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Garten Obdach für Wespen

Platklattschen oder panisch Wegrennen – So sehen unüberlegte Reaktionen auf Wespen aus. Die Krajczyks aus Oberneuland haben sich für einen toleranteren Umgang entschieden, aus gutem Grund.
21.07.2018, 14:20 Uhr
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Von Jörn Hildebrandt

Oberneuland. Im Gartenhaus von Familie Krajczyk in der Ehmckstraße hängt eine hellgraue Halbkugel von der Größe eines Fußballs. Zahllose Wespen krabbeln durch Einschlupflöcher ins Innere, sie schaffen fleißig Nahrung für die Larven heran, die in einem kunstvollen Kammersystem aus mehreren Tausend Waben heranwachsen. Doch die Arbeiterinnen, die sich um den Wespennachwuchs kümmern, müssen dazu ein- und ausfliegen.

„Weil wir öfter Besuch bekommen, wollten wir das Nest eigentlich entfernen lassen und haben einen Imker gefragt, was wir tun sollen“, sagt Sylvia Krajczyk, „doch der hat uns geraten, das Nest an Ort und Stelle zu belassen.“ Wenn man sich nicht in unmittelbarer Nähe aufhält, geht von den Insekten keinerlei Gefahr aus, und auch die Nachbarn haben sich bisher nicht beschwert. „Ich bin allerdings einmal gestochen worden, als ich in der Einflugschneise zum Nest stand“, sagt die 17-jährige Tochter Lisa. Man soll sich also hüten, dem Nest zu nahe zu kommen: Eine große Gestalt in Form eines Menschen wird von Wespen meist als „Feind“ gedeutet, sie schütten ein Alarm-Pheromon aus und können geschlossen zum Angriff übergehen.

Da Lisa in der Schule Biologie als Leistungskurs belegt, hat sie sich gründlich über Wespen informiert: Sie weiß, dass sie völlig harmlos sind, wenn man sich ruhig verhält und sie nur aggressiv werden, wenn man nach ihnen schlägt. Am Anfang hatte das Nest etwa die Größe einer Grapefruit, doch dann wuchs es und wuchs es. Wespen zimmern ihr Nest aus morschem Holz, das sie mit ihrem Speichel zu einer papierartigen Substanz verdauen und kunstvolle Waben in bis zu zwölf Etagen in absoluter Präzision anlegen – Raum für mehrere Tausend Tiere. In jede Wabe legt die Königin ein Ei.

Doch die Tür zum Gartenhaus steht fast nie offen – wie sind die Wespen überhaupt hineingekommen? „Das Häuschen ist nicht ganz dicht, es gibt zahlreiche Lücken, durch die schlanke Tiere wie Wespen leicht schlüpfen können“, sagt Lisa Krajczyk. Und in der baumreichen Umgebung in der Ehmckstraße finden die Wespen genügend Material, um sich ein Nest zu bauen.

Vorn am Kopf tragen die Wespen eine Art gelben Schild aus hartem Chitin. Die schwarze Zeichnung darauf in der Form eines umgedrehten Hammers weist die Tiere im Gartenhaus von Familie Krajczyk als Gemeine Wespe aus, die häufigste Art, die in der Wahl ihres Neststandorts nicht anspruchsvoll ist: Sie siedelt in den Löchern von Mäusen oder Maulwürfen, unter Dächern, in Zwischenräumen in Gebäuden, kann ihr Nest aber zum Beispiel auch in einem Kleiderschrank anlegen, der selten benutzt wird.

Wenn die Königin im April einen Neststandort gefunden hat und die Arbeiterinnen geschlüpft sind, haben diese unfruchtbaren Weibchen nichts Eiligeres zu tun, als auf Nahrungssuche zu gehen: Doch außer dem Säften an Bäumen oder Obst in der Natur fliegen sie auch Marmeladenbrot oder Süßspeisen an, und kommen, angelockt vom Geruch, gern als ungebetene Frühstücksgäste an den Tisch. Diese Vorliebe für zuckerhaltige Nahrung ist vorbei, wenn im Nest die nächste Generation von Larven da sind: Sie werden mit Fleisch gefüttert, vorzugsweise von anderen Insekten, die von den Arbeiterinnen zu Brei zerkaut werden. Weil Wespen dabei auch große Mengen von „Schädlingen“ wie Stubenfliegen oder Schnaken vertilgen, sind sie für den Menschen außerordentlich nützlich.

Mittels Pheromonen kann die Königin bestimmen, ob aus den Eiern fruchtbare oder unfruchtbare Weibchen oder auch Männchen werden, die sogenannten Drohnen. Im Herbst kommt es zum kurzzeitigen Geschäft der Kopulation, aus der die Königinnen der nächsten Generation hervorgehen. Diese Jungköniginnen überwintern und gründen im nächsten Jahr einen neuen Wespenstaat.

Doch soweit ist es derzeit noch nicht, noch herrscht im Wespenvolk Hochsaison. Der warme Sommer wird auch spätestens im August reichlich Wespen bescheren, die manchem im Garten oder im Esszimmer lästig werden. Wer jedoch wie Familie Krajczyk ruhig bleibt und nicht nach ihnen schlägt, kann mit Wespen in friedlicher Nachbarschaft leben.

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