Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Kleineres Volumen, mehr Tempo Bremer Senat einigt sich auf Klimapaket

Um die Größe wurde gerungen, doch nun ist das Bremer Klimaschutzpaket geschnürt: Das rot-grün-rote Regierungsbündnis will bis 2027 bis zu 2,5 Milliarden Euro für ein Maßnahmenbündel ausgeben.
08.11.2022, 16:19 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Bremer Senat einigt sich auf Klimapaket
Von Jürgen Theiner

Weniger Geld, dafür ein kürzerer Zeitraum zur Realisierung: Auf diese Änderungen am geplanten Bremer Klimaschutzpaket haben sich der Senat und die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und Linken verständigt. Nach dem Willen des Bündnisses sollen bis 2027 insgesamt 2,5 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung gestellt werden, die das kleinste Bundesland der Klimaneutralität näher bringen. Außerdem will der Senat überwiegend in 2023 rund 500 Millionen Euro ausgeben, um die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs abzufedern. Davon sollen kleine und mittlere Unternehmen, Vereine und Kultureinrichtungen ebenso profitieren wie städtische Betriebe und bedürftige Privathaushalte.

Weil die insgesamt drei Milliarden Euro nicht aus dem normalen Landeshaushalt aufzubringen sind, will Rot-Grün-Rot eine Ausnahmebestimmung der Schuldenbremse in Anspruch nehmen, also eine Neuverschuldung ermöglichen, die nach der Landesverfassung eigentlich verboten ist. Nötig ist dafür ein Bürgerschaftsvotum, das eine "außergewöhnliche Notlage" geltend macht. Ein solcher Beschluss könnte nach jetzigem Planungsstand im ersten Quartal 2023 vom Parlament gefasst werden. Mehrere Bundesländer gehen derzeit diesen Weg, stellen dabei aber zumeist die finanzielle Bewältigung der Ukraine-Krise in den Vordergrund. Andere, wie etwa das Saarland, verbinden sie mit einem allgemeinen Infrastrukturprogramm. Mit seinem klaren klimapolitischen Schwerpunkt ist das Bremer Vorhaben bisher einzigartig in Deutschland.

Lesen Sie auch

In den vergangenen Tagen war um das Volumen des Klimaschutzpakets innerhalb der Koalition noch gerungen worden. In der SPD gab es starke Kräfte, denen die ursprüngliche Größe von fünf Milliarden Euro mit einer Laufzeit bis 2030 zu gewaltig war – vor allem wegen der Zinslasten, die dadurch für den normalen Haushalt entstehen. Im Koalitionsausschuss von SPD, Grünen und Linken waren die Sozialdemokraten am Montagabend nach Informationen des WESER-KURIER mit dem Vorschlag angetreten, die Ausgaben für den Klimaschutz auf 2,1 Milliarden Euro zu begrenzen. Letztlich einigte man sich auf 2,5 Milliarden zuzüglich der Kriegsfolgekosten von 500 Millionen Euro, die auch für die SPD unstrittig waren.

Bei einer Pressekonferenz im Rathaus lobten Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sowie die Ressortchefs Maike Schaefer (Grüne, Umwelt), Kristina Vogt (Linke, Wirtschaft) und Dietmar Strehl (Grüne, Finanzen) am Dienstag den Kompromiss. Der Senat und die ihn tragenden Parteien wahrten mit dem Klima- und Krisenpaket "Maß und Mitte", sagte der Bürgermeister. Die Herausforderungen durch den Klimawandel und die Folgen des Ukraine-Kriegs seien jedenfalls so groß, dass sie nicht innerhalb des normalen Haushalts bewältigt werden könnten. Maike Schaefer verwies auf die gerade in Ägypten stattfindende Weltklimakonferenz, die den Handlungsbedarf abermals unterstrichen habe. Wie Bovenschulte wies sie darauf hin, dass die 2,5 Milliarden Euro ein Rahmen seien, den man nicht restlos ausschöpfen müsse. Sie hoffe für verschiedene konkrete Klimaschutzprojekte auf Zuschüsse von Bund und EU.

