Die Pferde grasen neben einem orangen Bauwagen. Ein paar Meter weiter steht eine kleine, blaue Holzhütte. Die Hühner gackern, zwischen Gräsern, Sträuchern und Bäumen wuseln Katzen umher. Das Gelände des Vereins Kinder, Wald und Wiese liegt idyllisch auf einer Grünfläche südlich der Bahnstrecke Bremen-Hamburg und westlich der Linie 6. Wer auf die sogenannte Horner Spitze möchte, muss das Auto stehen lassen und zu Fuß gehen. Doch dieser naturnahe und kindgerechte Erlebnishof muss demnächst weichen. Die Fläche soll für die Erweiterung des Technologieparks genutzt werden.
Das sorgt bei der Vereinsvorsitzenden Anke Liebezeit-Ay für Ärger und Unverständnis. "Mit uns hat niemand gesprochen. Wir sind nicht in die Planungen der Stadt eingeweiht worden, sondern haben aus den Medien erfahren, dass unsere Fläche bebaut werden soll", sagt Liebezeit-Ay, die sich wie der Horn-Leher Beirat übergangen fühlt.
Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) und Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) hatten am vergangenen Donnerstag ein gemeinsames Papier vorgestellt, in dem zwei Areale benannt werden, die in den kommenden Jahren als Gewerbeflächen entwickelt werden sollen. Damit hatten die beiden Senatorinnen ihren Streit um die Ausweisung solcher Fläche beigelegt. Neben 25 Hektar im südöstlichen Teil des Flughafengeländes ist die Erweiterung des Technologieparks an der Universität um die Horner Spitze vorgesehen. So steht es bereits im rot-grün-roten Koalitionsvertrag.
Seit knapp 15 Jahre betreibe der Verein Kinder, Wald und Wiese den Erlebnishof auf der betroffenen Fläche. Der Pachtvertrag werde immer um ein Jahr verlängert, sagt die Vorsitzende. "Hier können Kinder, Jugendliche und Familien die Natur erkunden und den Umgang mit Tieren erlernen", sagt Liebezeit-Ay. Das sei wertvoll als Ausgleich zum Stadtalltag. Zudem hätten auch die knapp 400 Schüler der angrenzenden Grundschule am Baumschulenweg die Möglichkeit, das Gelände zu nutzen. "Noch im Frühjahr 2020 hat Senatorin Maike Schaefer auf einer Beiratssitzung in Horn Bestandsschutz für die Vereinsfläche zugesagt. Umso irritierter sind wir jetzt über den Umgang mit uns als langjährigen Pächter. Von diesem Politikstil sind wir maßlos enttäuscht", sagt Liebezeit-Ay.
Ein Vorwurf, den Umweltsenatorin Schaefer nicht stehen lassen will. In der Beiratssitzung sei es damals um die Haltestelle für die Züge auf der Strecke Bremen-Hamburg am Technologiepark gegangen. Das Verkehrsressort hatte sich dabei unter anderem wegen der Nähe zu Wohngebieten für die Achterstraße entschieden. "Dabei ging es vor allem um den Erhalt der Kleingärten", sagt Schaefer. Einen Bestandsschutz für den Erlebnishof habe sie nicht zugesagt, das sei aus dem Zusammenhang gerissen. Die Senatorin sichert zu, dass man nach einer Alternativfläche für den Verein in der Umgebung suchen werde. Eine Ausgleichsfläche irgendwo im Stadtgebiet könne den Verein nicht retten, sagt hingegen Liebezeit-Ay. "Wir sind in der Nachbarschaft verwurzelt. Wir können nicht einfach so umgetopft werden."
Erst in der vergangenen Woche habe es zur Horner Spitze den grundsätzlichen politischen Beschluss gegeben, heißt es aus dem Wirtschaftsressort. "Wir sind mit dem Planungsprozess daher erst am Anfang. Hierzu gehört auch, dass mit den an einem solchen Prozess betroffenen Stellen – und hierzu zählen auch die aktuellen Grundstücksnutzer – zeitnah Kontakt aufgenommen wird, um das weitere Vorgehen zu besprechen", sagt Christopher Schönhagen, Sprecher der Wirtschaftsbehörde. Man sei zuversichtlich, eine gute Lösung zusammen mit dem Verein zu finden.
Nicht nur der Verein Kinder, Wald und Wiese fühlt sich bei der Entscheidung für eine Gewerbegebietserweiterung auf der Horner Spitze übergangen, auch im Horn-Leher Beirat sorgen die Pläne der Umwelt- und der Wirtschaftssenatorin für Irritation. Birgit Bäuerlein, Vorsitzende der SPD-Beiratsfraktion, hat deshalb beantragt, das Thema im Januar auf die Tagesordnung zu setzen. „Leider wurde der Beirat, wie schon oft, über Beschlüsse, die sein Gebiet unmittelbar betreffen, nicht informiert“, kritisiert sie. „Wir fordern auch für zukünftige Projekte eine ausführliche Information des Beirats vorab.“ Dass auch mit dem Verein Kinder, Wald und Wiese als langjährigem Nutzer nicht vorab gesprochen wurde sei „skandalös“.