Das „Haus der Zukunft“ in Lüssum-Bockhorn, das Mütterzentrum in Blockdiek, die Bildungsangebote der Bürgerhäuser in Hemelingen und Kattenturm und viele, viele mehr: Sie alle gäbe es nicht ohne das Programm „Wohnen in Nachbarschaften“, kurz Win, das seit 20 Jahren niedrigschwellige Projekte für Integration und sozialen Zusammenhalt in Bremens ärmeren Stadtteilen ermöglicht. Seit 1999 wurden insgesamt 4930 Angebote mit mehr als 27 Millionen Euro finanziell unterstützt oder überhaupt erst geschaffen. Nun gibt es die Ergebnisse eines Gutachtens des Bonner Forschungsinstituts Empirica, das dem WESER-KURIER vorliegt. Der Bericht ist im Auftrag des Senators für Umwelt, Bau und Verkehr entstanden und er untersucht die aktuelle und insgesamt vierte Förderperiode, die im Dezember endet.
"Win ist definitiv ein Gewinn für Bremen"
Das Fazit des knapp 130 Seiten langen Gutachtens, in das unter anderem die Erfahrungen der Quartiermanager und -managerinnen der insgesamt 15 Win-Gebiete inklusive des „Kattenturm-Satelliten“ Arsten-Nord sowie lokaler Akteure und Träger einflossen, lautet kurz zusammengefasst: Win ist definitiv ein Gewinn für Bremen. Win sei „unerlässlich darin, Bedarfe vor Ort zu erkennen, zu benennen und die Informationen in die beteiligten Fachressorts zu transportieren“.

Die Kita-Leiterin Marion Haase, Quartiermanagerin Sandra Ahrens und Schulleiter Carsten Dohrmann (v.l.) entwickelten das Konzept für ein "Lernhaus" als Alltagshilfe für Familien in Kattenturm.
Deshalb müsse das Programm, so die Empfehlung der Gutachter, nicht nur fortgeführt, sondern darüber hinaus auch in einigen Punkten wie der Verbesserung der ressortübergreifenden Verantwortung weiterentwickelt werden sowie langjährig geförderte Projekte eine Sonderstellung in Form von eigenen festen Budgets erhalten können. Und, ebenso unerlässlich für den künftigen Erfolg von Win: Die jährlichen Mittel von derzeit 1,75 Millionen Euro müssten angepasst werden, um Inflation und die „weiter gewachsenen ungleichen Lebensbedingungen vor Ort“ auszugleichen. Die Stadtteile von Blumenthal bis Tenever, in denen es Win-Angebote gibt, sind laut dem Bericht diejenigen, in denen die Anteile nicht-deutscher Einwohner am stärksten gestiegen sind: von 19,3 Prozent im Jahr 2010 auf gut 27,5 Prozent im Jahr 2017 (Anstieg in Bremen ohne Win-Gebiete von 10 Prozent auf 14,3 Prozent).
„Die Win-Gebiete übernehmen somit einen wachsenden Teil der Integrationsaufgaben in der Stadt Bremen“, schreiben die Autoren des Gutachtens. Entsprechend wichtig ist es laut der Analyse, Quartiersmanager noch stärker als Impulsgeber einer integrierten, sozialen Entwicklung vor Ort zu verstehen. Denn sie wüssten durch ihren täglichen Umgang mit den Bewohnern und Akteuren, welche Impulse nötig seien, um Brennpunkt-Wohngebiete voranzubringen.
Als Paradebeispiel dafür gelten der Täter-Opfer-Ausgleich, den es in es in mehreren Stadtteilen gibt, und das Konzept für ein „Lernhaus“ an der Stichnathstraße in Kattenturm, das ein Bündnis, initiiert von der Quartiersmanagerin mit der örtlichen Grundschule und dem Familienzentrum, entwickelte. Derzeit werden die für den Bau des lebenslangen Lern-Angebots nötigen Gelder mit dem Bauressort abgestimmt.
Erhöhung der Mittel um 30 Prozent
Wie Win ab 2020 fortgeführt werden soll, erklären an diesem Donnerstag die qua Amt zuständigen Grünen-Senatorinnen Maike Schaefer (Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau) und Anja Stahmann (Soziales, Jugend, Integration und Sport). Die Bürgerschaft wird sich ebenfalls bis Ende des Jahres mit dem Thema befassen. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linken steht die Zusage, Win-Projekte abzusichern und auszuweiten. Dort ist von einer Erhöhung der Mittel von 30 Prozent die Rede, um auch zukünftig auch kleinere Quartiere in die Förderung aufnehmen zu können.
Auch Björn Fecker, der Fraktionsvorsitzende der Grünen in Bremen, hält die Erhöhung der Win-Mittel für notwendig. Gleichzeitig müsse überlegt werden, ob und welche dauergeförderten Projekte in die jeweiligen Ressorthaushalte überwiesen werden könnten. „Auch für die haushaltslose Zeit müssen wir ein Signal geben“, sagt Fecker. „Wir dürfen die Träger nicht im Regen stehen lassen.“