Lesen Sie auch

Wirtschaftssenatorin Vogt kündigte an, dass die ersten Gelder wohl in die klimaneutrale Umrüstung der Industrie fließen werden. Als wichtigstes Projekt gilt hierbei die Umstellung der Produktion in den Stahlwerken auf den Energieträger Wasserstoff. "Wenn man den größten Effekt erzielen will, muss man bei der Industrie anfangen", sagte Vogt. Ein weiteres wichtiges Projekt ist aus ihrer Sicht ein sogenannter Weiterbildungscampus. Eine solche Bildungseinrichtung werde gebraucht, um für das Handwerk die Fachkräfte zu gewinnen, die für die Klimawende gebraucht werden.

Die Klimaschutzstrategie des Senats geht auf die Arbeitsergebnisse einer Enquetekommission der Bürgerschaft hervor, die im vergangenen Jahr Klimaschutzprojekte im Volumen von bis zu acht Milliarden Euro vorgeschlagen hatte. Bei dieser Größenordnung soll es bis 2038 – dem Jahr, in dem Bremen Klimaneutralität erreicht haben will – auch bleiben, unterstrich Umweltsenatorin Schaefer.

Lesen Sie auch

Kritik an den Senatsbeschlüssen kam bereits von der CDU. Mit seinen schuldenfinanzierten Klimaschutzplänen "steuert Rot-Grün-Rot das Bundesland Bremen direkt in die finanzielle Handlungsunfähigkeit", urteilte ihr Finanzpolitiker Jens Eckhoff. Die gepumpten drei Milliarden Euro würden Bremens Haushalte in Zukunft jährlich mit rund 150 Millionen Euro belasten. Es sei nicht nachvollziehbar, "dass der Senat jede Alternative in den Wind schlägt". Damit bezog sich Eckhoff auf einen Vorschlag, den die CDU im Mai unterbreitet hatte. Er sieht eine Klima-Anleihe vor, über die privates Kapital für den Klimaschutz eingeworben werden könne. Aus Eckhoffs Sicht geht es dem Senat Bovenschulte nur darum, "die in der Verfassung festgesetzte Schuldenbremse systematisch auszuhebeln, um seine rot-grün-rote Klientelpolitik trotz leerer Kassen auch in der kommenden Legislaturperiode fortsetzen zu können". Die Handelskammer mahnte in einer Stellungnahme eine enge Abstimmung des Senats mit der Bundesregierung und den übrigen Ländern über die Finanzierung des Klimapakets an. "Bei der Feststellung einer außergewöhnlichen Notlage als Ausnahme zur Schuldenbremse darf das Land Bremen keinen Alleingang machen", heißt es in der Erklärung. Darin wird auch auf die steigenden Zinsbelastungen aufmerksam gemacht. Drei Milliarden Euro neuer Schulten schränkten "den Handlungsspielraum zukünftiger Landesregierungen stark ein", so die Handelskammer.

Zur Sache

Vier Klimaschutz-Schwerpunkte

Für seine Klimaschutzstrategie hat der Senat vier inhaltliche Schwerpunkte definiert und erste Maßnahmen beschrieben, die in Bremen und Bremerhaven zu einer drastischen Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen führen sollen. Die wirkungsvollsten und am schnellsten zu realisierenden Projekte sollen auf einer "Fastlane" (deutsch: Überholspur) vorangetrieben werden. Die Schwerpunkte lauten: Ausbau der Fern- und Nahwärmeversorgung, Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, energetische Sanierung des öffentlichen Gebäudebestandes und klimaneutrale Transformation der Wirtschaft. Ein generelles Stichwort, das für alle Bereiche gilt, ist die Dekarbonisierung, also der Verzicht auf fossile Energieträger.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)