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Bremer Innenstadt Warum die neue Wallpassage keine zweite Bischofsnadel ist

Vor neun Jahren brannte "Harms am Wall", heute steht dort das "Wallkontor". Herzstück ist die nun eröffnete Wallpassage. Im Gegensatz zur Bischofsnadel ist sie aber nicht immer die perfekte Abkürzung.
06.05.2024, 15:50 Uhr
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Warum die neue Wallpassage keine zweite Bischofsnadel ist
Von Björn Struß
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Dieses schreckliche Ereignis werden die Anlieger des Walls wahrscheinlich nie vergessen: In der Nacht vom 6. auf den 7. Mai brannte 2015 das Textilhaus "Harms am Wall" lichterloh, übrig blieb nur eine Ruine. "Das wirkte fast wie eine Brandwunde in der städtebaulichen Entwicklung", sagte Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) am Montag exakt neun Jahre danach. Das Datum für den symbolischen Akt gemeinsam mit Bauherr Marco Bremermann war wohl gewählt. Gemeinsam eröffneten sie die Wallpassage – eine neue Querverbindung für Fußgänger, die schnell von der Altstadt in die Wallanlagen kommen wollen.

Wie ist die Passage gestaltet?

Der Durchgang ist das Herzstück des neu errichteten "Wallkontors", in das vor etwa einem Jahr die Reederei Orient Overseas Container Line (OOCL) und die Barmer Krankenversicherung eingezogen sind. Vom Wall geht es über Treppenstufen zwölf Meter hinab, geradeaus führt die Museumstraße direkt zum Schüsselkorb. Einen Fahrstuhl, wie ihn die nahe gelegene Bischofsnadel hat, suchen Rollstuhlfahrer oder Menschen mit Rollatoren vergebens. Eine Spur zum Schieben von Fahrrädern gibt es ebenfalls nicht. Die Passage ist zwar öffentlich zugänglich, bleibt aber Teil eines Privatgebäudes. Deshalb gelten für die Barrierefreiheit nicht die Ansprüche, die die Bischofsnadel erfüllen muss.

Der Weg in die Wallpassage hinein und aus ihr heraus führt durch zwei Schiebetüren, die nachts und sonntags geschlossen bleiben. "Die Passage muss gepflegt bleiben, wir reinigen sie dreimal pro Woche", erläuterte Bremermann, Geschäftsführer der Müller & Bremermann GmbH & Co KG. Die Türen nachts zu schließen, mache es leichter, für ein gutes Erscheinungsbild zu sorgen. Wie es einer dauerhaft geöffneten Variante ergehen kann, zeigt sich nahe der Mühle am Wall. Ein Abgang, der vom dortigen Wall zur Ansgaritorswallstraße führt, ist verdreckt und wird von den meisten Fußgängern gemieden.

Was ist von den archäologischen Ausgrabungen zu sehen?

Nach dem Abriss der Brandruine hatten Archäologen 2018 das Fundament der alten Stadtmauer freigelegt. Sie fanden auch die Überreste eines Grubenhauses, das wahrscheinlich um das Jahr 800 errichtet worden war. "Es war wirklich verblüffend, dort etwas aus der Zeit von Karl dem Großen zu finden", schilderte Dieter Bischop von der Landesarchäologie Bremen. Unter dem alten Fundament seien zudem die Mauerreste von zwei Wachtürmen sowie Bestandteile historischer Brunnen gefunden worden.

Auf die historischen Funde verweisen vier Erklärtafeln entlang der Treppenstufen. In den Planungen gab es auch die Idee, die Überreste eines Wachturms sichtbar zu machen – unter begehbaren Glasplatten als Teil des Bodens. Bremermann verwies aber auf die Rutschgefahr solcher Glasplatten: "Für Unfälle können wir als Eigentümer haftbar gemacht werden." Deshalb habe man sich dagegen entschieden.

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Archäologe Bischop hofft nun auf die Umsetzung einer Alternativlösung. Die eingelagerten Steine der Wachtürme könnte man um einen Fahrstuhl im Bürotrakt des Gebäudes verbauen, der aktuell durch einen gläsernen Schacht fährt. "Am Fuß würde der Eindruck entstehen, in das Fundament eines alten Wachturms zu fahren" schilderte Bischop.

Warum sind keine Geschäfte eingezogen?

In frühen Visualisierungen hatten die Planer das "Wallkontor" im Erdgeschoss mit bunten Schaufenstern dargestellt. Um den Charme der noblen Einkaufsmeile zu erhalten, sollten dort nämlich Geschäfte einziehen. Stattdessen dominiert nun das helle Grün der Barmer-Werbeplakate. Versicherte besuchen die Niederlassung eher selten, schließlich lassen sich die meisten Angelegenheiten inzwischen online oder telefonisch regeln.

"Es wollte ein Anbieter für Oberbekleidungen einziehen. Dieser sagte aber wegen der Verkehrsanbindung ab", erläuterte Bremermann. Auf Nachfrage bestätigte er, dass die neue Fahrradpremiumroute den Ausschlag gegeben hatte. Das umstrittene Projekt der ehemaligen Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) hat den Wall für Autofahrer zu einer Einbahnstraße in Richtung Weser gemacht. Bremermann hätte es sich für seinen Neubau gewünscht, wenn es bei der alten Verkehrsführung geblieben wäre.

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Warum sind keine Wohnflächen entstanden?

Das "Wallkontor" hat laut Bremermann insgesamt zwischen 25 und 30 Millionen Euro gekostet und ist ein reines Bürogebäude mit einer Fläche von 7500 Quadratmetern geworden. Beim Richtfest im Jahr 2021 gab es noch den Plan, in den oberen zwei Etagen Wohnflächen zu schaffen. "Dafür hätten wir aber neue Bauanträge stellen müssen", erläuterte Bremermann. Deshalb sei man von diesem Plan abgerückt und habe sich für eine rein gewerbliche Nutzung entschieden.

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