seiner wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsstruktur am allerwenigsten. Wissenschaft ist für eine erfolgreiche Zukunft Bremens eine Voraussetzung. Deshalb gilt es, sie zu fördern. Sie ist mehr als nur Teil einer Entwicklung.

Die Fragen stellte Jürgen Wendler.

Zur Person:

Bengt Beutler ist Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde der Universität Bremen und der Jacobs University. Außerdem ist der Jurist als Honorarprofessor an den Universitäten Bremen und Hamburg tätig.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)