- Zwei Bauformen: Tokamak und Stellarator
- Von einem der ersten Supercomputer entworfen
- Theorien in der Praxis überpüfen
- Demonstrationskraftwerk bis Mitte 2060 geplant
15 Millionen Grad Celsius: Das ist die Temperatur, die im Inneren unserer Sonne herrscht – dort, wo seit 4,6 Milliarden Jahren in jedem Moment unfassbar oft vier Wasserstoffkerne zu einem Heliumkern fusionieren und dabei jene Energie freisetzen, die Leben auf der Erde ermöglicht. In den späten 1940er-Jahren schlugen Forscher ein Konzept vor, um diesen Prozess auf der Erde nachzubilden und so Strom zu erzeugen. Läuft alles nach Plan, könnte in rund 40 Jahren das erste Fusionskraftwerk seine Arbeit aufnehmen.
In einem Fusionsreaktor sind für die Kernfusion jedoch Temperaturen von 100 Millionen Grad Celsius erforderlich, da eine für ein Fusionskraftwerk auf der Erde günstigere Fusionsreaktion verwendet wird. Dafür genügt dann ein Druck, der etwa fünfmal so groß ist wie unser normaler Luftdruck. Unter diesen Bedingungen separieren sich Atomkerne und Elektronen und liegen als elektrisch geladene Teilchen vor. Fachleute sprechen von einem Plasma.
Zwei Bauformen: Tokamak und Stellarator
Eines der vorrangig verfolgten Konzepte, um durch die Fusion der Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium Strom zu gewinnen, sieht vor, das Plasma in starken Magnetfeldern einzuschließen, um es zusammenzuhalten. Diese sogenannte Fusion mit magnetischem Einschluss gilt heute noch als wahrscheinlichste Lösung, um Fusionskraftwerke zu bauen. Dabei unterscheiden sich zwei Bauweisen: Die Bekannteste ist vermutlich die des internationalen Forschungsreaktors ITER in Frankreich, der Tokamak. Die andere Bauweise nennt sich Stellarator. Dessen Entwicklung wird vor allem an der Forschungsanlage Wendelstein 7-X in Greifswald vorangetrieben.
„Für einen Tokamak benötigt man einen starken elektrischen Plasmastrom“, erläutert Robert Wolf, Direktor am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald. „Ein Stellarator benötigt nur das Magnetfeld ohne Strom. Dafür ist dessen Konfiguration komplizierter.“ Vereinfacht könnte man sagen: Die Form des Stellarators folgt grob dem Verlauf der Magnetfeldlinien, der Tokamak ist eher ein Donut. Wegen der einfacheren Bauweise ist die Entwicklung am ITER etwas weiter fortgeschritten.
Von einem der ersten Supercomputer entworfen
Wendelstein 7-X wurde in den 1980er-Jahren nach einer Liste von Kriterien konzipiert, die ein Stellarator brauchen würde, um funktionieren zu können. Einer der ersten Supercomputer errechnete daraus seinerzeit das Design. „Heute steht der Rechner im Deutschen Museum“, schmunzelt Wolf. Am Wendelstein 7-X hingegen konnte die Wissenschaft 2016 erstmals demonstrieren, dass man einen Stellarator bauen kann und dieser auch technisch funktioniert. „Seitdem versuchen wir zu zeigen, dass die Optimierungsziele erreicht werden können“, erläutert der Experimentalphysiker.
In den vergangenen vier Jahren bauten die Fachleute zum Beispiel eine Wasserkühlung für die Komponenten des Plasmagefäßes ein, um den Betrieb von einigen Sekunden am Stück auf mittelfristig 30 Minuten auszuweiten. Vor zwei Jahren konnten sie außerdem nachweisen, dass die anfallenden Energieverluste so niedrig sind, wie in der Optimierung vorgesehen. Denn eines darf man nicht vergessen: Um eine Fusionsreaktion zu starten, muss zunächst Energie aufgebracht werden, um die nötige Temperatur zu erzeugen.
Eine der Preisfragen lautet daher immer: Gelingt es, durch die Fusionsreaktion mehr Energie zu erzeugen, als hineingesteckt werden musste? Alle bislang betriebenen Fusionsanlagen mit Magneteinschluss, auch Wendelstein 7-X, können aus physikalischen Gründen keine positive Energiebilanz erzielen. Sie dienen lediglich zur Erforschung der Grundlagen. Erst ITER wird die Dimensionen haben, um zehnmal mehr Leistung zu erzeugen, als hineingesteckt wird.
Theorien in der Praxis überpüfen
„Bei Wendelstein 7-X ist etwa die Einschlussgüte des Plasmas noch nicht ausreichend“, schildert Wolf weiter. „Sonst wäre es schon ein Kraftwerk.“ Ein solches bräuchte außerdem ein etwas stärkeres Magnetfeld. „Es geht in der Forschungsanlage darum, unser theoretisches Verständnis zu verifizieren, um die Interpolation auf die Dimensionen eines Kraftwerks zu erlauben“, fasst der 57-Jährige zusammen.
Ähnlich wie heutige Großkraftwerke würde ein Fusionskraftwerk etwa ein Gigawatt Leistung erzielen. „Das liegt an den Randbedingungen der Fusionsreaktion und an dem Einschlussparameter, den man erreichen kann“, begründet Wolf. Im Gegensatz zu heutigen Kraftwerken gäbe es jedoch keine Treibhausgasemissionen oder über Jahrtausende strahlende radioaktive Abfälle.
Auch wenn dem Physiker klar ist, dass die Fusionsenergie keinen Beitrag mehr zur Energiewende bis 2050 leisten wird, hält er sie für einen wichtigen Baustein im Energiemix der Zukunft: „Solar- und Windenergie erzeugen keine Wärme. Aber die Industrie benötigt Prozesswärme. Aus teurem Strom wieder Wärme zu machen, wäre nicht effizient.“
Demonstrationskraftwerk bis Mitte 2060 geplant
Hinsichtlich der technischen Machbarkeit ist Wolf optimistisch. Der europäische Zusammenschluss EUROfusion will bis zu den 2060er-Jahren ein Demonstrationskraftwerk – DEMO – gebaut haben. „Das Tempo hängt ganz davon ab, welche Ressourcen man hat“, sagt der Fusionsforscher. „Ich will mich nicht beschweren. Aber um eine Kraftwerksanlage zu bauen, braucht es eine ganz andere Größenordnung als für einen Forschungsreaktor.“
Ob ein Fusionskraftwerk am Ende wirtschaftlich sein wird, steht noch in den Sternen. Der Stellarator hätte in dieser Frage wohl die Nase vorn, denn er könnte kontinuierlich betrieben werden. Was ein Kraftwerksbau in etwa kosten würde, das haben Fachleute bereits kalkuliert. Unklar und wirtschaftlich noch wichtiger ist jedoch, wie viel Prozent der Zeit ein Fusionskraftwerk in Betrieb sein könnte. Das soll einmal DEMO zeigen, der noch im Entwurf befindliche Nachfolger von ITER. Bis dahin bleiben viele Forschungsfragen zu klären – oder mit den Worten Wolfs: „Noch hat niemand auf der Erde ein stationär brennendes Fusionsplasma gesehen.“