- Welche Kriegsmunition befindet sich in der Ostsee?
- Welche ökologischen Folgen hat die Kriegsmunition?
- Wie überfischt ist die Ostsee?
- Welche Folgen hat die Eutrophierung?
- Wie wirkt der Klimawandel in der Ostsee?
Lange Strände, vogelreiche Schutzgebiete, historische Küstenstädte: So erleben viele Menschen die Ostsee. Doch es gibt noch eine andere Seite. Sie besteht aus Überfischung, Kriegswaffen, Klimawandel und weiteren Problemen, die dem Binnenmeer zusetzen.
2020 trafen sich Ministerinnen und Minister von acht Anrainerstaaten zur „Our Baltic Conference“, um gemeinsame Lösungen für diese Probleme auf den Weg zu bringen. Ende September dieses Jahres kamen sie in Litauen ein zweites Mal zusammen, um die Fortschritte auszuwerten. Konkrete Maßnahmen beschlossen die Teilnehmer lediglich in Bezug auf die Bergung von Munition. Dabei wird der ökologische Zustand der Ostsee immer schlechter.
Welche Kriegsmunition befindet sich in der Ostsee?
Nach Schätzungen deutscher Behörden sorgten die Alliierten nach Ende des Zweiten Weltkriegs dafür, dass rund 300.000 Tonen Munition in der deutschen Ostsee versenkt wurden. Hinzu kommen Überbleibsel der Kampfhandlungen. „In Nord- und Ostsee liegen alle Arten von Munitionskörpern, die je hergestellt wurden“, berichtet Matthias Brenner, Wissenschaftler der Abteilung Ökologische Chemie am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, „von der Maschinengewehrpatrone bis zur Fliegerbombe, von der Granate bis zur Seemine.“ Alles sei in unterschiedlichem Zustand, von noch voll sprengfähig bis völlig korrodiert.
„Neben der konventionellen Munition wurden aber auch Chemiewaffen in der Ostsee und dem Skagerrak verklappt“, schildert Brenner weiter. „Heute liegen mehrere 10.000 Tonnen mit Senfgas, Clark und Adamsit gefüllte Bomben und Munitionskörper im Bornholmtief in Dänemark und im Gotlandtief in Schweden. Außerdem haben die Alliierten Schiffe mit Chemiewaffen beladen und im Skagerrak versenkt.“ In den Gebieten, die heute zu Norwegen und Schweden gehören, würden zusammen etwa 200.000 Tonnen Chemiewaffen in den Wracks vermutet.
Welche ökologischen Folgen hat die Kriegsmunition?
Schon die konventionellen Explosivstoffe sind ökologisch problematisch. „Man weiß aus der Humanmedizin, dass Trinitrotoluol, bekannt als TNT, als Hauptbestandteil der verwendeten Sprengstoffe krebserregend, erbgutverändernd und giftig ist“, sagt Brenner. Prinzipiell sei die Wirkung von TNT bei Mensch und Tier ähnlich, und von vielen marinen Organismen seien negative Gesundheitseffekte dokumentiert, die bei Kontakt mit gelöstem TNT entstanden sind. „Besonders betroffen sind Organismen, die durch ihre Lebensweise sehr nahe an oder gar auf den Munitionskörpern leben“, erläutert der Forscher, etwa Miesmuscheln und Plattfische wie Scholle und Flunder. Immer mehr TNT löst sich aus der alten Munition. Inzwischen lassen sich Spuren in der gesamten südlichen Ostsee nachweisen.
„Die Belastung wird zunehmen, wenn die Munition nicht geräumt wird“, warnt Brenner. Verklappte, nicht zündfähige Munition lässt sich unkompliziert bergen und entsorgen. Seeminen, die mit Zündern versehen sind, müssen hingegen gesprengt werden. Bislang wird geborgene Munition in Munster in der Lüneburger Heide vernichtet.
Einfacher und sicherer wäre es, die geborgene Munition direkt auf einer Plattform vor Ort zu zerlegen und zu verbrennen. „Dafür gibt es ein 100-Millionen-Euro Sofortprogramm der Bundesregierung, das im nächsten Jahr starten soll“, berichtet der Meeresexperte. Das dürfte jedoch nicht für Chemiewaffen gelten. Sie liegen in mehreren Hundert Metern Tiefe, und bis heute gibt es keine Technik, sie zuverlässig zu bergen.
Wie überfischt ist die Ostsee?
„Zuerst sollte man klarstellen, dass die Bestände von Dorsch und Hering nicht ,rückläufig’, sondern weitestgehend kollabiert sind“, betont Christian Möllmann, Meeresökologe an der Universität Hamburg. Die Europäische Union hat deshalb die Fangquoten stark verringert. Der Dorsch darf in der gesamten Ostsee nicht mehr gezielt befischt werden. Gleiches gilt in der westlichen Ostsee für den Hering. Mitte Oktober legt der EU-Rat die Fangquoten für 2024 fest.
Die EU-Kommission schlägt vor, den Heringsfang noch weiter einzuschränken und Ausnahmeregeln abzuschaffen. „Es ist aber unklar, ob – und wenn ja wann – die Schließung der Fischereien einen Effekt zeigen wird“, erklärt Möllmann. Das liege vor allem daran, dass momentan die Kombination von zu kleinen „Elternbeständen“ und die negativen Effekte der Eutrophierung und der Erwärmung eine erfolgreiche Reproduktion und damit große Nachwuchsjahrgänge verhinderten.
Welche Folgen hat die Eutrophierung?
Die Eutrophierung bezeichnet den Eintrag von zu vielen Nährstoffen in Gewässer, insbesondere Stickstoff und Phosphor. Sie ist meist eine Folge zu starker Düngung in der Landwirtschaft. Die vielen Nährstoffe fördern ein starkes Algenwachstum, das mit einem hohen Sauerstoffverbrauch einhergeht. Etwa in der Hälfte der Ostsee hat das Tiefenwasser keinen oder zu wenig Sauerstoff. Außerdem verändert die Eutrophierung die Artenvielfalt und kann beispielsweise dazu führen, dass ökologisch wichtige Seegraswiesen verschwinden.
Wie wirkt der Klimawandel in der Ostsee?
„Die Ostsee gehört zu den sich am stärksten erhitzenden Teilen der Weltmeere“, berichtet Möllmann. Zwischen 1982 und 2006 erwärmte sie sich sieben Mal so schnell wie der globale Durchschnitt. Dadurch nehmen die Hitzewellen im Meer zu, und wie an Land kann die Hitze viele Lebewesen körperlich überfordern. Wachstum und Fortpflanzung sind gestört, in extremen Fällen kommt es zum massenhaften Fischsterben. Verschärft wird außerdem der durch die Eutrophierung bestehende Sauerstoffmangel, denn in warmem Wasser löst sich weniger Sauerstoff, während der Bedarf der Tiere dort steigt.
Die Erwärmung beeinflusst zudem die Planktonproduktion im Frühjahr: Plankton dient vielen Fischlarven als Nahrung. Doch nach warmen Wintern oder einem sich schnell erwärmenden Frühjahr bildet sich das Plankton immer häufiger zu früh für die Fischlarven, die dann verhungern.