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Theater Bremen: Soft Rebellion Neues Stück schickt Shakespeares Julia auf einen Selbstfindungstrip

Julia bricht aus: In "Soft Rebellion" am Theater Bremen werden Shakespeares berühmte Figur – und eigentlich die ganze Geschichte – neu interpretiert.
26.10.2024, 14:43 Uhr
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Neues Stück schickt Shakespeares Julia auf einen Selbstfindungstrip
Von Alexandra Knief

Romeo liebt Julia, Julia liebt Romeo, ihren Familien gefällt das gar nicht und am Ende sind fast alle tot. Shakespeares "Romeo und Julia" ist wohl eine der, wenn nicht sogar die bekannteste Liebesgeschichte aller Zeiten. Und sie hat wahrscheinlich die Vorstellung vieler Menschen davon, was Liebe ist, fundamental geprägt. Vielleicht etwas zu fundamental, findet die Regisseurin Yeşim Nela Keim Schaub. Mit ihrem nur rund eine Stunde und 15 Minuten langem Stück "Soft Rebellion" (Dramaturgie : Elif Zengin, Saskia Scheffel), das Shakespeares Geschichte einmal komplett auseinandernimmt – oder dies zumindest vorab verspricht –, wolle sie aus "Klischees, aus dem Gewohnten und dem Erwarteten ausbrechen", wie sie in einem Interview auf der Seite des Theaters sagt. Ist ihr das gelungen?

Worum es geht: Das Grundgerüst bleibt bestehen. Julia ist eine Capulet, Romeo ein Montague. Ihre Familien hassen sich seit Ewigkeiten. Warum? Das wissen sie alle wahrscheinlich schon selbst nicht mehr, aber weil es immer so war, muss es so bleiben. Beide Teenager hadern allerdings mit ihrem Platz in dieser Welt voller Hass. Mit ihrem Namen, mit dem, was von ihnen erwartet wird. Gerade Julia scheint es innerlich zu zerreißen, eine Capulet zu sein. Also versucht sie, aus ihrer eigenen Geschichte auszubrechen.

Wie das auf der Bühne aussieht: Gespielt wird auf einer steinigen grauen Plattform, die in spitze Einzelteile zerlegt ist (Bühne: Anka Bernstetter). Wahrscheinlich ein Sinnbild für das zerbrochene Fundament, voll mit Spaltungen und Abgrenzungen, auf dem Romeo und auch Julia heranwachsen. Für die verbrannte Erde, die ihre Familien hinterlassen. Zum Hingucker wird diese Plattform, wenn sie sich an verschiedenen Stellen im Stück in einen funkelnden Sternenhimmel verwandelt. Zum Beispiel als Romeo und Julia zusammen Take Thats "Rule The World" anstimmen oder als der zurückgelassene Benvolio voller Verzweiflung im Dunkeln "How Deep Is Your Love" singt. Das war es dann aber auch schon mit Bühnenbild. Einzige Requisite ist eine Art großer Fallschirm, der mal als Kleid, mal als Decke dient und sich zum Ende des Stückes, vielleicht symbolisch als Zeichen für eine frei wählbare Zukunft, die Shakespeares Figuren offen steht, zu seiner vollen Größe aufbläst.

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Wer mitspielt: "Soft Rebellion" ist eine Inszenierung mit Ensemblemitgliedern des Jungen Theaters und des Schauspiels. Aburvan Pio Susiananthan gibt als Romeo sein Theater Bremen-Debüt als Mitglied des Moks-Ensembles und bekommt mit Jorid Lukaczik aus dem Schauspiel-Ensemble als Julia ein sehr starkes Gegenüber an die Seite gestellt. Das passt, denn es ist vor allem Julia, die mit ihrer Rolle hadert, während Romeo zwar zweifelt, aber sich gut zu arrangieren scheint. Lukaczik schickt ihre Julia in einen kräftezehrenden, inneren Kampf.

Nadine Geyersbach mimt Julias aufbrausenden Cousin Tybalt mit gewohnt beängstigend starker Bühnenpräsenz. Vom Jungen Theater ist zudem noch Frederik Gora als Romeos Cousin Benvolio dabei. Gora war zuletzt in der Moks-Produktion "Eddy (oder ein anderer)" zu sehen, einem Stück, mit dem Regisseurin Yeşim Nela Keim Schaub aktuell für den Deutschen Theaterpreis Faust normiert ist. Barbara Krebs aus dem Moks-Ensemble verkörpert Romeos und Julias Vertrauten Lorenzo. Ein kleines Highlight des Stückes ist Musiker und Performer Johannes Rieder, der mit einer herrlich humorvollen Trockenheit sowohl als Amme (bestes Bühnenoutfit: Simone Ballüer) auftritt, als auch für die Livemusik verantwortlich zeichnet.

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Ob sich der Besuch lohnt: Erst vor Kurzem hat die Bremer Shakespeare Company die Hauptfigur ihres Stückes "Orlando" auf einen jahrhundertelangen Selbstfindungstrip geschickt. Das Theater Bremen macht in "Soft Rebellion" im Grunde das Gleiche und schickt Shakespeares Julia auf die Suche nach ihrem wahren Ich. Ihre finalen Erkenntnisse: Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß auf der Welt, sondern auch sehr viel dazwischen, und sie will ein Teil dieses Dazwischens sein.

Auch wenn andere Leute Erwartungen an sie haben, entscheidet sie selbst, welche davon sie zu einem Teil von sich werden lässt. Einen Romeo braucht sie dafür eigentlich nicht zwangsläufig, Selbstverwirklichung klappt auch ganz wunderbar alleine. Liebe kann ganz viele verschiedene Gesichter haben, ist im Grunde nichts anderes als „ein Ü-Ei ohne Anleitung“, und jeder sollte selbst entscheiden, was sie für einen persönlich bedeutet. Und es geht darum, verständnisvoller seinem Umfeld gegenüber zu sein und nicht mit Gewalt auf das zu reagieren, was einem nicht passt.

Das sind natürlich – gerade für Heranwachsende, das Stück ist ab 14 Jahren – schöne Botschaften, irgendwie hat man sich als Theaterbesucher aber doch etwas mehr erhofft als Plattitüden wie diese, die nun auch nicht so viel überraschender und rebellischer sind als Shakespeares Geschichte selbst. In diesem Sinne bringt es der Titel des Stückes, "Soft Rebellion", also sanfte Rebellion, (leider) recht gut auf den Punkt.

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Info

Weitere Termine: 29. und 30. Oktober, 16. November, 10. und 20. Dezember sowie 11. und 29. Januar 2025 jeweils um 19.30 Uhr im Kleinen Haus.
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