Blickt Oliver Mücke vom Bremer Konzert-Veranstalter Koopmann-Concerts auf die vergangenen 1,5 Jahre zurück, dann fällt ihm als erstes das hier ein: „Das ist völlig gaga.“ Verlegung folgt auf Verlegung, nicht selten müssen Veranstaltungen ganz abgesagt werden. Auch heute noch, wo in Kinos, Theatern und anderen Kultureinrichtungen wieder ein bisschen Normalität eingekehrt ist, ist die Konzert- und Veranstaltungsbranche noch weit davon entfernt.
Erst vor Kurzem musste Koopmann-Concerts die ab Ende Oktober geplante Tour der Ärzte absagen, ebenso die „Night of the Proms“ im Dezember. „Dadurch, dass wir in Deutschland diesen Flickenteppich an Auflagen haben, können wir keine Tourneen spielen“, sagt er. „Es fehlt nach wie vor an Planungssicherheit.“ Die geltenden Regeln, die sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden, treffen zudem auf die ganz unterschiedlichen Wünsche und Interessen – Konzerthallen auf der einen sowie der Künstler und Agenten auf der anderen Seite. „Die einen wollen 3G, andere bestehen auf 2G; einige wollen das Publikum nicht verprellen, andere wollen eine möglichst hohe Auslastung erreichen. Wie soll man das planen?“, fragt Mücke.
Oliver Brock betreibt mit dem Pier 2 und dem Tower Musikclub zwei Veranstaltungsorte, kennt aber als Geschäftsführer von „Hafensänger Konzerte“ auch die Veranstalterseite. Er hat sich entschieden: Zutritt zu seinen Hallen gibt es künftig ausschließlich für Geimpfte und Genesene. „Wir müssen planen können, und das geht nur mit 2G“, sagt er. Die Türen des Tower seien bald seit zwei Jahren geschlossen, die Räume müssten aber trotzdem bezahlt werden. „Es wird Zeit, wieder zu öffnen, sonst sind wir den Laden bald los“, sagt er.
Grundsätzlich wäre Brock froh, wenn die ständig wechselnden gesetzlichen Rahmenbedingungen nun erst einmal blieben, wie sie sind. Doch „meckern“ will er nicht angesichts der umfangreichen Hilfsgelder, die auch in die Kulturbranche geflossen sind. Es sei nur einfach so, dass die Gefahr bei Erreichen der nächsten Warnstufe wieder umschwenken zu müssen, immer präsent sei. „Das wäre aber angesichts der Impfquote der Bevölkerung den Gästen nicht mehr zu vermitteln“, vermutet er.
Unterdessen zeugt das Programm des Pier 2 aktuell aber vor allem von der problematischen Lage der Veranstaltungsbranche: verlegt, verschoben, abgesagt, heißt es dort unter nahezu jeder Ankündigung. Zwar ginge mittlerweile eigentlich wieder vieles, etliche Veranstalter hätten aber schon im Vorfeld umgeplant. „An Konzerten hängt viel dran, das Risiko war den Agenturen oft zu groß“, sagt Brock und meint damit die gesamte Logistik – von Sicherheitspersonal über die Veranstaltungstechnik bis zum Catering. „Comedy- Veranstaltungen haben es da etwas leichter.“ Einige Konzerttermine stehen trotzdem. Und geht es nach Brock, bleibt das auch so.
Zu den Unsicherheiten auf der Veranstalterseite kommen die Unsicherheiten beim Publikum. Das sei laut Oliver Mücke nämlich „noch sehr verhalten“. Selbst Besucher-Magnete, die sonst sofort ausverkauft sind, lockten nicht annähernd so viele Interessenten an wie vor der Pandemie. „Auch das ist eine wichtige Aufgabe, die jetzt auf uns wartet: wieder Vertrauen zu schaffen, dass die Leute ohne Bedenken zu unseren Veranstaltungen kommen können und auch wollen.“
Auch Bettina Geile vom Kulturzentrum Schlachthof betont, dass viele Konzerte auch aufgrund des schleppenden Vorverkaufs erneut verschoben oder gar gänzlich abgesagt werden. Das neue Bremer Stufenmodell mache für Veranstalter und Konzerthallen zwar wieder vieles möglich, „aber so schnell reagieren die Menschen nicht“, sagt Geile. „Die Besucher und Besucherinnen müssen sich erst einmal darauf einstellen und sich fragen: Was traue ich mir schon wieder zu?“ Zusätzlich belastend: die Kontrollen am Eingang. „Impf- oder Genesenennachweis, Ausweis, Testergebnisse – damit wird es natürlich viel länger dauern, Hunderte von Menschen in die Halle zu schleusen“, so Geile. „Wir stehen hier vor einer Herausforderung, aber wir wollen wieder loslegen!“ Sie hofft dabei auf Verständnis, und darauf, dass das Publikum die Regularien mitträgt.
