Wohin mit den E-Scootern? Seit knapp vier Jahren sind die Verleihunternehmen in Bremen aktiv – erst Tier und Volt, mittlerweile Lime und Bolt. Beinahe vom ersten Tag an gab es Beschwerden, dass die Roller oft im Weg herumstünden. Ein blinder Bremer verletzte sich bei einem Sturz über zwei E-Scooter und verklagte anschließend erfolglos den Verleiher. Auch den WESER-KURIER erreichen regelmäßig Zuschriften, in denen sich Anwohner und Passanten über falsch geparkte Roller beschweren.
Viele andere Großstädte haben wegen ähnlicher Probleme neue Regeln geschaffen. Zumindest in den zentralen Stadtteilen dürfen die Roller dort nur noch auf speziell markierten Abstellflächen geparkt werden – so zum Beispiel in Braunschweig, München, Berlin und Frankfurt. Eine gute Idee sei das, war auch in Bremen immer mal wieder zu hören – konkreter wurde es bislang nicht. Zunächst einmal testweise soll sich das nun ändern. Die Innenbehörde und das Verkehrsressort planen laut eigenen Angaben ein Pilotprojekt in der Neustadt. In einem Quartier, das noch nicht näher benannt ist, sollen Abstellflächen für E-Scooter ausgewiesen werden. Um wie viele Flächen es geht und wann die Testphase starten soll, bleibt vorerst offen.
Unklar ist auch, welchen Erkenntnisgewinn sich die Verantwortlichen von dem Versuch erhoffen. Der Grünen-Verkehrspolitiker Ralph Saxe ist skeptisch. Er erinnert daran, dass man ja eigentlich wegwolle von den Verkehrsversuchen. "Das ist auch nichts, was wir großartig ausprobieren müssen", sagt Saxe. Er plädiert für eine schnelle Umsetzung. Das Problem sei offensichtlich, die Lösung mit den separaten Abstellflächen in anderen Städten erprobt. So, wie es jetzt sei, könne es nicht bleiben. Seiner Ansicht nach hat sich das Problem der falsch abgestellten Scooter mit dem Anbieterwechsel im Mai eher vergrößert als verkleinert. Bei der Lizenzvergabe hatte die Innenbehörde nachgeschärft: Lime und Bolt sind verpflichtet, eine Art Ordnungsdienst aufzustellen. Die Patrouille soll dafür sorgen, dass falsch geparkte Roller zeitnah entfernt werden.
Beide Anbieter hätten mittlerweile eine solche Patrouille, erklärt Karen Stroink, Sprecherin der Innenbehörde. Die Mitarbeiter sorgten dafür, "dass falsch geparkte E-Scooter umgehend ordnungsgemäß geparkt werden", teilt Lime mit. Zudem verweist das Unternehmen auf die Möglichkeit, falsch abgestellte Fahrzeuge über die Webseite www.scooter-melder.de zu melden. Für Saxe reicht das nicht aus. Mitunter blockierten die Anbieter selbst beim Abstellen der Roller die Fußwege. Der Bürgerschaftsabgeordnete sieht die Schuld aber nur zum Teil bei den Verleihern und den Nutzern. Es sei an vielen Stellen schlichtweg nicht möglich, die E-Scooter ordnungsgemäß abzustellen. Die Gehwege seien oft zu schmal, um die vorgeschriebene Restwegbreite von 1,8 Meter einzuhalten, so Saxe.
Pkw-Parkplätze könnten wegfallen
Klar ist, dass für separate Abstellflächen Platz geschaffen werden müsste – Platz, der im städtischen Raum knapp ist. Die Roller-Parkplätze dürfen nicht zu weit auseinanderliegen, da wohl kaum ein Nutzer zuerst auf den E-Scooter steigen wird, um danach noch einen weiteren Kilometer zu Fuß zu gehen. Alle 300 Meter bräuchte es eine solche Fläche, schätzt Saxe. Für ihn steht fest: Der Platz dürfe keinesfalls von Grünflächen oder Fußwegen abgeknapst werden. Ins Visier nimmt er Parkplätze, wie es auch die Stadt Augsburg getan hat: Für 29 Roller-Abstellflächen mussten dort vor einigen Monaten 23 Parkplätze weichen.
Der Anbieter Lime plädiert ebenfalls dafür, Parkplätze umzuwidmen. 15 E-Scooter passten auf einen Pkw-Parkplatz, rechnet ein Firmensprecher vor. In München und Düsseldorf habe man gute Erfahrungen mit der Umwidmung gemacht. Für eine verpflichtende Nutzung von Abstellflächen spricht sich Lime aus, sofern diese "etwa alle 100 bis 150 Meter zur Verfügung stehen". Das Unternehmen schlägt eine Kombination aus festen Abstellflächen in stark frequentierten Innenstadtbereichen und dem stationslosen Parken in Außenbezirken vor. Bolt, das zweite in Bremen tätige Verleihunternehmen, ließ eine Anfrage zu dem Thema unbeantwortet.
Für feste und kontrastreich markierte Abstellflächen setzt sich der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) ein. Nach mehreren Unfällen mit E-Scootern hatte der DBSV die Stadt Münster verklagt und teilweise Recht bekommen: Die Stadt müsse für mehr Sicherheit auf den Gehwegen sorgen, so da Urteil im vergangenen Jahr. Die Free-Floating-Praxis, also das weitgehend beliebige Abstellen der Roller, wurde nicht untersagt. In Bremen wird das Pilotprojekt nach Auskunft der Innenbehörde auch mit dem Landesbehindertenbeauftragten abgestimmt. Saxe hofft, dass es nicht bei einem Test bleibt. Weil die Roller in einem modernen Mobilitätskonzept ihre Berechtigung hätten, brauche man eine Lösung. Sein Appell: "Wir müssen die E-Scooter zähmen, nicht abschaffen."