Es gab für die arg gebeutelte Bremer Innenstadt in letzter Zeit ein paar gute Nachrichten. Die Glocke soll aus Bundesmitteln für viele Millionen Euro einen weiteren Saal bekommen und sich stärker öffnen – mit seinem Programm, aber auch mit dem Gebäude und dem Platz davor. Das wird zwar nicht von heute auf morgen klappen und kollidiert mutmaßlich mit Hindernissen wie dem Denkmalschutz und der Verkehrsplanung auf der Domsheide. Zunächst darf man sich aber freuen. Wenn es gelingen sollte, wäre das ein wichtiger Impuls.
Mit dem geplanten Stadtmusikantenhaus am Marktplatz könnte ebenfalls mehr Leben in die Bude kommen. Bremen will stärker als bisher von der weltweiten Strahlkraft des Grimm-Märchens profitieren. Das ist in der Vergangenheit mit allerlei anderen Ideen bereits versucht worden, scheint jetzt aber ein solides Fundament zu bekommen. Der Mix aus Bildung und Unterhaltung dürfte ein weiterer Magnet für Touristen sein, falls sie eines Tages nicht mehr nur vereinzelt, sondern wieder in Massen kommen.
Die Kosten für Glocke und Stadtmusikantenhaus, das ist der Pferdefuß, muss Bremen mit eigenen Mittel flankieren. Bei chronisch klammen Kassen ist da viel Fantasie gefragt, denn aus dem 1,2 Milliarden schweren Topf für Sonderausgaben wegen der Corona-Pandemie wird der Senat das Geld schwerlich nehmen können. Dafür fehlt die rechtliche Grundlage.
Doch warum gleich wieder Bedenken tragen? Lösungen lassen sich finden. Bremens Bürgerinnen und Bürger sind ja nicht nur arm, sie sind auch reich, und das gar nicht mal selten. Das Mäzenatentum ist gerade im Kulturbereich gut entwickelt, es gibt also Chancen.
Neuerfindung unrealistisch
Die beiden Projekte kann man nur willkommen heißen, aber helfen sie der Innenstadt entscheidend? Wohl kaum. Nicht das eine, nicht das andere und beide zusammen auch nicht. Aber ist das überhaupt noch die richtige Fragestellung? Muss man sich möglicherweise von der Hoffnung lösen, es könnte einen großen Wurf geben? Das eine Ding, das alles dreht. Die Neuerfindung und Neugeburt. Ist das noch realistisch? Nein, ist es nicht.
Vor gut drei Jahren ging es Schlag auf Schlag. Erstens die Pläne von Christian Jacobs, Spross der Bremer Kaffee-Dynastie, für ein neues Innenstadtquartier, mit dem Jacobs einen „Handlauf zur Weser“ organisieren will. Zweitens das Vorhaben im ehemaligen Lloydhof am anderen Ende der City, wo das „Lebendige Haus“ entstehen soll – eine Mischung aus Hotel, Wohnen, Einzelhandel, Büro und Gastro auf hohem Niveau. Gelungene Beispiele davon gibt es bereits in Leipzig und Dresden. Und drittens schließlich der große Zech-Plan. Tabula rasa dort, wo heute noch das Parkhaus Mitte steht und die Immobilie, in der bis vor Kurzem Galeria Kaufhof untergebracht war. Hinzu kommen sollen Veränderungen im und am Haus von Karstadt.
Zech war so kühn und sagte damals, dass er im Jahr 2021 mit allem fertig sein könnte. Heute sieht es, salopp gesagt, eher nach 2031 aus. Es gab und gibt Widrigkeiten, mit denen der Unternehmer nicht gerechnet hat. Er wird sie an der einen oder anderen Stelle vielleicht schneller beseitigen als erwartet, darauf bauen sollte man aber nicht.
Die Wetten in der Innenstadt gehen so: Bleibt Zech geduldig und zäh? Nimmt er weitere Jahre in Kauf, bis die Arbeiten beginnen? Oder wirft er hin? Der Mann wird nicht jünger, und auch wenn er mittlerweile ein Imperium von Firmen führt – auf ihn allein kommt es an. Dass Zech seit einigen Jahren wieder verstärkt in Bremen baut, ist seine persönliche Entscheidung. Er investiert in seine Heimatstadt.
Es hakt, das steht fest. Auch beim „Lebendigen Haus“, das weniger üppig gebaut wird als geplant. Die Projektgesellschaft hat Probleme, Mieter zu finden. Christian Jacobs beklagt das Gleiche. Und nun auch noch Corona.
Im Ergebnis, die Zech-Pläne eingeschlossen, könnte immer noch vieles gelingen, einiges allerdings auch weniger und manches gar nicht. Und das ist die Lehre aus den vergangenen drei Jahren: Keine Revolution in der Bremer Innenstadt, die fällt aus. Stattdessen Evolution, das ist die Hoffnung.