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Orchester Il Pomo d’Oro Mozart pur: Maxim Emelyanychev brilliert beim Musikfest Bremen

Maxim Emelyanychev, einst "Mozart" im Knabenchor von Nischni Nowgorod, brilliert beim Musikfest Bremen im Programm "Mozart pur!" mit meisterhaften Interpretationen zweier Sinfonien und eines Klavierkonzerts.
20.08.2024, 14:53 Uhr
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Von Sebastian Loskant

Im Knabenchor von Nischni Nowgorod war sein Spitzname Mozart, diese Anekdote darf bei einem Dirigenten und Pianisten, der aktuell sämtliche Sinfonien des Salzburger Wunderknaben einspielt, nirgendwo fehlen. Tatsächlich erinnert Maxim Emelyanychev, zum dritten Mal beim Musikfest dabei, an den "Amadeus" aus dem Film: ein hüpfendes, fast hibbeliges Energiebündel, das jede Note im Blick hat, am Flügel improvisierend frei mit seiner Musik umspringt und sich gern verschmitzt einen kleinen Scherz erlaubt. Das mag manchen Hörer befremden – das musikalische Ergebnis ist ziemlich sensationell.

Von der Sinfonie Nr. 20 D-Dur KV 133, die das "Mozart pur!"-Konzert in der Glocke eröffnete, wird man keine Aufnahme finden, die stärker die Nerven kitzelt, selbst ein Hogwood oder Pinnock wirken daneben bieder. Schon das kuriose Trillerthema des Beginns, rasant angegangen, sprüht bei dem Russen vor Dynamik – dass Mozart hier zwar Trompeten, aber nicht die dazu üblichen Pauken vorsieht, schert den 35-Jährigen wenig. Er setzt sie trotzdem parallel ein – mit maximalem Effekt.

Das ebenfalls sehr flott genommene Andante mit dem Flötensolo und dem echoartigen Pingpong der Geigengruppen entpuppt sich als höchst animierte Plauderei. Toll akzentuiert das Menuett und das solistisch präsentierte Trio, das finale Allegro rauscht als Presto-Wirbel à la Rossini mit immer neuen Wendungen vorüber. Endlich spürt man mal, welch ein Geniestreich dem 16-jährigen Salzburger hier gelang, und möchte von Emelyanychevs Aufführung jede Nuance im Gedächtnis speichern – weil’s so gut ist.

Natürlich wäre das nicht möglich ohne das von ihm seit 2016 geleitete Orchester Il Pomo d’Oro, Italiens hochvirtuosem Star unter den Alte-Musik-Ensembles mit dem fabelhaften Konzertmeister Stefano Rossi. Diese Musiker finden sich auch zurecht, wenn ihr Chef am Nachbau eines Anton-Walter-Hammerflügels so viel Swing in eine Adagio-Melodie legt, dass das Metrum für lange Momente nicht mehr spürbar ist. Im Klavierkonzert Nr. 23 A-Dur KV 488 sprüht Emelyanychev vor Fantasie. Er führt präludierend zur Orchestereinleitung über, spielt mal Teile des Orchester-Tuttis mit, verziert und variiert schelmisch den Notentext (inklusive Mozarts Kadenz), bremst beim Moll-Umschwung im Finale geschickt das Tempo, dirigiert akzentuiert mit und blättert dazu noch pfeilschnell am Tablet die Seiten um.

Vieles kommt auf Zehenspitzen daher, das rührt an Hörgewohnheiten. Emelyanychev bietet kein Solokonzert, sondern bindet seinen zarten Klang ins Orchester ein, das seinerseits nicht jeden Bläsereinsatz hinausposaunt, sondern selbst nach der Kadenz ganz leise einsetzt und zum Ohrenspitzen ermuntert. Die zugegebene "Träumerei" von Robert Schumann hat man auch noch nie so zart, so ätherisch gehört.

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Erst bei Mozarts 39. Sinfonie Es-Dur KV 543 wird spürbar, dass auch Emelyanychev das Rad nicht komplett neu erfindet. Da geraten die Bläser anfangs ins Kieksen, verharrt das Andante trotz dramatischer Kontraste zu sehr im Serenadenton. Und dass der Dirigent bei kurzen Tuttischlägen jedes Mal das Tempo drosselt, wirkt aufgesetzt. Andererseits: Solch ein turbulentes Finale, das in seiner kaum zu stoppenden Motorik an Beethovens Siebte erinnert und dabei absolut strukturiert bleibt, muss man erst mal hinkriegen. Il Pomo d’Oro gewährt über weite Strecken eine ganz frische Sicht auf Mozart. Die CD darf man mit Ungeduld erwarten.

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