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Die Kiosk-Kolumne Ohne Kaffee geht es nicht

Der erste Tag für den Chefreporter während seiner Zeit im Kiosk in der Bremer Scharnhorststraße. Er ist dort Verkäufer und sammelt Geschichten ein: Stoff für die tägliche Kiosk-Kolumne.
01.11.2021, 16:26 Uhr
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Ohne Kaffee geht es nicht
Von Jürgen Hinrichs

Der erste Tag, das Wetter okay, fängt gut an. Es ist am Nachmittag so ruhig vor der Verkaufsluke, dass Zeit bleibt für die Einweisung. Kioskbetreiber Robert Volk erklärt der neuen Aushilfe, worauf sie achten muss und wie die Abläufe sind. Was zuerst kommt und was danach. Morgens zum Beispiel, wenn der Kiosk kurz vor sieben geöffnet wird. Auch diese Zeit steht dem Reporter bevor, eine Unzeit für Journalisten. Die Frühschicht aber erst später, noch nicht in der ersten Woche, so ist es vereinbart. Langsam ran tasten an die Aufgabe, und das geht am besten in der Schicht von mittags bis abends. "Da ist generell nicht so viel los", sagt Volk.

Seit 18 Jahren schließt Volk jeden Morgen den Kiosk auf. "Das Erste und Wichtigste ist, die Kaffeemaschine anzuschmeißen", betont der Besitzer. Der Kaffee, meistens Melitta, ist sein Elixier, ohne geht es nicht. Er kocht für sich und die Kunden gleich eine ganze Kanne, zweieinhalb Liter: "Ich brühe ihn auf, deshalb ist er so lecker." Wenn das erledigt ist, geht es draußen los: Holzplatten abschrauben, die vor den Fenstern hängen, und sie sicher verstauen. Zeitungen und Zeitschriften aus der Holzkiste holen, die neben dem Kiosk steht; der Lieferant war längst da und hat frische Ware gebracht. Ständer aufhängen und sie mit der Presse versorgen. Werbeschilder an die Straße stellen. Und das war es dann. Fertig. Volk grinst: "Ein Fitnessstudio brauche ich nicht."

Der allerletzte Akt sind die Schokoküsse. Volk räumt sie in die Luke, auf den prominentesten Platz, den er hat. Eine süße Verlockung. Nur muss jetzt eben alles, was die Kunden bestellen, über ein Hindernis hinweg gereicht werden. Die Zeitschrift, Süßigkeiten, der Kaffee, das Bier. Unpraktisch, findet die neue Aushilfe. Aber was soll sie machen? Volk ist der Boss – "Big Boss" steht auf seinem Kaffeebecher, der so groß ist, so big, dass ein halber Liter hineinpasst, vielleicht sogar mehr.

Die Eistruhe drinnen ist nur im Sommer gefüllt, kann bei der Einweisung also übergangen werden. Es gibt eine Mikrowelle fürs Mittagessen, wenn Volk oder seine Aushilfen sich eines zubereiten. Das ist schon mal gut, noch besser aber ist der Ofen, ein ziemlich großes Ding, das mit Gas betrieben wird und dem Verkäufer an der Luke den Rücken wärmt. Zwölf Grad sind es an diesem Tag, maximal, und es wird in den nächsten vier Wochen sicher noch kälter. Bei solchen Aussichten beruhigt ungemein, dass der Ofen ordentlich bullert, wenn er soll.

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Die Kasse, auch das muss man wissen, bleibt immer offen. "Damit jeder sieht, dass nichts drin ist", flachst Volk. Nichts ist das natürlich nicht, was drin ist, aber so wenig, dass niemand großartig Beute machen kann. Viermal ist bei Volk eingebrochen worden, seitdem er den Kiosk betreibt. Die Zigaretten verkauft er darum mittlerweile neben dem Kiosk am Automaten. Überfallen worden ist er noch nie. Das hört der neue Kollege gern.

Info

Vier Wochen lang, den ganzen November, arbeitet WK-Chefreporter Jürgen Hinrichs als Verkäufer im Kiosk in der Scharnhorststraße. Von dort schreibt er seine Geschichten.

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