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Oper im Theater Bremen "Macbeth" überzeugt nur musikalisch

Macbeth mordet, dass es qualmt: Musikalisch wird die Premiere der Verdi-Oper am Theater Bremen ein Erfolg – auch dank eines Einspringers. Die Regie dagegen enttäuscht auf ganzer Linie.
11.12.2023, 15:30 Uhr
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Von Sebastian Loskant

Der Albtraum jedes Theaters: Zwei Tage vor der Premiere erkrankt der Hauptdarsteller. Dass Giuseppe Verdis Oper "Macbeth" am Sonntag dennoch wie geplant aufgeführt konnte, hat das Theater Bremen Hrolfur Saemundsson zu danken, der kurzerhand für Elias Gyungseok Han einsprang. Der Bariton aus Island führte die musikalisch hervorragende Produktion souverän an. Dass der Abend trotzdem nicht überzeugte, lag an der halbgaren Inszenierung.

Die Musik: Wie diese düstere Oper ohne Liebe von Mord zu Mord drängt, das führt Dirigent Stefan Klingele in der Fassung von 1865 packend vor. Er wählt zügige Tempi, lässt die Rhythmen federn, arbeitet die düsteren Klangfarben und rumorenden Motive heraus, spinnt aber auch schöne Kantilenen. Die Bremer Philharmoniker folgen ihm so pointiert, als kämen sie direkt aus der Mailänder Scala. Brillant. Da wird die Geschichte vom schottischen Heerführer Macbeth, der, angetrieben von seiner ehrgeizigen Frau, erst den König, danach den Konkurrenten Banco und dann die Familie des geflohenen Königssohns Malcolm umbringt, zum Opernkrimi.

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Die Sänger: Hrolfur Saemundsson kennt die Titelpartie bestens, bietet butterweiche Piano-Töne in der Höhe und dramatische Durchschlagskraft gleichermaßen – ein Macbeth, der als abergläubischer Duckmäuser wie als machthungriger Despot begreifbar wird. Als seine Lady überzeugt Sarah-Jane Brandon bei ihrem Rollendebüt mit fein gesponnenen lyrischen Passagen (Wahnsinnsarie) und sicheren Höhenflügen. Schwerer tut sich die Sopranistin in der tiefen Lage und bei Passagenwerk – im Trinklied muss Klingele das Tempo stark abbremsen (und ihr die zweite Strophe ersparen). Dieser wohltönenden Lady fehlt es noch an Dämonie und Wildheit.

Vorzüglich die kleineren Rollen: Hidenori Inoue singt mit markantem Bass einen sympathisch väterlichen Banco, Tenor Luis Olivares Andoval als Macbeth-Gegner Macduff setzt mit seiner balsamischen Arie im vierten Akt ein Glanzlicht. Elisa Birkenheier als Kammerfrau, Ian Spinetti als Malcolm und Christoph Heinrich als Diener werten ihre Rollen auch darstellerisch auf. Noori Chos fabelhafter Chor hat markante Auftritte.

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Die Szenerie: Das Geschehen kreist drei Akte um eine nüchterne Aula mit hohen Fenstern, außen schwarz, innen hell, die sich einsam auf der Drehbühne bewegt (Thilo Ulrich und Raimund Orfeo Voigt). Der Einzug des Königs im grauen Anzug (Kostüme: Nicole Pleuler) wirkt prompt wie der Besuch des Oberschulrats. Nach der Pause kehrt sich, sehr symbolisch, das Innere des Saals nach Außen. Im vierten Akt dann nur noch Gräber, auf denen ein Flüchtlingschor steht, zum Teil in Unterhosen. Vorn verharrt ein Rippenheizkörper.

Ungemütlicher kann man die Folgen von Machtgier nicht inszenieren, aber auch nicht ungelenker und plakativer. Die Geistererscheinungen (drei junge Mädchen und sieben alte Männer mit Gehstock) stellen sich ein wie Sonntagsspaziergänger, die Hexen und Krieger treten auf als Mafia-Bande mit Sonnenbrillen. Nervös werden Zigaretten geraucht – morden, dass es qualmt. Sogar während der Wahnsinnsarie muss minutenlang ein Feuerzeug klicken. Erst recht greift Regisseurin Elisabeth Stöppler zum Holzhammer, wenn Macbeth am Ende der Bankettszene die Festgesellschaft einsperrt und qualvoll wie in einer Gaskammer verenden lässt.

Zur Regie: Die Hannoveranerin will ganz viel. Sie will William Shakespeares Vorlage mitinszenieren: Deshalb muss die Zofe zugleich Macduffs Frau sein und ihre Töchter vergiften, muss der Diener englischen Originaltext zitieren. Dann will Stöppler Lady Macbeth laut Programmheft als unterdrückte Frau, als emotional unfreies Opfer des Systems vorstellen, weshalb sie hier Bancos Sohn aufnimmt – Juhan Oh als berührendes Waisenkind. Mit ihm, den sie doch umbringen müsste, spielt sie (zu einem Teil der Ballettmusik) glückliche Familie. Außerdem hat die Lady, frei und durchtrieben, hier ein Verhältnis mit dem rotgelockten Diener – hintergeht sie Macbeth auch anderweitig? Auch will Stöppler  zeigen, wie sich Gewalt immer weiter fortsetzt: Folglich ist der am Ende siegreiche Prinz Malcolm ein Ekel mit Pistole und wird vom geknechteten Macduff erschossen.

Viele Ideen, aber sie fügen sich nicht zusammen. Über gut drei Stunden ist da allzu vieles unlogisch, unmotiviert, verwirrend – und  schlecht umgesetzt. Mit Verdi hat es eh kaum noch etwas zu tun. Die Aufführung, die musikalisch das Zeug für Bestnoten hat, erleidet das Schicksal ihrer Figuren: Sie wird gewaltsam hingewürgt.

Info

Die nächsten Termine: 12. und 27. Dezember, 6. und 25. Januar.

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