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Bremer Haushalt Sozialausgaben steigen rasant an

Die Entwicklung der Sozialausgaben kennt in Bremen weiter nur eine Richtung: nach oben. Der Anteil am Gesamthaushalt nimmt weiter zu. Besonders auf einem Gebiet gab es in den vergangenen Jahren große Sprünge.
21.10.2024, 05:42 Uhr
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Sozialausgaben steigen rasant an
Von Jürgen Theiner

Die Sozialausgaben werden zu einer immer größeren Belastung für die bremischen Finanzen. Nur mit Mühe wird es in diesem Jahr gelingen, die Löcher zu stopfen, die die stetig steigenden Kosten in die Haushalte von Stadt und Land Bremen reißen. Das Problem überschattet auch die Aufstellung des Etats für 2025, der voraussichtlich im Dezember von der Bürgerschaft beschlossen werden soll.

Das überproportionale Wachstum des Sozialbudgets ist kein spezielles Bremer Problem. Die Statistiken für Bund und Länder wiesen in den vergangenen Jahren meist Steigerungsraten zwischen drei und sechs Prozent pro Jahr aus, in einzelnen Jahren auch deutlich darüber. Die Stadt Bremen wird 2024 fast 1,3 Milliarden Euro für Soziales ausgeben. 2004 kam man noch mit einer halben Milliarde aus.

Die Gründe für diese Enwicklung sind vielfältig. So baute Bremen ab 2006 – nach dem tragischen Tod des Kleinkinds Kevin – die ambulanten und stationären Erziehungshilfen deutlich aus. 2015/16 und erneut seit 2022 als Folge des Ukraine-Kriegs kamen viele Flüchtlinge nach Bremen, was sich bei den Unterhalts- und Betreuungskosten besonders bemerkbar macht. Das gilt vor allem für unbegleitete minderjährige Ausländer.

Es gibt aber noch eine ganze Reihe weiterer Kostentreiber. Exorbitant gestiegen sind beispielsweise die Ausgaben für Schulbegleitungen. Dabei geht es um Kinder, die unter psychischen Beeinträchtigungen leiden und deshalb Leistungen der Eingliederungshilfe in der Schule beanspruchen können. Vor zehn Jahren gab es im gesamten Stadtgebiet 13 Fälle, in denen das Jugendamt für solche Kinder Assistenzkräfte einstellte und bezahlte. Inzwischen sind 517 solcher Kräfte im Einsatz. Deutliche Mehrkosten registriert die Sozialbehörde auch bei Unterhaltsvorschüssen für Alleinerziehende, deren frühere Partner ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen. Probleme bereiten zudem die Hilfen zur Pflege. Hintergrund hier: Die Kosten für die stationäre Altenpflege sind in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Bei immer weniger Senioren reicht die Rente für den Heimplatz. Am Ende muss die Behörde aushelfen.

Unterm Strich werden diese und andere negative Entwicklungen den Rahmen des Sozialbudgets, das im städtischen Haushalt für 2024 eingeplant war, am Jahresende deutlich übersteigen. Vorgesehen waren 1,09 Milliarden Euro. Voraussichtlich werden es brutto rund 200 Millionen Euro mehr. Einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag wird Sozialsenatorin Claudia Schilling (SPD) vor allem durch Erstattungen des Bundes wieder hereinbekommen. Auf dem Rest bleibt sie sitzen.

All die beschriebenen Negativtrends enden natürlich nicht am 31. Dezember. Sie belasten absehbar auch den von der Bürgerschaft noch zu beschließenden Haushalt 2025. Finanzsenator Björn Fecker (Grüne) setzt deshalb zum einen auf Mehreinnahmen, nämlich auf das sogenannte Zensus-Geld. Eine aktualisierte bundesweite Erhebung der Einwohnerzahlen hatte für Bremen Zuwächse und damit auch höhere Ansprüche aus dem bundesstaatlichen Finanzausgleich ergeben. Etwa 167 Millionen Euro mehr soll Bremen jährlich erhalten. Fecker rechnet für 2025 mit einer ersten Zahlung. Eine belastbare Zusicherung aus Berlin hat er jedoch nicht.

Zum anderen will der Senat den Sozialhaushalt auf Einsparmöglichkeiten abklopfen. Dieses Versprechen hat er im September gegenüber dem Stabilitätsrat von Bund und Ländern abgegeben. Es geht um die Absenkung von Standards und Reduzierung ausgewählter Leistungen. Außerdem soll die Kosteneffizienz der freien Träger, die im Auftrag und auf Rechnung der Stadt Sozialprojekte betreiben, genauer unter die Lupe genommen werden.

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Politische Insider bezweifeln allerdings, dass dabei allzu viel herauskommt. Die SPD-nahe Trägerszene hat es bisher noch immer verstanden, solche Vorstöße abzublocken. Und auch Senatorin Schilling dämpft schon mal die Erwartungen an eine Trendwende bei den Sozialausgaben. Die Gesetzeslage auf diesem Gebiet gestalte "fast durchweg der Bund", sagt die Sozialdemokratin. "Der Großteil der Ausgaben lässt sich durch uns auf Landesebene kaum oder gar nicht gestalten."

Da, wo Bremen freiwillig mehr Geld ausgibt als andere Bundesländer, gebe es gute Gründe. Bei der offenen Jugendarbeit beispielsweise. Schilling: "Pro Jugendeinwohner geben wir mehr aus als alle anderen Länder. Aber angesichts der hohen Kinderarmut halten wir das auch für richtig. Wir wollen also in einen ernsthaften Prozess eintreten, und dabei nicht das Kind mit dem Bade ausschütten."

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