Der Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) muss mit der notwendigen Liquidität versorgt werden, damit ein wirtschaftlicher Kollaps im Frühjahr 2021 auf jeden Fall abgewendet wird. Darin waren sich die Mitglieder des Controlling-Ausschusses der Bürgerschaft am Donnerstag fraktionsübergreifend einig. Zugleich nahmen die Parlamentarier, die für die Überwachung der kommunalen Unternehmensbeteiligungen zuständig sind, die Verantwortlichen des Klinikverbundes an eine deutlich kürzere Leine. Erwartet wird eine kontinuierliche Unterrichtung über die Fortschritte der wirtschaftlichen Sanierung.
Rund drei Stunden lang befasste sich das Gremium hinter verschlossenen Türen mit den finanziellen Daten des stadteigenen Krankenhauskonzerns, der tief in den roten Zahlen wirtschaftet. Über das allgemeine Bekenntnis zur Geno hinaus drang anschließend wenig nach außen. Der konkrete Unterstützungsbedarf liegt offenbar in diesem und auch noch im nächsten Jahr bei jeweils etwa 30 Millionen Euro. Wie dieser Betrag aufgebracht werden soll, sei noch völlig offen, war nach der Sitzung zu hören. Das Finanzressort soll entsprechende Vorschläge erarbeiten.
Ein strategisches Zukunftskonzept für die Geno, wie es einige Teilnehmer erwartet hatten, wurde von der Konzernleitung noch nicht vorgelegt. Interimsgeschäftsführerin Heike Penon benannte allerdings ein Bündel von zehn Maßnahmen, von dem sie sich mittelfristig mehr Wirtschaftlichkeit für den Verbund der vier Häuser in Mitte, Nord, Ost und Links der Weser verspricht. Einige dieser Projekte hatten bereits im Dezember den Geno-Aufsichtsrat beschäftigt. So ist etwa die Rede von zusätzlichen Neurologie-Betten für Schlaganfallpatienten (sogenannte Stroke-Units). Die Kooperation der Kliniken in Mitte und Ost soll vertieft, der altersmedizinische und Frühreha-Schwerpunkt in Ost ausgebaut, die Augenheilkunde stärker als bisher ambulant angeboten werden.
Controlling-Ausschuss wird sich nicht mehr blenden lassen
Solche und ähnliche Vorschläge gab es in der Vergangenheit zuhauf, an der wirtschaftlichen Talfahrt der Geno änderten sie in der Regel nichts – entweder weil sie gar nicht erst umgesetzt wurden, oder weil sich die erwarteten Effizienzgewinne als zu optimistisch herausstellten. Das soll anders werden, kündigte der Ausschussvorsitzende Klaus-Rainer Rupp (Linke) nach der Sitzung im Gespräch mit dem WESER-KURIER an. „Der Controlling-Ausschuss wird sich von vermeintlichen Fortschritten nicht mehr blenden lassen“, sagte Rupp.
Die Abgeordneten seien entschlossen, den Geno-Entscheidern künftig genauer auf die Finger zu gucken. Dazu gehöre, dass von diesen künftig ein monatlicher Report zu bestimmten betriebswirtschaftlichen Daten erwartet wird. Im Abstand von jeweils zwei Monaten wollen sich die parlamentarischen Controller den Fortgang der strukturellen Sanierung des Klinikkonzerns erläutern lassen. „Alle Fraktionen haben deutlich gemacht, dass sie diese Aufgabe sehr ernst nehmen“, unterstrich Rupp.
Wie ernst es um die Geno steht, war erst vor wenigen Tagen erneut deutlich geworden. Wie aus internen Unterlagen hervorgeht, droht der Geno ohne erneute Hilfen der öffentlichen Hand im Frühjahr 2021 abermals die Zahlungsunfähigkeit. Der städtische Krankenhausverbund hat seinen Kreditrahmen zu großen Teilen ausgeschöpft und wird auch nach eigener Einschätzung bis 2024 nicht aus den roten Zahlen herauskommen. 2019 hatte die Geno mit 27,5 Millionen Euro das höchste Defizit seit vielen Jahren aufgehäuft. Die Gründe dafür waren vielfältig. So hatte sich die angenommene Steigerung der Behandlungsfälle als Wunschdenken herausgestellt.
Auch gibt es immer wieder Konflikte mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), der die Korrektheit von Kostenabrechnungen der Kliniken anzweifelt und Zahlungen einbehält. Zähe Einigungsverfahren oder Gerichtsprozesse sind die Folge. Knappheit an Pflegekräften, die zu zeitweiligen Stationsschließungen führt und zum Teil durch teure Leiharbeit kompensiert werden muss, sind ein weiteres Problem. Damit steht die Gesundheit Nord allerdings nicht allein. Der Fachkräftemangel betrifft das deutsche Gesundheitswesen flächendeckend.