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Dirigent im Gespräch Konzert in Bremen: Tarmo Peltokoski über seine Lieblingsstücke

Der junge Dirigent Tarmo Peltokoski gastiert wieder bei der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Im Gespräch erzählt der Finne, was ihn an wenig bekannten Werken von Sibelius und Prokofieff fasziniert.
16.11.2023, 05:00 Uhr
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Von Sebastian Loskant

Herr Peltokoski, Sie kommen gerade aus Washington. Was haben Sie dort dirigiert?

Tarmo Peltokoski: Ich habe mit der Pianistin Yuja Wang und dem National Symphony Orchestra das 2. Klavierkonzert von Béla Bartók aufgeführt, erst in Rotterdam, dann in Washington. Von dort bin ich nach Hamburg geflogen und direkt vom Flughafen gleich zur ersten Probe mit der Deutschen Kammerphilharmonie gefahren. Ich spüre den Jetlag, diese Woche ist hart.

Im vergangenen Jahr war noch mehr Luft in Ihrem Terminkalender. Jetzt haben Sie mit 23 Jahren schon Richard Wagners Tristan" und "Ring" konzertant beim finnischen Eurajoki Bel Canto Festival aufgeführt – Werke, auf die manche Dirigenten bis zur Rente warten. Haben Sie keine Sorge, dass Sie mit 30 schon das ganze Repertoire durchforstet haben und sich langweilen?

Mir wird die Musik nicht ausgehen. Ich bin ein großer Wagnerianer, Wagners Opern sind mir wichtig, der "Ring" ist mein Leben, er gehört zum wichtigsten in meiner Welt. Danach reizen mich die großen Opern von Richard Strauss und Alban Berg, aber ich werde mir damit Zeit lassen, gerade auch für den "Wozzeck". Und von meinem anderen Liebling, Mozart, habe ich bisher nur den "Don Giovanni" in Helsinki dirigiert.

Hat sich Bayreuth schon bei Ihnen gemeldet?

Noch nicht. Aber das hat auch Zeit. Ich studiere die Orte, an denen ich auftrete, vorher sehr genau. Wie man dort sieht, wie man hört. Das Festspielhaus ist wohl das beste Opernhaus der Welt – das heißt, eigentlich ist Bayreuth kein Opernhaus, sondern ein großes Kino.

Im Konzert mit der Kammerphilharmonie werden Sie eher weniger bekannte Werke bekannter Komponisten aufführen, darunter gleich zwei Sinfonien ihres Landsmanns Jean Sibelius hintereinander, die sechste und siebte. Wie kam es dazu?

Ich finde – aus meiner finnischen Perspektive – nicht, dass diese Werke so selten gespielt werden. Vielleicht in Deutschland, aber sicher nicht in den nordischen Ländern. Auch Großbritannien hat eine lange Sibelius-Tradition. Für mich ist die Siebte eines der perfektesten Musikstücke überhaupt, sie begleitet mich schon mein ganzes Leben lang. Anfangs ist Sibelius von der deutschen Tradition geprägt, seine 2. Sinfonie, bombastisch und laut, zeigt auch den Einfluss Tschaikowskys. Ab der Dritten findet er zu sich selbst. Die 5. Sinfonie, die ich auch mit der Kammerphilharmonie gespielt habe, ist ein sehr persönliches Werk. Die letzten beiden, relativ knappen Sinfonien entstanden dicht beieinander. Sie sind kein Paar, werden aber häufig zusammen aufgeführt, eine Tradition, die auf Paavo Berglund zurückgeht. Die Sechste ist etwas introvertierter als die Siebte, sie passen sehr gut zusammen.

Warum haben Sie das 2. Klavierkonzert von Sergei Prokofieff dazugestellt?

Es ist mein Lieblingskonzert, ich ziehe es allen anderen Klavierkonzerten vor, auch Beethoven, Schumann oder Rachmaninoff. Es ist eines der härtesten Stücke überhaupt, finster, gewalttätig und brutal schwer. Der zweite Satz, ein Scherzo vivace, ist nur drei Minuten lang, aber wahnsinnig schnell. Ich arbeite hier zum ersten Mal mit Jan Lisiecki zusammen, der ja als Chopin-Interpret bekannt geworden ist, und bin sehr gespannt, wie er es spielen wird. Ich weiß, dass er sich für die Vorbereitung sehr viel Zeit genommen hat.

Sie sind selbst ein guter Pianist. Wie halten Sie sich fit?

Ich komme leider nicht mehr so viel zum Üben. Darum bin ich ganz froh, dass wir an die Orchesterkonzerte noch eine kostenlose, familiäre Zugabe im Kleinen Saal der Glocke anhängen, ein "Add-On" zu 30 Jahren Kammerphilharmonie in Bremen. Da spiele ich den Klavierpart in Robert Schumanns Klavierquintett – und den muss man richtig üben.

Wenn man Ihnen beim Dirigieren zusieht, hat man manchmal den Eindruck, dass Sie jede Note kontrollieren wollen. Viele Orchester lieben aber die lange Leine. Wie gehen Sie damit um?

Der Deutschen Kammerphilharmonie kann ich viel Freiraum geben. Die Musiker nehmen ihn sich, und ich kann ihnen vertrauen. Eigentlich mag ich es nicht, Orchester zu stark zu kontrollieren.

Welche Projekte planen Sie mit der Kammerphilharmonie?

Ich möchte das Orchester stärker in die Opernwelt mitnehmen, die mich aktuell auch mehr interessiert. In welcher Weise und mit welchen Werken, wird sich zeigen. Mozart geht sicher, sogar manches von Wagner wäre möglich, mal sehen. Lassen Sie sich überraschen.

Das Gespräch führte Sebastian Loskant.

Zur Person

Tarmo Peltokoski (23)

wurde im Januar 2022 von der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen zum ersten Gastdirigenten gekürt. Der Finne, der in Helsinki lebt, durchläuft derzeit eine steile Karriere. Seit 2022 ist er Leiter des Lettischen Nationalorchesters und Orchestre National du Capitol du Toulouse.

Info

Das Konzert "Grenzgänger"

der Deutschen Kammerphilharmonie findet am 16. und 17. November um 20 Uhr in der Glocke statt.

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