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Instrument des Jahres Warum der Bremer Orchestermusiker Ernst Haake so gern Tuba bläst

Die Tuba ist das Instrument des Jahres 2024. Ernst Haake spielt sie seit 38 Jahren bei den Bremer Philharmonikern. Er erzählt, wie er zur Tuba kam, wie man sie spielt und was er an ihrem Klang so liebt.
30.01.2024, 05:00 Uhr
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Von Sebastian Loskant

Tief Luft geholt, kraftvoll gepustet – und tatsächlich: Es röhrt, der Reporter bringt einen Ton hervor. Über die Lippenspannung lässt sich die Tonhöhe verändern, weiter oben klingt's wie ein zittriges Nebelhorn. In der Musikwerkstatt der Bremer Philharmoniker im Tabakquartier – dort, wo sich sonst Schulklassen an Geigen, Flöten und Trompeten versuchen – probieren wir uns am Instrument des Jahres 2024, der Tuba. Schwer ist das tiefste aller Blechblasinstrumente schon vom Gewicht her, neun bis zehn Kilo, und leicht ist es auch nicht, aus dem Stand einen langen, geraden Ton zu erzeugen: Da geht dem ungeübten Bläser ganz schnell die Puste aus.

Der lange Atem: Braucht man zum Tubaspielen eine Pferdelunge? Ernst Haake, seit 38 Jahren Tubist bei den Bremer Philharmonikern, winkt ab: "Alles eine Frage der Atemtechnik. Die hat mir zum Glück schon im Studium eine Logopädin beigebracht. Wie ein Sänger arbeitet man mit Zwerchfellatmung und Stütze", sagt der Musiker. Allerdings gibt er zu: "Gerade bei der Tuba ist die Luft sehr schnell weg. Und beim Legatospiel muss man immer schnell nachatmen. Im großen Finale kann einem schon mal schwindelig werden." Aus diesem Grund soll sich bei den Wiener Philharmonikern mal ein Tubist einen dünnen Schlauch in den Mundwinkel gesteckt und durch einen kleinen, fußbetriebenen Blasebalg Zusatzluft eingepumpt haben. 

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Biografie eines Tubisten: Ernst Haake, der aus Langenhagen bei Hannover stammt, begann als Zehnjähriger auf der Trompete im örtlichen Posaunenchor. Am Gymnasium brauchte der Musiklehrer einen Kontrabassspieler für das Schulorchester, Haake nahm ersten, unregelmäßigen Unterricht beim Leiter des Langenhagener Blasorchesters, der  Kontrabass und Tuba am Konservatorium im Hannover studiert hatte. "Diese Kombination kommt aus der Militärmusik", erläutert er. "Im Saal spielte der Musiker Kontrabass, beim Marschieren Tuba oder Helikon." Die weitere Kontrabass-Ausbildung an der Musikschule und die Mitwirkung im Landesjugendorchester fanden ein jähes Ende, als sich Haake bei einem Treppensturz das rechte Handgelenk brach und nach acht Wochen im Gips den Bogen nicht mehr halten konnte.

Worauf Haake auf Tuba umsattelte, ab 1978 an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover studierte und mit Diplom beendete, 1980 im Philharmonischen Orchester Kiel aushalf und in der Jungen Deutschen Philharmonie mitwirkte. 1983 bis 1986 erhielt er ein Stipendium an der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker. "Bei den Salzburger Osterfestspielen 1985", erinnert sich Haake schmunzelnd, "organisierte ein Gastwirt ein Fest für die Musiker, und so spielte ich erst in Karajans ,Don Carlos' im Bühnenorchester und hinterher alpenländische Volksmusik mit weiteren Akademisten und Philharmonikern." Orchesterstellen für Tubisten waren schon damals rar, in Bremen fand Haake nach zwei Jahren Aushilfstätigkeit und dem erfolgreichen Soloauftritt in Mark Lothars "Geschichte vom faulen Bären" 1988 eine feste Anstellung; die Kollegen wollten ihn.

