Das große Gemälde von 1987 hat einen merkwürdigen Titel: "Menschen stehen vorwärts in den Straßen". Es wirkt statisch, düster, bedrohlich. Den Künstler mit dem seltenen Vornamen Zoppe kann man indes nicht mehr fragen. Zoppe Voskuhl de Carneé, kurz Zoppe Voskuhl, ist vor fünf Jahren gestorben.
Was zeigt das Bild?
Auf zwei mal 165 Zentimetern breitet sich eine seltsam gestellt wirkende, abweisende Szenerie aus wie auf einer Theaterbühne. Das schlagartig ins Dunkel hereinfallende Licht erinnert an expressionistische Filme wie "Das Kabinett des Dr. Caligari". Im Hintergrund markiert der schmale Spalt einer runden Tür die Größe des Raums. Hoch auf der weißen Fläche sitzt, ohne dass sich ein Stuhl erkennen ließe, ein Mann mit hohlen Augen. Zwei ganz ähnliche Männer stehen hinter ihm. Die abweisende Gruppe, die an einen Mafiapaten mit Leibwächtern denken lässt, wirkt wie ausgeschnitten und ins Bild gesetzt. "Die drei Männer werfen keinen Schatten", bemerkt Ingmar Lähnemann von der Städtischen Galerie. "Das verstärkt den Eindruck des Unheimlichen." Zugleich deutet er auf die grünen Flecken im weißen Licht. Und auf die Anzüge, die die drei tragen – sie schillern in allen Regenbogenfarben. "Diese offen gelegte Malweise und die statische Art der Figuration sind typisch für die Bremer Maler der 80er-Jahre", so Lähnemann. "Hingegen verweist die Inszenierung klar auf die 1910er- und 1920er-Jahre." Wie auch der Titel.
Woher stammt der Bildtitel?
"Menschen stehen vorwärts in den Straßen" – das ist der Titel und zugleich die Anfangszeile eines Gedichts des frühexpressionistischen Autors Georg Heym. Es erschien 1911 im Gedichtband "Umbra vitae" (Schatten des Lebens), der mit Holzschnitten von Ernst Ludwig Kirchner illustriert war, und beschwört einen Albtraum, in dem drohend "Kometen mit den Feuernasen um die gezackten Türme schleichen", Selbstmörder "nachts in großen Horden gehen" und "die Meere stocken".
Wer ist der Maler?
Zoppe Voskul wurde 1955 im ostfriesischen Rhauderfehn geboren. Von 1970 bis 1973 ließ er sich zum Schriftsetzer ausbilden, 1978 machte er in Bremen sein Fachabitur und studierte bis 1984 Malerei bei Karl Heinrich Greune an der Hochschule für Gestaltung. Geld verdiente er mit dem Bemalen von Fahrgeschäften. 1983 erhielt er den Bremer Förderpreis für Bildende Kunst, 1984, 1985, 1986, 1988 und 1990 die soziale Künstlerförderung. 1991 ging er nach Hannover-Linden, wo er ein Atelier in einer ehemaligen Bettfedernfabrik bezog, von 1995 an lebte er mit seiner Frau meist in Berlin. Dort starb Voskuhl 2019 im Alter von 64 Jahren.
Was ist das Besondere an Voskuhls Kunst?
Das Bizarre und Unheimliche prägt sein Werk. In Berlin hat er später oft nackte dürre Männchen mit Wasserköpfen in teils witzigen, teils grausigen Szenen gemalt, in denen Kreissägen oder Öfen zu Folterwerkzeugen werden. Selbst tanzende Osterhasen wirken grotesk, wie Albträume im Kinderzimmer. "Wir haben mehrere frühe Werke von ihm", weiß Angela Tietze, die die Sammlung inventarisiert. "Sie sind in der Darstellung des Schreckens weniger eindeutig, was ihren Reiz noch erhöht."