Eigentlich sind es nur neue Videokameras, die jetzt am Hauptbahnhof den Betrieb aufgenommen haben. Doch damit verbindet die Bremer Polizei einen besonderen Service: Wer sich beim Warten auf Bus oder Bahn vor dem Bahnhof unsicher fühlt, vor allem im Dunkeln, kann mit einem Knopfdruck direkten Kontakt zur Leitzentrale der Polizei aufnehmen. Und wird dann unter dem wachsamen Blick eines Polizisten solange von einer Kamera verfolgt, bis er/sie sicher in der Straßenbahn sitzt oder den Hauptbahnhof erreicht hat. "Selbstgewollte Videoüberwachung" nennt sich dieser Service.
Videoüberwachung gibt es am Bremer Hauptbahnhof schon seit 2002. Und die lieferte der Polizei auch durchaus zuverlässig Bilder. Trotzdem kommt das jetzt installierte System in Sachen Überwachung einem Quantensprung gleich. Wo vorher eine einzelne sogenannte Dome-Kamera hin und her schwenkte und nach dem Zufallsprinzip mehr oder weniger präzise Aufnahmen lieferten, wird jetzt praktisch jeder vom Datenschutz erlaubte Winkel vor und hinter dem Bahnhof von 52 hochauflösenden Kameras abgebildet. Gestochen scharf und damit gerichtsfest. Wo bislang eher beobachtet werden konnte, sind jetzt Personen durch Aufnahmen in Passbild-Qualität identifizierbar und selbst bei Dunkelheit gut zu erkennen.
Apropos Dunkelheit: Wenn erforderlich, kann der Bahnhofvorplatz auf Knopfdruck vom Polizeipräsidium in der Vahr aus taghell erleuchtet werden. Entscheiden tut dies der Polizist, der die gesamte Anlage überwacht. Denn hier liegt, abgesehen von der neuen Technik, der wesentliche Unterschied zur alten Anlage: Bislang liefen die Bilder in der Einsatzleitzentrale der Polizei quasi nebenher auf Monitoren mit. Ab sofort werden sie in einem eigens hierfür eingerichteten Videoraum rund um die Uhr kontrolliert, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr.
Acht neue Mitarbeiter wurden hierfür eingestellt, erklärte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) am Dienstag bei der Präsentation der neuen Anlage. Zu der Investitionssumme von 2,3 Millionen Euro für die leistungsstarken Kameras kämen somit 400 000 Euro Personalkosten jährlich sowie weitere 100 000 Euro jährlich an laufenden Kosten für die benötigten Leitungen zur Datenübertragung.
Die Anlage sei kein Allheilmittel gegen Kriminalität, aber ein wichtiger Baustein im Sicherheitskonzept für den Bahnhof, ordnete Polizeipräsident Lutz Müller die neue Anlage ein. Damit verbunden ist die Hoffnung der Polizei, künftig nicht nur mehr Straftaten aufklären zu können, sondern die eine oder andere Tat bereits in ihrer Entstehung unterbinden zu können. "Wir wollen möglichst viele Bereiche erfassen, damit die Leitzentrale schnell reagieren kann, wenn sich dort etwas aufbaut, wie zum Beispiel Auseinandersetzungen oder Tumulte", erklärte Mäurer. "Unser Ziel ist es, vor die Welle zu kommen."
Signal an Straftäter
Der Hauptbahnhof gilt als Kriminalitätsschwerpunkt. Etwa 2000 bis 2500 Straftaten jährlich werden dort registriert, erläuterte Müller. Dass der Einsatz von rund um die Uhr kontrollierten Videokameras Sinn ergebe, zeigten die Erfolge der Bundespolizei, die im Bahnhof bereits seit zwei Jahren so verfahre.
Gespeichert werden die Aufnahmen 48 Stunden. Dann müssen sie gelöscht werden, sofern sie nicht Beweismaterial zu einer Straftat enthalten. Diese Regelung galt auch schon für das alte System, dies sei einvernehmlich mit dem Datenschutz geklärt, betonte der Polizeipräsident. Zu den datenschutzrechtlichen Vorgaben gehöre außerdem, dass bestimmte private Bereiche, wie etwa die Außengastronomie oder die Hotelfenster am Bahnhof mit grauen Balken versehen werden. Dies sei über die Software der Kameras so eingestellt, dass die privaten Zonen schon in der Kamera geschwärzt würden. "Die Polizei hat darauf keinen Zugriff." Ebenfalls geregelt sei das Verfahren bei Versammlungen und Demonstrationen vor dem Bahnhof. Die Bilder ließen sich auf Knopfdruck verpixeln oder die Kameras würden einfach ausgestellt.
"Wir signalisieren den Straftätern, auch den potenziellen, dass der Bahnhof kein rechtsfreier Raum ist", erklärte Innensenator Mäurer die Grundphilosophie des Sicherheitskonzeptes. "Und der Bürger hat die Sicherheit, dass er, selbst spät nachts, gesehen wird und Hilfe bekommt, wenn er sie braucht." Bis hin zum Service der selbstgewollten Videoüberwachung. Deren drei Rufsäulen, die im Bereich der Haltebereiche der Straßenbahnen stehen sollen, werden allerdings erst im Sommer installiert.
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