Für reichlich Frust sorgen neue Schmierereien auf dem "Arisierungsmahnmal" an der Wilhelm-Kaisen-Brücke. Erst vor etwas mehr als 14 Tagen hatte die Kulturbehörde zwei Graffiti entfernen lassen. Doch kaum ist die Arbeit getan, verunstaltet schon wieder ein neuer Schriftzug die Gedenkstätte zur Erinnerung an die Ausplünderung europäischer Juden zuzeiten des NS-Regimes. Als "sehr ärgerlich" bezeichnet Werner Wick die erneute Schmiererei. Der fehlende Respekt dem Mahnmal gegenüber sei "einfach nur erschreckend", sagt der Sprecher des Kulturressorts. Was ebenfalls Irritationen hervorruft: Acht Monate nach der feierlichen Einweihung im September 2023 lassen die angekündigten Infotafeln noch immer auf sich warten.
Nicht nur das Mahnmal zieht Sprayer an, auch die angrenzenden Mauern bieten keinen schönen Anblick. Den Treppenaufgang zur Tiefer säumen großflächige Schmierereien, unter der Brücke und die gesamte Schlachte bis zur Martini-Kirche sieht es trotz gelegentlicher Reinigungsaktionen nicht viel besser aus. Der Initiator des Mahnmals, Henning Bleyl, räumt ein, dass die Mauerflächen zur Graffiti-Bemalung geradezu animieren. Den Standort stellt er nicht infrage, konzeptionell habe das Mahnmal nur an der Ufermauer umgesetzt werden können. Allerdings weist er auf ein probates Gegenmittel hin. Nach seiner Überzeugung lassen sich die Schmierereien verhindern oder zumindest reduzieren, wenn das Mahnmal endlich per Texttafel als solches erkennbar ist. "Jedes Graffito ist ein weiterer Hinweis auf das Fehlen der Texttafeln." Nach ihrer Befestigung könne es zwar "immer noch politisch rechts motivierte Schmierereien geben, aber das werden erheblich weniger sein".
Weniger zuversichtlich ist Wick. Man dürfe gespannt sein, ob die Tafeln der Plage ein Ende bereiten. "Ich bin da eher skeptisch", sagt der Ressortsprecher. Das Problem seien Menschen aus der Szene, die sich am Mahnmal oder anderen Objekten verewigen wollten. Solange das so sei, bleibe der Kulturverwaltung nur, die Schmierereien sach- und fachgerecht wieder entfernen zu lassen. Wobei man sich laut Wick darauf verlassen kann, dass seine Behörde stets über den aktuellen Zustand des Mahnmals orientiert ist. "Das Mahnmal wird nahezu täglich einmal in Augenschein genommen." Schon allein weil es an so exponierter Lage realisiert wurde, kämen viele Beschäftigte seiner Behörde am Standort vorbei. Zudem sei das Mahnmal wegen der großen öffentlichen Anteilnahme ohnehin im Fokus der zuständigen Kollegen.

Auch das Umfeld des ”Arisierungsmahnmals” bietet keinen schönen Anblick: hier die Treppenaufgang zur Tiefer.
Was die Infotafeln angeht, ist Wick zufolge ein Ende der langen Wartezeit absehbar. Die Tafeln – eine am oberen Sichtfenster und eine weitere unten direkt am Mahnmal – sollen nach seiner Angabe "jetzt bald gefertigt und angebracht werden". Allerdings habe die Jüdische Gemeinde noch Gesprächsbedarf angemeldet. Deshalb sei ein Termin mit den Beteiligten für Anfang Juni verabredet worden. In diesem Gespräch werde es um einen Textvorschlag gehen, der in einem von der Landeszentrale für politische Bildung moderierten Verfahren mit mehreren Experten entstanden sei. Nähere Auskünfte zur strittigen Textpassage will Wick nicht geben. Nach erzielter Einigung soll der Text in der Kulturdeputation vorgestellt werden. Zurückhaltend äußert sich Grigori Pantijelew, stellvertretender Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde. Es sei "nach wie vor sehr schwierig", einen gemeinsamen Nenner bei der Darstellung der historischen Hintergründe zu finden.
Das Graffiti-Problem ist der Kulturbehörde von Anfang an bewusst gewesen. Im Februar antwortete die Behörde dem Bürgerschaftsabgeordneten Claas Rohmeyer (CDU), dieser Vandalismus lasse sich "nicht wirkungsvoll verhindern". Wie berichtet, wurden die Wandflächen des Mahnmals deswegen mit einem Schutzanstrich versehen. Der Haken an der Sache: "Dieser Schutzanstrich muss jedoch nach jedem Entfernen wieder neu aufgetragen werden, da er mit abgewaschen wird." Erklärtes Ziel der Behörde ist, neue Graffiti am Mahnmal möglichst rasch zu entfernen. Das gelte insbesondere bei "politisch diskreditierenden Botschaften" – womit antisemitische Bekundungen gemeint sein dürften. "Diese werden, sobald Kenntnis darüber vorliegt, sofort entfernt."

Ein altes Problem: mittlerweile entfernte Schmierereien auf dem ”Arisierungsmahnmal” Ende April.
Ob beide Infotexte tatsächlich auf Tafeln zu lesen sein werden, ist unterdessen noch nicht abschließend geklärt. Die Behörde favorisiert im unteren Bereich eine Stele. Laut Wick zieht die Mahnmalsinitiative aber Tafeln vor. "Darüber werden wir uns gemeinsam ins Benehmen setzen", sagt Wick. Dagegen seien die Probleme mit eindringendem Wasser endgültig behoben. Die Nachbesserungen haben der Behörde zufolge keine Mehrkosten verursacht. Im Gegenteil, das kalkulierte Budget sei um rund 20.000 Euro unterschritten worden. Insgesamt belaufen sich die Baukosten für das Mahnmal nach Behördenangabe auf 550.000 Euro.