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Jan Lisiecki in der Glocke Warum der Pianist aus Kanada so gern nach Bremen kommt

Gleich dreimal wird Jan Lisiecki 2024 in Bremen auftreten. Am 22. Februar spielt der 28-jährige Klavierstar aus Kanada sein Soloprogramm "Préludes". Im Gespräch verrät er, was das Besondere daran ist.
13.02.2024, 05:00 Uhr
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Von Sebastian Loskant

Herr Lisiecki, wie spricht man Ihren Namen richtig aus?

Jan Lisiecki: Li-schétz-ki. Es ist ein polnischer Name. Ich wohne zwar in Kanada, aber ich bin aber auch polnischer Staatsbürger und spreche polnisch. Darum behalte ich die polnische Aussprache bei.

Gerade bereisen Sie wieder Deutschland. Ständig eine neue Stadt, ein anderes Hotel: Wie kommen Sie mit dem Leben aus dem Koffer klar?

Man muss flexibel bleiben, muss es ein bisschen als Abenteuer, ein bisschen als Anregung ansehen, dann kann das positiv sein. Ich versuche immer, mir etwas Zeit für die Städte zu nehmen, schaue mir gerne Museen und Ausstellungen an.

In Bremen, in der Glocke, werden Sie ja zum Dauergast. Wenn Sie nicht zu einem Soloabend kommen wie jetzt am 22. Februar mit ihrem "Préludes"-Programm, treten Sie oft mit der Deutschen Kammerphilharmonie unter Tarmo Peltokoski auf. Zuletzt im November mit Prokofieffs 2. Klavierkonzert, im Mai geht es mit Beethoven, im Oktober mit dem Prokofieff-Zyklus weiter. Kennen Sie die Stadt inzwischen ein bisschen?

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Ja, im November habe ich mir zum Beispiel am Nachmittag vor dem Konzert mit einer englischen Führung die Rathaushalle angesehen. In Bremen mag ich auch dieses hanseatische Flair am Wasser. Solche Eindrücke bleiben in Erinnerung. Es ist mir wichtig, dass ich nicht nur die Hotels und Konzerthallen sehe.  

Sie fotografieren gern. Haben Sie in Bremen interessante Motive gefunden?

Im November war das Wetter nicht so ideal. Aber an der Brücke, von der man auf die Windmühle im Park blickt, habe ich Fotos gemacht. Aber das macht wahrscheinlich jeder Tourist.

Da vermuten Sie richtig. Man hört, dass Sie gerne Eisenbahn fahren. Nun weiß man von dem Pianisten Walter Gieseking, der ein fotografisches Gedächtnis besaß, dass er im Zug neue Partituren studierte und abends im Konzert fehlerfrei vortrug. Ist das auch Ihre Arbeitsweise?

Nein, ich erarbeite mir neue Werke immer am Klavier. Aber wenn ich ein Stück kennenlerne und einstudiere, beschäftigt es mich die ganze Zeit im Kopf. Dann gehe ich damit spazieren, fahre damit Zug, schlafe damit.

Sind Sie schon einmal zu spät zum Konzert gekommen, weil die Deutsche Bahn Verspätung hatte?

Nein, in Deutschland ist mir das nie passiert. Aber bei einem Konzert in der Schweiz. Ich war in Florenz, in Italien, es herrschte Sturm, und die Flugzeuge durften nicht in der Schweiz landen, da gab es strenge Vorschriften. Ich wechselte also in den Zug, es war knapp, aber ich wäre noch pünktlich gekommen. Doch in der Schweiz war das Erste, was ich hörte, die Ansage, dass sich der Zug verspäten würde. Ausgerechnet in diesem sonst so pünktlichen Land fing das Konzert dann später an.

Sie treten in Bremen viel unter dem 23-jährigen Dirigenten Tarmo Peltokoski auf. Liegt das auch daran, dass Sie dieselbe Generation sind?

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Unbedingt, das ist sehr wichtig. Meist spielen junge Pianisten ja unter wesentlich älteren Dirigenten, die schon eine sehr feste Vorstellung von einer Komposition haben. Bei uns wächst ein Werk in der gemeinsamen Entdeckerfreude, und die Deutsche Kammerphilharmonie ist ein großartiges Orchester, das diesen Geist aufgreift. Es ist einfach erfrischend.

