Maike Schaefer wirkt trotz aller Probleme ein wenig froh: „Wir können die Situation in Bremen nicht mit der in Berlin vergleichen.“ Die Kollegen aus der Bundeshauptstadt hatten vom Mietenwahnsinn an der Spree berichtet. Aber klar ist, so sagt Schaefer weiter: „Auch in Bremen ist das Fehlen von bezahlbarem Wohnraum ein echtes Thema.“ Und so passte es, dass der grüne Dreiklang der Fraktionsvorsitzenden – Europa, Bund, Länder – die Wohnraumproblematik zu einem Schwerpunkt ihrer Konferenz in Bremen gemacht haben.
Passend auch, weil für diesen Sonnabend zahlreiche Bremer Verbände und Initiativen zur Demonstration „Die Stadt muss allen gehören“ aufgerufen haben. Und so erläutern Schaefer, Fraktionsvorsitzende der Bremer Grünen, und Katrin Göring-Eckardt, Chefin der Bundestagsfraktion, vor Pressevertretern ihre Positionen und Forderungen.
Preisbindung soll verlängert werden
Ein Problem auf dem Wohnungsmarkt in Bremen und Bremerhaven: Die Zahl der Sozialwohnungen ist von etwa 80.000 im Jahr 1991 auf aktuell gut 8000 gesunken. „Bremen hat sein Tafelsilber verkauft“, bedauert Schaefer. Diese Entwicklung hat vor allem für Studenten, Alleinerziehende, Renter und Geringverdiener Folgen. Etwa 47 Prozent der Haushalte in Bremen geben einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge mehr als ein Drittel ihres Geldes für die Miete aus.
Um dieser Entwicklung entgegen zu steuern, wollen die Bremer Grünen die Quote im geförderten Wohnungsbau von 25 auf 30 Prozent erhöhen. Die Preisbindung für diese Wohnungen soll laut Schäfer deutlich verlängert werden. Für den angestrebten „Paradigmenwechsel“ sollen zudem die Fristen für das kommunale Vorkaufsrecht verlängert werden. Auf der anderen Seite wollen die Grünen städtische Grundstücke nur noch im Erbbaurecht vergeben, um besser auf die Entwicklung der Quartiere Einfluss zu nehmen.
Alarmierend sind für Schaefer allerdings die jüngsten Nachrichten aus Berlin. Bauminister Horst Seehofer (CSU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wollen die Fördermittel des Bundes für den Wohnungsbau senken. Von bislang 1,5 Milliarden Euro sollen sie auf eine Milliarde zurückgefahren werden. Für Schaefer ist das schlichtweg ein „falsches Signal“.
Göring-Eckardt will den Bund nicht aus der Pflicht lassen. „Die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt ist eine zentrale soziale Frage, die müssen Bund und Länder gemeinsam angehen“, erklärt die Chefin der Bundestagsfraktion. Die Grünen haben ein Programm entwickelt, um den Druck vom Mietmarkt zu nehmen. Innerhalb von zehn Jahren wollen sie gut eine Million neue Wohnungen bauen, die nicht aus der Mietpreisbindung fallen.
Linderung für ein Bremer Dilemma
Desweiteren planen die Grünen eine „ökologische Bauoffensive“: In den Städten sollen Aufstockungen, etwa auf Flachdach-Supermärkten, für mehr Wohnraum sorgen. Im ländlichen Raum hingegen sollen leerstehende Gebäude in Ortskernen modernisiert werden. Insgesamt sollen so weitere 100 000 neue Wohnungen entstehen.
Dieser Kraftakt, so erläutert Göring-Eckardt, könne mit Beträgen gegenfinanziert werden, die für das umstrittene Baukindergeld eingeplant seien. Und sie ergänzt: „Außerdem gibt es eine günstige Situation auf dem Zinsmarkt. Es wäre falsch, jetzt nicht zu agieren.“
Schaefer sieht die Gebäudeaufstockung als Chance, ein Bremer Dilemma zu lindern: fehlende Wohnungen einerseits, begrenzte Flächen andererseits. „Der Dächerausbau hilft uns, nicht auf der grünen Wiese bauen zu müssen.“ Die Bremer Grünen wollen diesen Punkt im Auge behalten.
Giegold: „Es wird eine Klimawahl“
Für die Bündnisgrünen ist es „ein entscheidender Moment in der Geschichte Europas“: Gewinnt der Nationalismus weiter an Boden? Kapituliert die Politik vor der Globalisierung? Mit der Europawahl werden die Weichen gestellt, wie es mit der EU weitergeht. Auch das war ein Schwerpunkt auf der Konferenz der Grünen-Fraktionsvorsitzenden von Bund, Ländern und Europa in Bremen. Die Ökopartei will bei der Europawahl vor allem auf ihren Markenkern setzen: Klima- und Naturschutz. „Diese Wahl wird eine Klimawahl“, glaubt Sven Giegold, Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament. In einem Beschluss der Konferenz heißt es dazu: „Die Zeit rennt, um den Klimakollaps noch aufzuhalten.“ Für einen besseren Schutz des Klimas soll der Kohlendioxid-Ausstoß einen Preis bekommen. Diese Einnahmen wollen die Grünen „mit einem Energiegeld sozial gestaffelt an alle Europäerinnen und Europäer zurückgeben“.
Giegold plädierte dafür, die Agrarpolitik „vom Kopf auf die Füße zu stellen“. Die EU-Agrarsubventionen sollten an Aspekte wie Natur- und Tierschutz gekoppelt werden. Mikroplastik in Kosmetika, Körper- und Pflegeprodukten wollen die Grünen verbieten.