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Mysterium Unterwasservulkan Rätsel am arktischen Meeresgrund: Die Rolle von Unterwasservulkanen

Welche Rolle spielen Unterwasservulkane für das Leben im Meer? Und welches Potenzial haben die dort entdeckten Bakterien ?
15.04.2023, 05:00 Uhr
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Von Björn Lohmann

Wer an Vulkane denkt, hat vielleicht große Kegel wie den Ätna vor Augen, den höchsten aktiven Vulkan Europas. Das sind jedoch nicht die Bilder, an die Gunter Wegener und Massimiliano Molari vom Zentrum für Marine Umweltwissenschaften und dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen denken. Das Faible der Meeresmikrobiologen sind die Unterwasservulkane in der Arktis. Die sehen ganz anders aus und werfen spannende Fragen auf.

„Wir sind besonders an den Unterwasservulkanen an mittelozeanischen Rücken interessiert, wo sich neuer Ozeanboden bildet“, sagt Wegener. Wie einen Reißverschluss könne man sich das vorstellen, der durch die Bewegung im Erdinneren auseinandergezogen wird. In dessen Öffnung steigt Magma hoch und füllt den Freiraum. Zu den Seiten fällt der Rücken in Richtung des älteren Gesteins ab. Zwar summiert sich das vom Magma neu gebildete Gestein über die Erdgeschichte mancherorts. Island ist dafür ein Beispiel: Die Insel ist eine Ausbildung des mittelozeanischen Rückens, der dort sogar die Wasseroberfläche durchstößt. Nicht so jedoch in der Arktis.

Schwierige Suche am Meeresgrund

„Der Ozeanboden an den Spreizungszonen in der Arktis bewegt sich nur wenige Millimeter im Jahr auseinander“, beschreibt Wegener. „Anhebungen entstehen dabei praktisch nicht und der Rücken – hier eigentlich eine Rinne – befindet sich in ca. 4000 Meter Wassertiefe.“ Deshalb sind diese auch als geothermale Quellen bezeichneten Orte nicht einfach zu finden. Per Echolot lässt sich der Rücken lokalisieren. Für das Auffinden der Vulkane müssen Geräte in die Tiefsee hinabgelassen werden. An den noch warmen Vulkanen stoßen hydrothermale Quellen schwarze Rauchwolken aus, die aufgrund der Hitze bis zu einem Kilometer in der Wassersäule aufsteigen und sich weit im Meer verteilen. Bald ist die Wolke so verdünnt, dass sie für das bloße Auge unsichtbar ist. Doch Trübesensoren erkennen die im Wasser schwebenden Rauchpartikel, Thermometer können Temperaturunterschiede von wenigen Tausendstelgrad aufzeigen und sogenannte Redoxsensoren spüren kleinste Veränderung der Wasserchemie auf. Folgt man mit dem Instrument den Spuren, findet dessen Kamera schließlich die tatsächliche Quelle am Meeresgrund.

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In den 2000er-Jahren hatte eine Expedition auf dem Forschungsschiff „Polarstern“ bereits mehr Hinweise auf arktische geothermale Quellen gefunden als erwartet, diese aber seinerzeit nicht kartiert. „Wir sind deshalb 2014 und 2016 nochmal an spezielle Orte gefahren und fahren auch in diesem Jahr wieder hin“, freut sich Molari. Im arktischen Eis ist die Suche eine besondere Herausforderung: Während Geräte im Wasser sind, kann die „Polarstern“ nicht einfach durchs Eis brechen, ohne Gefahr zu laufen, den Draht am Eis zu beschädigen und so die teuren Instrumente für immer zu verlieren. Daher nutzen die Forschenden Vorhersagen, in welche Richtung das Eis treiben wird, stampfen zunächst mit dem Schiff mehrere Kilometer dagegen an und lassen sich dann stundenlang zurücktreiben. Die Vorhersagen sind jedoch nicht sehr genau, und so braucht es Glück, um ohne weitere Navigation die Quellen zu finden. 2014 gelang es erst am letzten Tag der Expedition, den Schwarzen Raucher zu fotografieren.

