Neun Monate nachdem Kerim Ucar im Klinikum Bremen-Mitte bei einer Operation eine Niere statt der Milz entfernt wurde, mahnt der Rechtsanwalt der Familie ein Gutachten der Staatsanwaltschaft an. Wie berichtet, war das Gutachten im April bei einem Sachverständigen in München in Auftrag gegeben worden. Er sollte eine fachliche Expertise dazu abgeben, ob der Operateur bei der Entnahme des Organs einen Fehler gemacht hat - und ob damit eine fahrlässige Körperverletzung vorliegt. "Die Bremer Staatsanwaltschaft hatte dem Gutachter eine Frist bis Mitte Juni gesetzt", sagt der Marburger Fachanwalt für Medizinrecht, Hans-Berndt Ziegler, dem WESER-KURIER auf Nachfrage.
Ob das Gutachten inzwischen vorliegt, dazu konnte der Sprecher der Staatswaltschaft, Frank Passade, keine Auskunft geben. Er geht davon aus, dass es Anfang kommender Woche einen aktuellen Stand zu dem Bericht gibt. "Wenn das Gutachten vorliegt, werden wir die Ergebnisse des Sachverständigen zu bewerten haben", so Passade. Dass ein Gutachten in Auftrag gegeben wurde, sei nicht ungewöhnlich. "Bei solchen Fällen, in denen es um medizinische Sachverhalte geht, ist das üblich." Der Anwalt der Familie Ucar hat parallel dazu ein eigenes Gutachten bei der Krankenkasse des 19-Jährigen in Auftrag gegeben und erneut Akteneinsicht verlangt, wie er betont.
Der Fall des 19-Jährigen hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt: Am 5. Oktober vergangenen Jahres war der Bremer im Klinikum Mitte operiert worden. Die Milz sollte wegen einer Vorerkrankung entfernt werden – stattdessen wurde aber eine Niere herausoperiert. Erst einen Tag nach dem Eingriff soll sich in der Pathologie herausgestellt haben, dass es sich um das falsche Organ handelte.
Der Rechtsanwalt ist überzeugt, dass es sich um einen klaren Fehler des Operateurs handelt. Der Arzt soll während des Eingriffs telefoniert haben, weil er unsicher gewesen sein soll, ob es sich um das richtige Organ handelt. Trotz dieser Unsicherheit habe der Chirurg das Organ – und zwar eine Niere – entfernt. "Das ist absolut nicht nachvollziehbar. Aus meiner Sicht operiert man dann nicht, zumal es sich nicht um einen Notfall handelte. Das war ein geplanter Eingriff. Wenn der Arzt nicht sicher war, hätte er eine bildgebende Untersuchung machen müssen", hatte der Anwalt im April betont. Die Strategie der Verteidigung sei, dass die Milz wegen vorheriger Operationen verändert war. Das zieht Ziegler in Zweifel: Die Milz habe nur zwei Zugänge, die Niere dagegen vier, die bei einer Entnahme des Organs jeweils durchtrennt werden müssten.