Stimmt schon: Eine Regierung aus drei Partnern unterschiedlicher Stärke hat größere Schwierigkeiten, Kabinettsposten angemessen zu verteilen, als wären sie zu zweit. Das ist nicht nur in Bremen so. Die Zahl der Posten wird in solchen Fällen erhöht. Das kostet, zumal nicht nur das Gehalt des zusätzlichen Kabinettsmitglieds zu bestreiten ist, sondern auch die Kosten seines Stabs.
Bei allem Wohlwollen über die Menge der Arbeit, die zu bewältigen ist, bleibt in der Summe, dass sich die neue Regierung mit ihren Beschlüssen in eigener Sache nicht durch finanzielle Enthaltsamkeit auszeichnet – neben der Senatsvergrößerung siehe auch den angemeldeten Anspruch des Parlaments auf mehr Geld.
Das wird dem künftigen Finanzsenator Dietmar Strehl noch Kopfzerbrechen bereiten. Strehl ist seit 2011 Finanzstaatsrat an der Seite Karoline Linnerts (Grüne) und – ganz ihre Schule – darauf bedacht, dass das Land nicht über seine Verhältnisse lebt. Je näher es der Wahl zuging, desto mehr weichte dieses rot-grüne Gelöbnis bereits auf. Die undankbare und einsame Aufgabe des Finanzsenators wird es mithin sein, die Koalitionäre beim Geldausgeben einzufangen. Überhaupt wird das Haus- und Maßhalten der Stresstest der neuen Regierung werden.
Auch Claudia Bogedan wird ihr Fell weiter wachsen lassen müssen, obgleich sie nicht zu befürchten hat, dass das Ansehen des Bildungs- und Kinderressorts deutlich sinkt. Das ist schier unmöglich, schon keine weitere Verschlechterung wäre ein Erfolg. Obgleich Abermillionen investiert werden, sind die Prozesse zu langwierig, um in absehbarer Zeit glänzen zu können. Im Falle von Innensenator Ulrich Mäurer dürfte dagegen interessant werden, wie schnell und wie sehr er wegen seiner undogmatischen Politik mit den Linken aneinandergerät.
Sie sind die unbekannte Größe. Alsbald wird sich zeigen, wie senatorabel und geschmeidig linke Senatorinnen wirklich sind. Fachlich sind sie ihren Ämtern nicht weniger gewachsen als andere. Fraglich ist eher, ob sie den Rollenwechsel annehmen und (nach dem ehemaligen SPD-Kanzler Willy Brandt) erst an das Land, dann an ihre Partei zu denken bereit sind.
Selbst wenn Kristina Vogt und Claudia Bernhard, die vermutlich Gesundheitssenatorin werden wird, sicherlich für sich in Anspruch nehmen werden, das bereits zu beherzigen: Den Linken steht ein doppelter Wechsel vor – der Sprung vom Parlament und der Opposition in die Regierungsarbeit, aus der Legis- in die Exekutive, von der Theorie in die Praxis.
Ob und wie das gelingt, werden die Bremer, zwei Koalitionspartner und die eigenen Leute in Fraktion und Partei kritisch beäugen. Dass das nicht ohne ist, zeigt die Geschichte der Grünen: Ihre erste Beteiligung an einer Ampelkoalition endete vorzeitig wegen des Alleingangs eines grünen Senators.
Dass Kristina Vogt ausgerechnet das Ressort Wirtschaft und Arbeit übernimmt, kann zu Verwerfungen führen, muss es aber nicht. Die Vorurteile ihr gegenüber dürften massiv sein. Allerdings gibt es Hinweise, dass Kristina Vogt nicht beabsichtigt, sich bei allen konservativen bremischen Pfeffersäcken gezielt unbeliebt zu machen, um des Applauses aus den eigenen Reihen willen. So tragen die Linken mit, dass der Gewerbesteuer-Hebesatz 2020 wieder sinken wird, wie von Rot-Grün zugesichert.
Und sonst? Das Kabinett besteht aus mehr Anfängern im Amt als Fortgeschrittenen und mehr Frauen als Männern. Mit Claudia Schilling (SPD), in Bremen ein unbeschriebenes Blatt, ist der Bremerhaven-Quote Genüge getan, obgleich zwei Ressorts angemessen gewesen wären, wenn man es mit der Schwesterstadt wirklich gut meinen würde. Der Zuschnitt ihres Ressorts (Wissenschaft, Häfen, Justiz) erweckt obendrein den Eindruck, dass man Bremerhaven mit dem abspeist, was übrig geblieben ist und halbwegs zu einer Juristin und Bremerhavenerin passt.
Ausgesprochen hohe Erwartungen lasten auf dem nächsten Präsidenten des Senats. Er wird alles das haben und überdies zur Schau stellen müssen, was Carsten Sieling vermeintlich oder tatsächlich nicht hatte. Jemand, der immerfort beweisen muss, dass er Bremens Bürgermeister ist, nicht etwa der der SPD, wird zwangsläufig da anecken, wo Sieling nicht angeeckt ist – in der eigenen Partei.
Die neue Regierung hat den Bremern, den Wählern und ihren Partei-Mitgliedern viel versprochen. Sie will sich als Reformbündnis hervortun. Es mag sein, dass das etwas kosten muss, zumal Großzügigkeit zusammen schmiedet. Es reicht nur nicht, wenn die größte der Reformen letztlich darin bestehen wird, mehr Geld auszugeben als die Vorgänger.