- Um was geht es?
- Wie ist das inszeniert?
- Wie sieht das aus?
- Wie ist das gespielt?
- Wie relevant ist das?
Es ist sicher nicht die drängendste Frage in diesen Tagen, wie es dem europäischen Adel so geht. Deutschland ist ja keine Monarchie – und doch verfolgen Millionen Menschen die Sondersendungen im Fernsehen, wenn in Großbritannien ein Charles zum Nachfolger einer Elizabeth gekrönt wird. Und wer ist eigentlich nerviger, Meghan oder Kate? Sowieso wird nie jemand Diana den Titel "Königin der Herzen" streitig machen, da sind diverse goldene und bunte Blätter davor.
Was also hat es auf sich mit diesem Phänomen von Familien, die seit Jahrhunderten eine Art Sonderstatus für sich beanspruchen und von anderen dafür beneidet, beäugt, begehrt werden? Dem spürt Felix Krakau in seinem Stück "Royals" klug nach, das am Sonnabend im Schauspiel des Theaters Bremen uraufgeführt wurde.
Um was geht es?
Der Monarch ist tot, es lebe die Monarchin. In einem so ort- wie namenlos bleibenden Königshaus ist der Regent gestorben. Nun ist es an seiner Tochter, den Thron zu besteigen. Doch die "designierte Königin" (Karin Enzler) ist unsicher, ob sie das wirklich will, und welche Rolle sie und ihre Familie heute noch spielen. Im Folgenden entspinnt sich zwischen ihr, der Königinmutter (Cennet Rüya Voß), dem Prinzgemahl (Patrick Balaraj Yogarajan), ihrem jüngeren Bruder (Florian Mania) und seiner Frau, einer Bürgerlichen (Lisa Guth), ein Hin und Her über genau diese Fragen. Als die designierte Königin droht, nach einem aufgedeckten Skandal die Krönung abzusagen, könnte alles auseinanderfliegen. Doch diejenigen, die sich für unentbehrlich, ja, gottgesandt halten, finden einen Weg hinaus aus dem Zweifel.
Wie ist das inszeniert?
Felix Krakaus Stück ist eine überaus unterhaltsame Gedankenspielerei, ein Ausloten von Positionen. Die Figuren sind Prototypen, der Text ist komponiert wie ein Musikstück, und so klingt die Inszenierung in unterschiedlichen Sprachfarben. Krakau bedient sich bei der griechischen Tragödie; alle Schauspieler verfallen immer wieder in chorisches Sprechen, wenn sie gemeinsam "der Adel" sind. Es gibt Elemente der Farce, aber auch des psychologischen Kammerspiels, alles ist so genau abgewogen wie das Bild, das tatsächliche Adelshäuser der Öffentlichkeit zeigen: "you pay, we pose" heißt es an einer Stelle (ihr zahlt, wir posieren). Krakau, der auch selbst inszeniert, lässt sehr körperbetont spielen, die Akteure führen mitunter skurrile Menuette zu einem Soundtrack aus dezenten Streicher- plus Klavierklängen auf (Choreografie: Thomas Bünger).
Wie sieht das aus?
Poppig bunt. Die leere Bühne wechselt von einer Bonbonfarbe zur nächsten, ist mal rosa, dann lila oder blau beleuchtet (Licht: Marius Lorenzen). Zum Schluss hin, als alles in Scherben zu gehen droht, wird es karger, bis schließlich auf der tristen Hinterbühne gespielt wird. So stilisiert wie Sprache, Spiel und Bühne sind auch die Kostüme von Jenny Theisen – eine karnevaleske Augenweide à la Ludwig XV., völlig vorgestrig. Wie der Adel selbst.
Wie ist das gespielt?
Dem Ensemble gelingt das Kunststück, trotz der bewussten Künstlichkeit von Stück und Inszenierung den Figuren viel Leben einzuhauchen. Das changiert zwischen schrulliger Komik und beklemmend ernsten Momenten. Besonders Karin Enzler als designierte Königin überzeugt: Ihre Wandlung von der unsicheren Prinzessin zu einer Frau, die vom Willen zur Macht berauscht ist, hat bedrohliche Züge. Sie will das alles und noch viel mehr. Lisa Guth als eingeheiratete Bürgerliche brilliert in einem völlig überdrehten Monolog über das Ritual eines Balls und erhält dafür zurecht Szenenapplaus.
Wie relevant ist das?
Krakau unternimmt am Schluss einen kleinen Ausflug ins Dokumentartheater und erinnert unter anderem daran, wie vehement die Hohenzollern lange darauf beharrten, Kunstschätze und die Burg Rheinfels zurückzubekommen. Ob sie dem Nazi-Regime "erheblichen Vorschub" geleistet haben, ist immer noch nicht geklärt.
Man kann das Stück also durchaus weiterdenken angesichts einer wachsenden Anzahl von Menschen, die autoritäre Strukturen mit einem klaren Anführer mittlerweile den Mühen der Demokratie vorziehen. Es muss ja nicht der Adel sein, der sich als Problemlöser Nummer eins sieht. Auch Reichsbürger oder rechte Blut- und Boden-Ideologen berufen sich gerne auf eine höhere Macht, die sie angeblich legitimiert. "Macht euch auf etwas gefasst" heißt es am Ende von Krakaus Stück.