Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Friseursalon schließt Denkanstöße zum Abschied vom Wall

Friseur "Hairliner's" schließt nach 15 Jahren seinen Laden in der Innenstadt - nicht nur wegen Personalmangels. Was der Firmengründer zur Stadtentwicklung sagt.
17.06.2022, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Denkanstöße zum Abschied vom Wall
Von Justus Randt

„Wir haben hier richtig viel Spaß gehabt und sehr viel Erfolg.“ Damit ist es jetzt vorbei. Rainer Kaemena, Gründer und Mitgeschäftsführer der drei Bremer „Hairliner's“-Friseursalons, macht zu. Seinen Laden Am Wall, schräg gegenüber der Wallmühle, schließt er. Den „Friseurfeiertag“, wie der 67-Jährige den Montag nennt, habe es in seinen Salons nie gegeben. Am Wall seit anderthalb Jahren aber doch. „Für diesen Laden braucht man zehn Leute, sonst sieht er zu leer aus“, sagt er. „Wir können ihn einfach nicht mehr bestücken. Es herrscht absoluter Personalmangel.“ Auch, aber nicht   allein deshalb ist ab nächsten Montag Feierabend für immer.

Unterm Strich gibt es viele Gründe, weshalb sich Rainer Kaemena und sein Geschäftspartner Stefan Hagens künftig auf ihre Salons in Schwachhausen und Horn konzentrieren wollen. Um es vorwegzusagen: Kaemena sucht keine Schuldigen für die „schwierige Situation der Innenstadt“, er stellt fest, dass sich die Probleme ballen: „Schuld hat ja nicht nur einer, das lässt ja auch jemand zu.“ Denkanstöße nennt er, was er da zum Abschied nach 15 Jahren aufzählt.

"Qualitätsverlust" im Stadtkern

„Die Stadt ist nicht mehr so sauber“, sagt Kaemena. Die Ansgaritorwallstaße, an der der hintere Eingang des Salons liegt, sei „vermüllt“, stellt er schon länger fest. „Wenn man nicht hier wohnt, fällt einem das deutlicher auf, die Kunden sehen das schon auch. Das kriegt man nicht zurückgedreht“, glaubt er. „Die schöne Innenstadt wird immer unattraktiver.“ Nicht weit von seinem Salon, am Hillmannplatz, hat im vergangenen Jahr das Bistro Grashoff samt Delikatessenladen zugemacht. Für Kaemena ist das neben dem Modehaus Roland eines der wichtigen Beispiele für „Qualitätsverlust“ im Stadtkern. Und das nehme nicht nur er so wahr.

Lesen Sie auch

Rainer Kaemena erzählt die Geschichte einer langjährigen Kundin, die ihm aus dem Stammgeschäft am Dobben an den Wall gefolgt war. Der Laden in einem Altbremerhaus im Viertel sei „sehr schön gewesen“, aber das Umfeld habe nachgelassen. „Wie jetzt hier.“ Eines Tages also sei er der Frau im Horner „Hairliner's“-Salon begegnet und habe sich gewundert. Der Friseurbesuch sei für sie ein Gesamtprojekt gewesen, mit anschließendem Einkaufsbummel und gemeinsamer Einkehr bei Grashoff mit ihrem Mann. In Horn könne sie außerdem direkt vor dem Salon parken.

Kritik an Experimenten

Das ist Kaemenas Überleitung zu den Schlagwörtern Innenstadt- und Verkehrskonzept. „So rigoros wie hier sind solche Experimente einfach schädlich für die Innenstadt“, sagt er über die Verkehrsversuche in der Martinistraße und die Umgestaltung – „das Späßchen“, wie er es nennt – der Straße Am Wall. „Man wird nicht alle Leute dazu bringen, mit dem Fahrrad in die Stadt zu fahren.“ Er wünsche sie eine Lösung für alle.

Vor einem halben Jahr sei die Entscheidung gefallen, den Standort aufzugeben. Damals habe die Überlegung anstanden, den Mietvertrag zu verlängern. „Erst ging es um zehn Jahre, dann gab es die Option auf fünf Jahre, schließlich die Überlegung, jährlich zu verlängern. Das fand ich aber halbherzig“, sagt Kaemena. Ausgerechnet während der Pandemie sei dann noch die Miete erhöht worden. „Die Mieten sind kaum noch zu erwirtschaften. Die alteingesessenen Geschäfte sind aber Ziele der Klientel, die wir als Hochpreissalon haben.“

Lesen Sie auch

Eine Folge seien „austauschbare Geschäfte“, sagt Kaemena – oder Leerstände, wie die verlassene Filiale einer früheren Bank in seiner Nachbarschaft. Die Innenstadtumgestaltung, so ungewiss die Planungen seien, dauere „mindestens fünf Jahre, bis dahin geht es weiter bergab“.  Er habe den Eindruck, in Bremen dauere alles besonders lange, sagt der Friseur. „Die Kunden, die einmal weg sind und nach Hamburg oder Oldenburg fahren, sind schwer wieder für Bremen zu begeistern.“

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)