Jedoch: Insgesamt 17 Veranstaltungen seien mit dem Inkrafttreten der neuesten Corona-Verordnung erneut verschoben oder gar ganz abgesagt worden. Eine Band habe ihr Konzert gerade direkt auf 2023 geschoben, plant also gar nicht erst mit dem kommenden Jahr. Trotzdem: Etliches soll stattfinden, nicht nur kleine Konzerte, auch größere Veranstaltungen mit vielen Menschen. Dabei wolle man – sofern es das Stufenmodell zulasse – so lange wie möglich auf die 3G-Regel ohne Abstand und Maskenpflicht setzen.
„Wenn es aber wieder zu stärkeren Einschränkungen kommt, schwenken wir auf 2G um“, sagt Geile. Nur so sei es möglich, dass weiterhin viele Menschen an Kultur teilhaben könnten, was für das Publikum ebenso wichtig sei wie für die Künstlerinnen und Künstler. Aufgrund bisheriger Rückmeldungen und der hohen Impfquote in Bremen rechne sie nicht mit größerem Unmut bei einer Umstellung auf 2G. „Sicher wird es auch Menschen geben, die mit 2G nicht glücklich sein werden, aber wir sind wirtschaftlich darauf angewiesen so viele Menschen wie möglich zu empfangen.“
So wie Geile sieht es auch Ulrich Kern von der Music-Hall in Worpswede. Hier gilt bereits der 2G-Modus. Er sei das einzige Mittel, das Herbstprogramm zumindest in Teilen stattfinden zu lassen und zugleich Beschränkungen der Besucherzahlen zu vermeiden.
Kinos lassen Plätze frei
Bis vor Kurzem hatte Gunnar Burmester vom Cinespace in der Waterfront ein wenig Sorge, dass Corona das Kinoverhalten der Menschen langfristig verändert hat, dass viele auch bei besserer Corona-Lage auf einen Besuch verzichten. Seit dem Start des neuen James Bond sind seine Zweifel allerdings vom Tisch: „Jetzt bin ich davon überzeugt, dass das Kino nachhaltig wieder gut laufen wird“, sagt der Betreiber. Zum Start des Films hatte das Kino zeitweise in acht von elf Sälen Bond gezeigt. Eine Vorstellung um 20 Uhr am Startwochenende musste sogar später beginnen als geplant, da die Besucher nicht schnell genug und unter Einhaltung aller Corona-Regeln zu ihren Sitzplätzen kommen konnten.

Gunnar Burmester von Cinespace in der Waterfront ist sich seit dem Start von James Bond sicher, dass die Leute wieder Lust auf Kino haben.
Aktuell gilt im Cinespace die 3G-Regelung. Aber: „Es kommen wirklich fast nur Geimpfte und einige Genesene ins Kino. Wir hätten also auch keine Angst davor, 2G einzuführen, sollten sich die Regeln bei 3G weiter verschärfen“, sagt Burmester. Und obwohl das Tragen der Maske und ein Mindestabstand im aktuellen Stufenmodell bei Stufe eins nur empfohlen werden, hält Burmester an der Maskenpflicht fest, solange sich die Menschen im Kino bewegen. Am Platz darf die Maske dann abgenommen werden. Auch je ein Sitzplatz rechts und links zwischen den Gruppen bleiben im Cinespace frei. „Das wollen wir auch so beibehalten, selbst, wenn Corona vorbei wäre“, sagt Burmester. „Das sehen wir als guten Service für den Kunden. Und weil wir ein sehr großes Kino haben, tut es uns auch nicht weh.“
Im Cinestar im Kristallpalast habe man laut Theaterleiter Erhan Türe ähnliche Erfahrungen gemacht und festgestellt, dass die Gäste einen „kleinen Wohlfühlabstand“ zu anderen Besuchergruppen sehr schätzen. Darum bleibt auch hier aktuell je ein Platz zwischen den Gruppen frei. Ebenso hält man fernab des Sitzplatzes weiterhin an der Maskenpflicht fest und achtet auf die Einhaltung von Abständen im Foyer. Pläne, irgendwann doch auf eine 2G-Regelung umzustellen, gibt es laut Türe keine.
Auch im Cinemaxx gilt die 3G-Regel. Ob das bei steigenden Fallzahlen so bleiben wird, dazu machen die Betreiber der Kinokette keine Angaben. Sorgen um zu große Anstürme bei Blockbustern macht man sich hier nicht. Auf das enorme Interesse beim Start von James Bond habe man sich entsprechend vorbereitet, schreibt eine Sprecherin. So wurde beispielsweise mit gestaffelten Startzeiten gearbeitet, sodass das Besucheraufkommen reguliert ist. „Natürlich erfolgt auch die Teamplanung entsprechend des erhöhten Besucheraufkommens“, heißt es.
