Frau Enzler, wie lebt es sich denn so als designierte Königin?
Karin Enzler: Jetzt gerade ist es anstrengend. Es wechselt zwischen der Verheißung, die die Aufgabe bereit hält, und dem Unvermögen, etwas zu bewirken. Manchmal bin ich auch genervt, in dieser Königsfamilie verhaftet zu sein. Wenn man sich einmal an den Gedanken gewöhnt hat, dass man herrschen kann, dann wird man bei ganz vielen anderen Dingen ungeduldig.
Bei welchen?
Dass zum Beispiel nicht alles so läuft, wie man gerne möchte.
Wir sprechen hier gerade über "Royals", das Stück von Felix Krakau, das am Sonnabend im Schauspiel uraufgeführt wird, und Sie spielen die Hauptrolle der lange Zeit ungekrönten Königin. Um was geht es da eigentlich?
Es geht um eine abstrakte Gruppe von Adligen, die nichts mit einem der tatsächlichen europäischen Herrscherhäuser zu tun hat. Diese Gruppe beschäftigt sich mit der Frage, ob sie überhaupt eine Daseinsberechtigung hat. Es ist ein großes Zaudern: Wer, wo, wie sollen wir herrschen oder vielleicht doch lieber nicht? Was muss man tun angesichts der Weltlage? Mal geht es vorwärts, dann stockt es.
In Deutschland spielt der Adel keine Rolle mehr, die Monarchie gleich gar nicht. Warum sind die "Royals" trotzdem von Interesse für das Publikum?
Es ist schon eine besondere Gruppe, die Privilegien besitzt, gewisse Ansprüche und ein bestimmtes Selbstverständnis, und die versucht, diese in irgendeine Form von Einklang mit der äußeren Welt zu bringen. Wir haben uns auch mit der Tatsache befasst, dass die Royals intensiv Öffentlichkeitsarbeit leisten. Sie achten sehr auf ihre Inszenierung. Gleichzeitig werden ihnen auch Rollen zugeschrieben: die Böse, der Sensible, und so weiter. Das ist der Theatertradition ja sehr verwandt.
Wie haben Sie sich darauf vorbereitet, keine historische Königinnenfigur wie beispielsweise Maria Stuart zu spielen, sondern einen Protoyp? Sie haben nicht einmal einen Namen.
Es gibt Funktionen: Mutter, Bruder, Gemahl. Da ich mich in dieser Welt der Königshäuser nicht auskenne, habe ich angefangen, die Serie "The Crown" zu schauen, aber nur als Anregung. Mitgenommen habe ich: Wir sind eine Gruppe, wir haben eine Aufgabe, wir werden beschränkt. Wir bewegen uns in einer gewissen Körperlichkeit, was die Parallele ist zur Hofetikette, bei der es darum geht, was man darf, was man nicht darf. Das ist wieder eine Parallele zwischen der Rolle einer Königin, eines Königs und der Rolle der Schauspielerin oder des Schauspielers. Man muss die eigenen Bedürfnisse zum großen Teil zur Seite legen, um einen Plan zu erfüllen. Mir ist dieses Gefühl im Laufe der Proben immer näher gekommen: Ich bin die designierte Königin, ich stehe in der Mitte und kann doch nicht wirklich etwas tun.
Sympathisch sind Sie nicht als Königin.
Meine Figur hat ja auch etwas Verwöhntes: Da gab es dieses schicke Partyleben, und jetzt muss sie diese Bürde auf sich nehmen und die Krone aufsetzen. Und dann schlägt sie über die Stränge und das Tyrannengen setzt sich so richtig durch.
Das Stück hat einen Zug ins Böse, vor allem zum Ende hin.
Allerdings, es gibt so einen Umschwung: Ihr reicht die Repräsentationsaufgabe nicht mehr – da greift die Königin nach der Macht, weil sie ja schließlich blaublütig ist. Die nimmt sie sich jetzt einfach mal.
Wie wird das aussehen im Schauspielhaus?
Sehr schön. Wir haben tolle, bunte Räume, und wir tragen große Perücken. Die Theatermaschinerie wird so richtig angeworfen, mit Licht, Sound, Video, Maske.
Das Gespräch führte Iris Hetscher.