Sprechen wir über Ihr aktuelles Programm "Préludes", Vorspiele. Im Mittelpunkt stehen Frédéric Chopins 24 Miniaturen. Sie gelten als Chopin-Spezialist. Was reizt Sie an diesem Zyklus?

Anders als die Nocturnes in meinem Programm davor sind die Préludes von Chopin Skizzen. Sie sind wie Bilder in einer Ausstellung, man geht von Bild zu Bild, man lebt im Moment und ist immer neugierig: Was kommt als nächstes? Es liegt in der Natur von Präludien, dass sie eine Erwartungshaltung wecken, sie stehen nie allein. Bei Bach, Chopins Vorbild, kommt im "Wohltemperierten Klavier" immer eine Fuge hinterher. Chopin war der Erste, der sie einfach wegließ, das ist das Neue. Das bekannteste Stück, das "Regentropfen-Prélude" Nr. 15 werde ich zweimal spielen, einmal am Anfang, um einen Vorgeschmack zu geben, und dann im Zyklus – das Stück hat jedes Mal eine ganz andere Wirkung.

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Ein Abend mit lauter Präludien: Ist das nicht wie Immer-nur-Suppe-löffeln, und das Hauptgericht kommt nicht? 

Nein, ich sorge für Kontraste und stelle zu Chopins Zyklus Werke, die in Länge und Charakter ganz unterschiedlich sind. Zwei Präludien von Bach, dann Préludes von Karol Szymanowski, Sergei Rachmaninoff und Olivier Messiaen, die Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden sind, sowie Préludes von Henryk Gorecki. Manches davon ist völlig unbekannt, es gibt ruhige Momente und extrovertierte Stücke wie Rachmaninoffs Prélude op. 23 Nr. 5. Gorecki verweist auf Bach, bei Chopin, Rachmaninoff und Szymanowski gibt es Préludes mit Glockenimitationen. Man kann Vergleiche anstellen, erlebt Überraschungen, es entsteht eine innere Dynamik. Ich möchte einen Abend wirklich gestalten, nicht nur kurze Stücke aneinanderreihen.  

Ein weiteres sehr bekanntes Stück in Ihrem Programm ist das C-Dur-Präludium aus dem "Wohltemperierten Klavier", das so ziemlich jeder Klavierschüler gespielt hat. Möchten Sie zeigen, wie man das Stück mal richtig gut spielt?

Nein, darum geht es nicht. Es kommen ja oft Studenten auf mich zu, die ein bestimmtes Stück spielen und dann sagen: Du spielst das so wundervoll, das möchte ich auch. Ich kann dann immer nur sagen: Wenn man die technischen Grundlagen beherrscht, muss jeder seinen eigenen Zugang zu einem Stück finden. Es kann nicht alles gleich klingen, das ist das Wesen von Interpretation.

Sie geben im Jahr mehr als 100 Konzerte in der ganzen Welt. Wo erholen Sie sich und bereiten Sie sich vor?

Zu Hause in Kanada, in Calgary. Ich fahre im Winter gern Ski, im Sommer gehe ich campen oder wandern und fahre mit dem Rad. Ich bin gern draußen. Auch wenn ich in großen Städten bin, versuche ich, in die Natur zu gehen. Dieser Ausgleich ist mir wichtig, ich brauche diese Balance.

In der "Süddeutschen Zeitung" war zu lesen, dass Sie sich gern in Ihre Steuererklärung vertiefen. Mit diesem Hobby sind Sie ziemlich allein, oder?

Ich mache natürlich noch viele andere Dinge für mich, am Auto oder im Haus. Aber ich mag es, wenn ich weiß, dass es in meinem Leben vorwärtsgeht. Und ich mag Mathematik. Die Steuererklärung betrachte ich als gute mathematische Übung. 

Das Gespräch führte Sebastian Loskant.

Das Konzert "Klein, aber fein" mit Jan Lisiecki findet als 5. Meisterkonzert der Konzertdirektion Goette am Donnerstag, 22. Februar, um 20 Uhr in der Glocke statt. Karten gibt es bei Nordwest-Ticket.

Zur Person

Jan Lisiecki (28) 

ist in Kanada geboren und hat in Toronto studiert. In der Schule übersprang er vier Klassen, bereits als Neunjähriger trat er mit Orchester auf. Seit 2008 ist er Unicef-Botschafter, seit 2011 Exklusivkünstler der Deutschen Grammophon. 

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