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Annika Bondzio jobbt bei der BSAG Aushilfsjob: Straßenbahnfahrerin

Vorlesungen besuchen und in der freien Zeit Tram fahren: In Bremen steuern auch Studierende die Straßenbahn. Der Nebenjob bietet flexible Arbeitszeiten und aufregende Momente.
19.08.2021, 16:48 Uhr
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Aushilfsjob: Straßenbahnfahrerin
Von Hannah Krug

Die Lieblingsstraßenbahn von Annika Bondzio ist die Bombardier Flexity Classic, Typ-Bezeichnung GT8N-1. "Die ist breit, lässt sich am schönsten fahren und ich habe einen guten Überblick auf die Straße." Und den braucht die 22-jährige Studentin auch, denn sie ist Fahrerin bei der Bremer Straßenbahn AG (BSAG). Seit März dieses Jahres sitzt sie hinter den Schalthebeln der rund 35 Meter langen Straßenbahnen. Das Besondere: Bondzio ist eine von ein paar dutzend Studierenden, die in Bremen im Nebenjob Tram fährt.

Aushilfsjobs während des Studiums hat die 22-Jährige schon einige ausprobiert. "Mit keinem Job war ich wirklich zufrieden." Der entscheidende Tipp kam dann von ihrem Vater, der schon länger für die BSAG arbeitet. "Er hat mir erzählt, dass Studenten Tram fahren können. Da war ich erst einmal irritiert, aber dann habe ich mich einfach initiativ beworben und es hat geklappt", sagt die Studentin im dritten Semester. 

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Bondzio studiert Elementarmathematik und Geschichte auf Lehramt. "Wir haben viele unterschiedliche Studenten bei uns", berichtet Brian Meyerdierks, der als Fahrlehrer arbeitet, als sogenannter BO-Strab-Ausbilder. "Viele studieren Maschinenbau, manche aber auch auf Lehramt. Einmal hatte ich jemanden, der Mandarin studiert und auch gesprochen hat."

Sechs bis sieben Wochen dauert es, damit die Studenten und Studentinnen fit sind für die Gleise. Denn neben dem Straßenbahnfahren muss auch die Theorie gepaukt werden. "Weichen, Oberleitung, Unfallschwerpunkte und -situationen sowie Fahrzeugkunde, zur Ausbildung gehört viel", erläutert Meyerdierks. Sind die Theorieprüfung und Prüfungsfahrt bestanden, folgen Fahrten mit erfahrenen Kollegen und eine Tarif- und Dienstplanschulung. Erst dann dürfen die Aushilfsfahrer mit den Streckenlernfahrern los. Gezahlt wird nach Tarif.

Studentin Bondzio hat erlebt, wie brenzlig das Fahren einer Straßenbahn sein kann. Eine Situation in der Fahrschule ist ihr besonders in Erinnerung geblieben. "Ich bin mit der Straßenbahn langsam ins Viertel gefahren, weil mir eine andere Bahn entgegenkam. Als ich mitten in der Kurve war, zog auf einmal ein Rollerfahrer hinter der anderen Bahn vorbei!" Und dann? "Klingeln, bremsen und hoffen, dass alles gut geht. Mehr, als alle Bremsen geben, können wir nicht!" In der Fahrschule sei das defensive Fahren deshalb ein besonderer Schwerpunkt, bestätigt auch Fahrlehrer Meyerdierks.

Bondzio fährt am liebsten die Linie 4, von Arsten nach Lilienthal. Die etwa einstündige Fahrt ist abwechslungsreich. "Von Arsten geht es in die Innenstadt und am Hauptbahnhof vorbei. In Lilienthal wird es dann ländlich und entspannt." Aber auch die etwas kürzere Linie 6 hat sie für sich entdeckt. "Da kann man abends den Flugzeugen beim Abheben zusehen", verrät die 22-Jährige. Etwas wilder wird es schon mal nach den Werder-Heimspielen. 250 Gäste seien es wohl gewesen, die nach dem Spiel am vergangenen Wochenende in der Linie 3 zusammen rücken mussten. "Ich habe schon nicht mehr das Hinterteil der Straßenbahn durch den Spiegel gesehen", sagt Bondzio.

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Manchmal ist die Studentin auch nachts unterwegs, dann fahren Bahnen nur im 30 bis 60 Minuten-Takt. Mit der Folge, dass sie an Bahnhöfen wie in Mahndorf, die außerhalb der Stadt liegen, längere Zeit warten muss. "Ich fühle mich relativ sicher in der Kabine. Die Tür kann ich abschließen. Ich sitze halt allein im Dunkeln, das ist ein bisschen gruselig", sagt Bondzio. Sie habe aber jederzeit Kontakt zur Leitstelle, da könne sie immer Hilfe anfordern. Die Zeit nutzt sie auch manchmal, um einen Text für die Universität zu lesen.

Das Studium habe in jedem Fall die höchste Priorität. Das kann Fahrlehrer Meyerdierks verstehen. "Ich sag' immer: Das Studium ist nachher das, was wichtig ist." Für ihn sind junge Studierende in zweifacher Hinsicht ein großer Gewinn. Der 29-Jährige genießt diese anderen Eindrücke, die sich nun in seinen Alltag mischen. "Ich bekomme einen ganz anderen Blick dafür, welchen Wert das Studium heute hat und auch wie anstrengend das sein kann." 

Und Meyerdierks kann dank der Flexibilität der Studenten kurzfristig Spät- und Frühschichten vergeben. Umgekehrt schätzt auch Bondzio die flexiblen Arbeitszeiten. "Das ist der beste und entspannteste Nebenjob, den ich je hatte", sagt sie. Wenn sie am Wochenende länger an einer Hausarbeit sitze, könne sie spontan durchgeben, dass sie an diesem Tag nur zwei Stunden arbeiten könne.

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Das Universitätsgebäude musste sie bisher nicht betreten und konnte so auch ihre Online-Vorlesungen flexibel in die Zeit der Fahrschule einbauen. Gelegentlich nimmt sie ihren Laptop mit in die Bahn. Während ihr Kollege fährt, kann sie sich in einem anderen Abteil der Mathe-Vorlesung widmen. 

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