Wer dieser Tage am "Arisierungsmahnmal" an der Wilhelm-Kaisen-Brücke vorbeigegangen ist, dürfte ein wenig ins Staunen gekommen sein. An der treppenzugewandten Seite des Mahnmals stand eine reichlich deplatziert wirkende, am Treppengeländer angekettete Mülltonne. Alles andere als vorteilhaft auch der Eindruck im oberen Bereich des Mahnmals an der Tiefer. Das in den Boden eingelassene Sichtfenster ist durch einen Bauzaun abgesperrt. Bei genauerem Hinsehen kann man den Grund dafür erkennen. Offenbar wurde das Glas mutwillig beschädigt, vorne befinden sich zwei Löcher, die Risse ziehen sich über einen Teil der Fläche hin. Einiges Rätselraten gab auch ein kleiner Bilderrahmen auf dem vorderen Fenstersims des Mahnmals auf.

Nach Beschädigung abgesperrt: das obere Sichtfenster des ”Arisierungsmahnmals”.
Das Geheimnis der Mülltonne lässt sich relativ schnell lüften. Entlang der Schlachte und auf der Uferpromenade sind etliche von ihnen platziert. Ein Aufdruck besagt, es handele sich um Veranstaltungstonnen. Aufgestellt wurden die Tonnen von der Abfalllogistik Bremen, einer öffentlich-privaten Gesellschaft, die sich seit 2023 um die Straßenreinigung in der Stadt kümmert. Jedes Jahr werden von Ostern bis etwa Oktober entlang der Schlachte zwölf bis 20 zusätzliche Abfallbehälter aufgestellt, sagt die Sprecherin der Bremer Stadtreinigung, Ramona Alberts. Der Grund: "Indem wir auf ein erhöhtes Aufkommen von Laufpublikum in dieser Zeit reagieren, erhalten wir die Stadtsauberkeit in dem Bereich."
Dass dabei eine Tonne direkt am Mahnmal befestigt wurde, hatte allem Anschein nach mit mangelnder Sensibilität für den Standort zu tun. Aufgrund der Nachfrage des WESER-KURIER ließ die Stadtreinigung das Corpus Delicti am Dienstag entfernen und woanders aufstellen.
Wann genau das Deckenfenster beschädigt wurde, lässt sich nicht feststellen. Die Kulturbehörde hat nach Angabe ihres Sprechers Jens Tittmann Anzeige erstattet. Kaum weniger Fragen warf der Bilderrahmen auf. Der kurze, handschriftliche Text las sich wie eine Grabinschrift. Gewidmet waren die Zeilen einem gewissen, der Angabe nach jung verstorbenen Marcel, seine Lebensdaten waren ebenso angegeben wie die Vornamen zweier Trauernder. Warum aber wurde dieser Bilderrahmen ausgerechnet am Mahnmal platziert? Merkwürdig auch, dass der Bilderrahmen erst jetzt, nach knapp zwei Monaten, entfernt wurde.
Eingeweiht wurde das Arisierungsmahnmal im Herbst 2023. Es soll an die Ausplünderung deutscher und europäischer Juden und die Beteiligung Bremer Logistikunternehmen im Zweiten Weltkrieg erinnern. Bundesweit ist das Bremer Mahnmal das einzige seiner Art. Seit seiner Einweihung wurde das Mahnmal zweimal mit Schmierereien verunziert. Von der Stadt wurden sie relativ schnell wieder entfernt. Seither blieb das Mahnmal von Graffiti verschont. Anders verhält es sich mit den angrenzenden Wänden und dem Treppenaufgang. Immer wieder werden diese Flächen mit teils großflächigen Schmierereien bedacht.