Die Jacobs University in Bremen-Nord steht vor tief greifenden Veränderungen. Die Jacobs Foundation (Stiftung) will sich nach Informationen des WESER-KURIER nicht nur als Zuschussgeberin, sondern auch als Mehrheitsgesellschafterin der Privathochschule zurückziehen. Die Wissenschaftsbehörde ist gegenwärtig bemüht, diesen Prozess so zu ordnen, dass die Einrichtung fortgeführt werden kann – mit welchen Partnern und in welcher Form auch immer. Erreicht wurde dabei bisher, dass die Foundation etwa 63 Millionen Schweizer Franken (knapp 59 Millionen Euro) als finanziellen Puffer für die Übergangszeit zur Verfügung stellt.
Die Ausstiegspläne der Stiftung fallen zusammen mit erneuten Liquiditätsengpässen der Jacobs-Uni. Die 2001 eröffnete Privathochschule steht schon seit Jahren auf einem sehr schmalen finanziellen Fundament. Sie finanziert sich im Wesentlichen aus Studiengebühren sowie Zuschüssen der in Zürich ansässigen Jacobs Foundation und dem Land Bremen. Die ursprüngliche Absicht, nach US-Vorbild einen Kapitalstock zu bilden, dessen Erträge Forschung und Lehre unterstützen, hat sich nie verwirklichen lassen. Die 200-Millionen-Euro-Spende der Foundation aus dem Jahr 2006 wurde nach und nach zur Deckung der Defizite aufgezehrt. Aktuell gibt es nun offenbar Einbrüche bei den Studiengebühren, weil sich coronabedingt deutlich weniger ausländische Studenten auf dem Grohner Campus tummeln, als geplant.
Warum die Stiftung anderthalb Jahrzehnte nach ihrem spektakulären Einstieg das Engagement in Bremen-Nord beenden möchte, dazu ist offiziell nichts zu erfahren. Weder von der Foundation selbst, noch von der Uni oder der Wissenschaftsbehörde. Im Gegenteil, in einem am Dienstag verbreiteten Statement der Stiftung ist von einem Ausstieg gar keine Rede. Dort wird lediglich die Bereitschaft betont, „die Jacobs University mit dem für eine strategische Neuaufstellung notwendigen Investitionskapital auszustatten“. Dabei handelt es sich um die 63 Millionen Franken, die auf einen Vertrag zwischen Stiftung, Senat und Jacobs-Uni zurückgehen. Darin hatte die Stiftung für die Zeit bis 2027 einen Förderbetrag von insgesamt 100 Millionen Franken zugesagt. Die 63 Millionen Franken sind der noch nicht ausgezahlte Teilbetrag für die Restlaufzeit des Vertrages.
Akteure, die mit den Vorgängen vertraut sind, führen die Abwendung der Foundation von ihrem Bremer „Baby“ auf den Generationswechsel in der Führungsebene zurück. Bis vor drei Jahren hatte in der Stiftung der noch in Bremen aufgewachsene Christian Jacobs großen Einfluss. 2017 zog sich der Jurist und Unternehmer aus den leitenden Funktionen der Foundation zurück. Dort haben inzwischen seine deutlich jüngeren Stiefgeschwister das Sagen. Mit Bremen verbindet sie kaum noch etwas, ihr Interessenschwerpunkt gilt anderen weltweiten Projekten der Jacobs Foundation.
Foundation hält zwei Drittel der Anteile an der Uni
Nach Informationen des WESER-KURIER will die Stiftung ihr Engagement in Grohn bereits zum Jahresende abwickeln. Viel Zeit für einen geordneten Übergang ist also nicht mehr. Gegenwärtig hält die Foundation zwei Drittel der Anteile an der Uni, die als gemeinnützige GmbH organisiert ist. Weitere Anteilseigner sind die Reimar Lüst Foundation und die Vereinigung der Alumni, also der Absolventen. Rein theoretisch könnten die Minderheitsgesellschafter die frei werdenden Anteile übernehmen, es könnten aber auch neue externe Partner gewonnen werden – oder Bremen tritt als Mehrheitseigentümer ein, um die bisherige Privathochschule mittelfristig in das öffentliche Hochschulwesen zu überführen.
Wissenschaftsstaatsrat Tim Cordßen will keine solchen Spekulationen nähren. Er betont: „Bremen hat ein Interesse daran, dass es zu keiner kurzfristigen Insolvenz der Jacobs University kommt.“ Diesem Ziel gälten die Gespräche, die aktuell mit der Privathochschule und der Foundation geführt würden. „Was wir jetzt brauchen“, so Cordßen, „ist ein geordneter Diskussionsprozess unter der Fragestellung: Welche Perspektive hat die Jacobs University und mit welchem Geschäftsmodell?“ Wissenschaftssenatorin Claudia Schilling (SPD) bekräftigt derweil, dass es keine kurzfristigen Hilfen aus dem Landeshaushalt für die wirtschaftlich angeschlagene Privathochschule geben wird.
Christian Jacobs, auf dessen guten Willen die Jacobs-Uni in der Vergangenheit zählen konnte, zeigt sich im Gespräch mit dem WESER-KURIER durchaus zuversichtlich, dass das Geschäftsmodell Privathochschule am Standort Grohn langfristig erfolgreich sein kann. Unter der früheren Präsidentin Katja Windt sei bereits eine gewisse Konsolidierung gelungen. Die Zukunftsaussichten der Jacobs University hängen aus Jacobs‘ Sicht sehr stark von ihrem akademischen Profil ab. „Es ist natürlich echt schwierig, eine private Hochschule mit einer so umfangreichen Forschungstätigkeit wirtschaftlich zu betreiben“, so Jacobs.
Die CDU sieht den Senat in der Pflicht, rasch ein Konzept für den Erhalt der Jacobs University zu erarbeiten. Mit dieser Forderung meldet sich die wissenschaftspolitische Sprecherin Susanne Grobien zu Wort. In der Vergangenheit habe der Senat die Jacobs-Uni aus ideologischen Gründen mit „spitzen Fingern“ angefasst. Gefragt sei nun aber „starkes ideelles, auf jeden Fall aber ein zügiges Engagement, denn eine längere Phase der Unsicherheit wird die Situation weiter verschärfen“, so Grobien. Bremen dürfe nicht leichtfertig auf eine renommierte und international anerkannte Forschungseinrichtung verzichten.