In der Schauburg blieb der große Ansturm auf James Bond laut Manfred Brocki aus. „Es war gut, aber eben nicht besser als beispielsweise beim Start von ‚Nomadland‘“, so der Kinobetreiber. Im Gegensatz zu manchem Mitbewerber will Brocki auch bei der 3G-Regel bleiben, sollte Bremen die Warnstufe zwei erreichen, bei der wieder strengere Corona-Auflagen gelten. „Aktuell haben wir im Vergleich mit 2019 rund 50 Prozent weniger Zuschauer“, sagt er. „Wir dürften zwar auch jetzt schon 100 Prozent unserer Plätze besetzen, tun das aber nicht. Erstens, weil wir den Menschen das nicht zumuten wollen, zweitens, weil uns schlicht das Personal dafür fehlt.“
Theater setzen auf Sicherheit
Bei den Bremer Theatern, die ihren Schwerpunkt nicht darauf haben, durchs Land zu touren oder ihre Häuser mit Gastspielen zu füllen, sind die Probleme etwas andere als in der Konzert- und Veranstaltungsbranche: Mache ich 2G oder 3G? Wie viele Leute lasse ich rein? Verzichte ich auf die Maskenpflicht, wenn Inzidenz und Hospitalisierungsrate vor Ort es zulassen, oder fühlen sich die Gäste wohler, wenn weiterhin Mundschutz getragen wird?
Im Theater Bremen setzt man vorerst auf die 3G-Regel, aktuell auch bei voller Auslastung. Die Masken dürfen im Kleinen Haus und im Theater am Goetheplatz bereits im Foyer abgekommen werden. Maskenpflicht gilt nur im Jungen Theater, und da auch nur bei Schulveranstaltungen. „Falls wir in Stufe zwei kommen sollten, müssten wir entscheiden, entweder weiter 3G-Vorstellungen, dann mit Abstand, anzubieten oder bei voller Auslastung 2G. Möglich wäre natürlich auch eine Mischung, aber da haben wir uns abschließend noch kein Urteil gebildet“, sagt Theater-Sprecherin Diana König. Die Rückmeldungen vom Publikum gehen laut König in beide Richtungen. Es gebe Stimmen „sowohl von Menschen, die lieber kommen möchten, wenn wir nur 2G-Vorstellungen anbieten, als auch von denen, die sich durch die 3G-Regelung schon stark eingeschränkt fühlen.“
Auch in der Shakespeare Company setzt man auf die 3G-Regelung. Abstandsgebote und auch eine Maskenpflicht am Platz und im Foyer gibt es in der aktuellen Warnstufe eins auch hier nicht mehr. Es ist allerdings bereits klar: „Sollte in der Zukunft Warnstufe zwei nötig werden, machen wir 2G“, wie Sprecherin Anette Ruppelt betont. Damit es im Publikum keine unerwarteten Überraschungen gibt, kündigt das Theater bereits auf der Homepage an, dass man aktuell wieder mit einer vollen Besetzung im Publikum plane. „So können sich die Zuschauer schon vor der Kartenbuchung bewusst machen, dass man gegebenenfalls wieder direkte Sitznachbarn neben, vor und hinter sich hat.“
Das Schnürschuh-Theater und auch das Bremer Kriminal-Theater – in beiden Häusern gilt die 3G-Regel – lassen es langsamer angehen und behalten die Abstände mit eingeschränkter Auslastung erst einmal bei. „Da sind wir noch etwas vorsichtig, falls sich die Warnstufe ändert“, sagt Anja Hinrichs vom Schnürschuh-Theater. Beim Tragen von Masken setzt Hinrichs auf Freiwilligkeit im Saal. Eine Pflicht besteht nur im Eingangsbereich. Das Kriminal-Theater hält an der Maskenpflicht bis zum Platz fest.
Im neuen Bremer Boulevardtheater im Tabakquartier gilt die 3G-Regel, eine Maskenpflicht gibt es nicht. Noch erfolgt die Belegung der Sitzplätze mit einem Mindestabstand von einem Meter zur nächsten Gruppe. Tickets für Veranstaltungen nach dem 25. November werden zum jetzigen Zeitpunkt ohne Abstandsregeln verkauft, sagt Sprecher Marc Gelhart.

Knut Schakinnis setzt in seinen Theatern auf die 2G-Regeln, da er sie für sicherer hält.
Knut Schakinnis, Leiter der Komödie Bremen im Packhaustheater und des Theaterschiffes , setzt auf 2G. Nur Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, erhalten auch mit einem negativen PCR-Test Einlass in seine Theater. „Ich denke, es ist an der Zeit, dass die Normalität wieder einkehrt“, sagt Schakinnis. Da er selbst an Corona erkrankt war und gleich mehrere Schnelltests bei ihm nicht angeschlagen hätten, hat sich der Theaterleiter in allen seinen Häusern für eine 2G-Regelung entschieden. „Das ist einfach sicherer.“ Den Abstand zwischen den Besuchergruppen will Schakinnis dennoch bis zum 1. November beibehalten, auch, wenn er eigentlich alle Plätze belegen könnte. „Um die Leute langsam ans Theater zu gewöhnen“, erklärt er.
Auch Christopher Kotoucek vom Fritz-Theater will ab dem 1. November auf 2G setzen. Bis dahin gelten die aktuellen Regeln des Stufenmodells.