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Der Ruf der Tuba: "Als ich angefangen habe, war die Tuba ein Stiefkind, auch an der Hochschule", erinnert sich Haake. So habe etwa die bayerische Fernsehserie "...und die Tuba bläst der Huber" Anfang der 1980er-Jahre das Instrument eher ins Lächerliche gezogen. Erst in den vergangenen 20 Jahren werde die Tuba ernstgenommen. Der Bayer Andreas Martin Hofmair, ein hochvirtuoser Solist, der das Instrument auch im Musikkkabarett mit seiner Gruppe La Brass Banda wirkungsvoll platziert, habe viel für das Ansehen des größten Blechs getan. "Er hat seinen Tuben sogar Namen gegeben", erzählt Haake, "Fanny und Hildegard."

Erfinder und Komponisten: Ernst Haake selbst hat nie mit einer Solistenkarriere geliebäugelt. Denn das Repertoire ist begrenzt. Das erste große Solokonzert für Tuba und Orchester schrieb Ralph Vaughan Williams 1954, ein Jahr später komponierte Paul Hindemith eine Sonate für Tuba und Klavier. Instrumentalhistorisch betrachtet, ist die Tuba ein Spätzünder. Als die ersten Ventile aufkamen, durch die sich die Naturtöne gleichmäßig verbinden ließen, erfanden Wilhelm Wieprecht und Carl Wilhelm Moritz eine Basstuba in F mit fünf Ventilen, die sie sich 1835 in Berlin patentieren ließen. Zunächst für die Militärmusik gedacht, löste es den schlangenartigen Serpent aus Holz und die von Mendelssohn gern eingesetzte Ophikleide ab. 1845 kam die Kontrabasstuba in B dazu.

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Der profunde Bass fand schnell das Wohlgefallen der Komponisten. Anton Bruckner und Peter Tschaikowsky setzten das schwere Geschütz in ihren Sinfonien ein, Richard Wagner wälzte den Drachen Fafner im "Siegfried" per Basstuba heran. Die "Wagner-Tuben", die der Komponist 1870 entwickeln ließ, gehören allerdings zu den Hörnern und werden auch von Hornisten geblasen. Prokofieff und Schostakowitsch seien ausgesprochen angenehm zu spielen, bemerkt Haake. Filmmusik liebe er ebenfalls. "Da darf die Tuba auch mal swingen." Wenn der Tubist im Frühjahr in den Ruhestand wechselt, möchte er beim Sinfonischen Blasorchester Wehdel mitwirken. "Die Tuba an die Wand nageln, das kann ich nicht." 

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Ein Instrument für Kinder? Wie bei vielen Blasinstrumenten gibt es auch bei der Tuba Nachwuchssorgen. "Vielen Eltern ist die Tuba nicht cool genug", hat Ernst Haake festgestellt. "Dabei ist der satte Bassklang umwerfend, trotzdem kann man in der Höhe einen weichen, runden Heldenklang erzeugen. Und auch Melodien spielen." Mit zehn, elf Jahren beginne man am besten auf einer Ein-Viertel-Tuba – ein Schülerinstrument koste etwa 1700 bis 2000 Euro. "Einfach machen", rät er. "Mit einem Blasinstrument können Sie immer in einer größeren Gruppe zusammenspielen. Mit der Tuba ist man nie allein."

Und noch einen Vorteil soll es laut Andreas Martin Hofmair geben: Tubaspieler küssen angeblich besonders gut. Kann Ernst Haake das bestätigen? Er lacht: "Da müssen Sie meine Frau fragen."

Info

haben die Möglichkeit in der Musikwerkstatt der Bremer Philharmoniker die Tuba und andere Instrumente auszuprobieren. Termine für Schulklassen, Kindergärten und andere Gruppen gibt es bei David Gutfleisch unter 0421/62673-14.   
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