Die Weserburg zieht vors Landgericht; das 1991 in den Speicherhäusern auf dem Teerhof eröffnete Museum für moderne Kunst hat Ende Mai Klage gegen die Freie Hansestadt Bremen eingereicht. Dies wurde dem WESER-KURIER auf Nachfrage sowohl von der Museumsleitung als auch vom Kultursenat bestätigt. "Die Stadt hat uns in eine Situation gebracht, in der wir keine andere Wahl mehr hatten", betont Museumsdirektorin Janneke de Vries. "Die Stadt hat als Stifterin einen Vertrag mit der Weserburg geschlossen und ist darin die Verpflichtung eingegangen, das Haus ,auskömmlich' und ,nach Maßgabe des Wirtschaftsplans des Museums' zu finanzieren – das ist eine klare Ansage. Doch dieser Verpflichtung kommt sie seit Jahrzehnten nicht nach."
Die Museumsleiterin betont: "Die finanzielle Schieflage rührt nicht daher, dass wir schlecht gewirtschaftet haben. Es handelt sich vielmehr um eine strukturelle Unterfinanzierung. Der Stifterbeitrag von derzeit 1,7 Millionen Euro reicht für ein Haus mit einer Ausstellungsfläche von fast 5000 Quadratmetern nicht aus, das ist seit Langem politischer Konsens." Dabei gehe es nur um die Kosten für Personal, Unterhalt und Betrieb: "Nicht um die Ausstellungen, die finanzieren wir unabhängig davon aus Drittmitteln." Im Raum steht eine Forderung von jährlich zusätzlich 1,215 Millionen Euro – also eine Erhöhung des Stifterbeitrags auf gut 2,9 Millionen Euro pro Jahr. Dieser Mehrbedarf sei in gemeinsamen Verhandlungen mit der Kulturbehörde errechnet worden, so de Vries.
Von der Unterfinanzierung wisse die Behörde seit Jahrzehnten: "Mein Vorvorgänger Carsten Ahrens ist so sehr unter Zwang geraten, dass er 2010 Teile der eigenen Sammlung verkauft hat. Der Vertrauensverlust bei Sammlern war groß, das Thema hat mich noch bei meinem Amtsantritt Ende 2018 begleitet."
Der Gewinn des Bilderverkaufs wurde damals in dreifacher Weise verwendet. Es wurden Schulden bezahlt. Es wurde in Abstimmung mit der Kulturbehörde ein Baufonds über sechs Millionen Euro für die Modernisierung des Ausstellungsbetriebs bei gleichzeitiger Sanierung des Gebäudes durch die Stadt eingerichtet. Und es wurden Rücklagen gebildet. "Diese Rücklagen waren 2021 aufgebraucht, und wir mussten auf den eigentlich unantastbaren Baufonds zurückgreifen", berichtet Imke Itzen, kaufmännische Geschäftsführerin der Weserburg. "Da haben wir Alarm geschlagen."
Die politischen Signale seien anfangs sehr positiv gewesen. Bei einer öffentlichen Sitzung der Kulturdeputation Ende Mai 2023 in der Weserburg bestand Einigkeit darüber, mit der Kulturbehörde auf der Arbeitsebene einen Wirtschaftsplan zu erstellen und grundsätzlich abzuklären, welcher jährliche Stifterbeitrag von der Stadt Bremen für die Weserburg unbedingt notwendig ist. Worauf für die Zeit bis 2031 der Mehrbedarf von 1,215 Millionen Euro pro Jahr errechnet wurde. Man habe sich vertraulich die Zahlen von drei ungefähr vergleichbaren Häusern geben lassen, erzählt de Vries, das Kulturressort habe unabhängig davon das gleiche getan: "Es stellte sich heraus, dass unsere Forderung nicht anmaßend, sondern sehr bescheiden ist."
Die Direktorin hebt ihre Kooperationsbereitschaft hervor: "Da uns klar war, dass dieses Geld nicht herbeigezaubert werden kann, haben wir angeboten, im Fall einer Einigung vorübergehend die Mittel aus dem Baufonds zur Verfügung zu stellen, um der Stadt Zeit zu geben", betont de Vries. "Wobei natürlich klar war, dass diese Entnahmen später wieder hätten zurückfließen müssen." Um so enttäuschter ist de Vries, dass die Stadt die Gespräche mit der Weserburg nach anderthalb Jahren eingestellt hat. Im September 2024 habe eine Vorfinanzierungsvereinbarung vorgelegen, die die Kulturbehörde dann ans Finanzressort und die Senatskanzlei weiterleitete.
"Nach mehreren vergeblichen Nachfragen erhielten wir am 17. Februar 2025 ein Schreiben von Staatsrätin Carmen Emigholz, dass die Vereinbarung in dieser Höhe bedauerlicherweise abgelehnt wurde und die Verhandlungen beendet seien", berichtet Imke Itzen. "Ohne weiteres Gesprächsangebot." Daraufhin habe die Weserburg offiziell Kultursenator Andreas Bovenschulte aufgefordert, die seit vier Jahren dem Baufonds entnommenen Gelder von inzwischen gut zwei Millionen Euro zu erstatten. "Darauf gab es keine Rückmeldung, und wir mussten klagen." Das Argument, mehr Geld für die Weserburg ginge womöglich zulasten anderer Kultureinrichtungen, lässt Direktorin de Vries nicht gelten: "Wir möchten niemanden etwas wegnehmen oder der Kulturszene schaden, aber wir bestehen auf den Vertragstext der Stiftungsurkunde, den die Stadt freiwillig unterschrieben hat."
Die Kulturbehörde teilte auf Anfrage mit, man äußere sich zu einem laufenden Verfahren nicht. Der Begriff "auskömmlich" in der Stiftungsurkunde sei dehnbar, man begrüße, dass der Fall jetzt juristisch eindeutig geklärt werde.