Unterstützung durch einen NASA-Tauchroboter

In diesem Sommer werden die Forschenden einen neuartigen Tauchroboter der NASA dabeihaben. Dieser Tauchroboter ist nur über ein Glasfaserkabel mit dem Schiff verbunden. Sollte das nur einen Millimeter dünne Kabel vom Eis beschädigt werden, taucht der Roboter selbstständig wieder auf und kann wieder an Bord gehoben werden. Danach wird das Kabel erneuert und die Erkundung fortgesetzt. „Wir wollen damit mindestens drei weitere Quellen ausfindig machen“, hofft Wegener. Denn die bislang untersuchte Quelle war frei von höherem Leben. Außerhalb der Arktis finden sich an Schwarzen Rauchern eigentlich Muscheln und Krebse. Diese hydrothermalen Quellen gelten sogar als Ursprung des Lebens auf der Erde. Könnte es jedoch sein, dass deren geringere Aktivität in der Arktis nicht genug Energie liefert, um Tiere ernähren zu können?

Denn um Energie dreht sich in der dunklen Tiefsee alles, wo nur sehr selten einmal Nahrung aus dem Oberflächenwasser ankommt. Manche Bakterien können jedoch chemische Verbindungen als Energiequellen nutzen, die für höheres Leben nicht zugänglich sind, sich aber in den Rauchwolken der hydrothermalen Quellen finden. Zwei Bakterienarten sind dabei besonders erfolgreich. „Das schwefeloxidierende Bakterium SUP05 war uns schon länger bekannt“, erläutert Wegener. In einem gerade erschienenen Fachartikel beschreiben die Forscher außerdem einen ganz neuen Vertreter der Gattung Sulfurimonas. Letzterer veratmet den Wasserstoff aus dem Rauch und nutzt die Energie aus diesem Prozess, um Kohlendioxid zu fixieren und sich zu vermehren. Von seiner Biomasse könnten sich andere Bakterien und Kleinstlebewesen ernähren.

Energie- und Stoffbilanzen mit weitreichenden Folgen

An der Oberfläche ist die Sonne eine mächtige Energiequelle. Tief im Arktischen Ozean jedoch könnten selbst die gering aktiven geothermalen Quellen wesentlich zur verfügbaren Energie beitragen. Molari möchte die Energie- und Stoffbilanzen der Schwarzen Raucher verstehen: „Wie viel Methan und Wasserstoff lassen die Bakterien übrig?“ Die Unterwasservulkane machen außerdem Nährstoffe wie Eisen verfügbar. „Eisenquellen sind auf der Erde sehr selten“, betont Wegener. Im Meer fördern sie das Algenwachstum. Algen wiederum binden Kohlenstoff und entlasten so das Klima.

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Die Expedition von Juni bis August könnte also die Grundlagenforschung zur Geologie des Meeresboden, zu globalen Stoffkreisläufen sowie zum Leben in der Tiefsee voranbringen. Und nicht nur das: Astronomen haben errechnet, dass es auch im All, beispielsweise auf dem Jupitermond Europa, viele hydrothermale Quellen geben müsste. Für die Forschung wirft das die Frage auf, ob dort Leben entstanden sein könnte. Für Wegener ist das ein weiterer Aspekt seiner Arbeit: „Wenn wir dort nach Leben suchen wollen, müssen wir erst ein besseres Verständnis davon haben, wovon auf unserem Planeten Leben leben kann.“

Zur Sache

Produktionsorganismus für die Biotechnologie?

Für den Meeresmikrobiologen Gunter Wegener ist das Bakterium aus der Gattung Sulfurimonas besonders spannend: Eigentlich gehört es zu einer Gruppe von Bakterien, für die Sauerstoff giftig ist. Doch dieser Stamm hat einen Weg gefunden, in Gegenwart von Sauerstoff zu wachsen. Diese Fähigkeit ist attraktiv für biotechnologische Anwendungen, zumal das Bakterium ein kleines Genom hat und sehr effektiv Kohlenstoff fixiert. Mit dem inzwischen vorhandenen Wissen hofft Wegener, den Organismus im Sommer erstmals im Labor kultivieren und weiter erforschen zu können.

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