Der Streit um die Umbenennung der Langemarckstraße schlägt weiter hohe Wellen: Die beiden Anwohner Nils Plewnia und Nils Poppek wollen notfalls klagen, um den geplanten Namenswechsel doch noch zu verhindern. „Ich habe kein Problem damit, vor das Verwaltungsgericht zu gehen“, sagt Plewnia. Der Inhaber des Hotels Westfalia an der Langemarckstraße sieht im bisherigen Ablauf des Umbenennungsverfahrens „klare Rechtsverstöße“. Besonders scharf kritisiert Plewnia die mangelnde Einbindung der Anwohner. „Vor seiner Zustimmung hätte der Beirat Neustadt eine Umfrage machen müssen“, sagt Plewnia. Inzwischen hat sich auch Frank Imhoff zu Wort gemeldet. Der Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion fordert eine Überarbeitung des Beirätegesetzes. „Der jetzige Prozess bei der Langemarckstraße darf sich so nicht wiederholen.“
Plewnia und Poppek kritisieren, der Beirat habe gleich mehrere Senatsbeschlüsse und Landesgesetze ignoriert. Darunter den Paragrafen 28 des Bremischen Verwaltungsverfahrensgesetzes, der vor Erlassen eines Verwaltungsakts eine Anhörung der Beteiligten vorsieht. Aus Sicht der beiden Umbenennungsgegner hat sich der Beirat bei seiner einhelligen Zustimmung im Dezember 2022 ohne Prüfung auf die Angaben der Georg-Elser-Initiative verlassen. Es sei einfach nur behauptet worden, eine Mehrheit der Anwohner befürworte die Benennung nach dem Hitler-Attentäter, sagt Poppek. Doch das bezweifelt der 39-Jährige mit Hinweis auf eine Umfrage von 2005, die eine Mehrheit gegen eine Umbenennung erbracht habe. Um ein authentisches Meinungsbild zu gewährleisten, halten Plewnia und Poppek eine Umfrage für zwingend erforderlich. „Der Beirat kann die Anwohner anschreiben“, sagt Plewnia. „Wäre eine nachweisliche Mehrheit für die Umbenennung, hätte ich kein Problem damit, das zu akzeptieren.“
Plewnia und Poppek verweisen in diesem Zusammenhang auf einen Senatsbeschluss von 1965, der noch immer Gültigkeit hat. Danach dürfen Straßen nur in Ausnahmefällen und aus übergeordneten Gesichtspunkten umbenannt werden. Und zwar unter Beteiligung und mit Einverständnis aller betroffenen Anlieger. So nachzulesen in einem Leitfaden, der auf der Homepage des Amts für Straßen und Verkehr (ASV) abgerufen werden kann. Als weiteres Argument gegen die Benennung nach Georg Elser führen Plewnia und Poppek einen Senatsbeschluss von 2008 ins Feld, nach dem Straßen künftig prioritär nach Frauen zu benennen seien – so lange, bis ein Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern herrscht. Mal abgesehen davon, dass es ein Verstoß gegen das Bremische Landesstraßengesetz sei, mehrere Straßen mit demselben Namen zu belegen. „In der Vahr gibt es aber bereits den Georg-Elser-Weg“, sagt Poppek – wobei auch ein Weg vom Gesetz als Straße definiert werde. „Eine Georg-Elser-Allee ist aus diesem Grund also gar nicht zulässig.“ Der Gegenvorschlag: die Umbenennung eines Teils der Neustadtswallanlagen in Georg-Elser-Park.
Von der Georg-Elser-Initiative war auf Nachfrage keine Stellungnahme zu erlangen. Auf ihrer Website wehrt sich die Initiative allerdings gegen den Vorwurf, das Umbenennungsverfahren sei undemokratisch abgelaufen. „Das Gegenteil ist der Fall“, heißt es im aktuellsten Eintrag vom 23. April. Zur entscheidenden Beiratssitzung sei öffentlich unter Angabe der Tagesordnung eingeladen worden. „Die Sitzung fand öffentlich statt, und von den anwesenden Anwohnern kamen eine positive und eine ablehnende Stellungnahme.“ Der Beschluss des Beirats sei einstimmig erfolgt. Im WESER-KURIER seien unter den Amtlichen Bekanntmachungen betroffene Anwohner aufgefordert worden, binnen Monatsfrist Einwände vorzubringen. Deren rechtliche Bewertung hat laut Behörde keine Gründe erkennen lassen, die gegen eine Umbenennung sprechen.
Gegen eine Umbenennung hat sich indessen Staatsarchivleiter Konrad Elmshäuser ausgesprochen. Dass die Langemarckstraße ihren Namen 1937 erhielt und der „Langemarck-Mythos“ – gemeint sind angeblich todesmutige deutsche Soldaten im Ersten Weltkrieg – von den Nazis kräftig ausgeschlachtet wurde, will er als Grund für eine Umbenennung nicht gelten lassen, habe sich doch längst ein kritisches Geschichtsbewusstsein eingestellt. Auch die belgische Gemeinde Langemark plädiert für die Beibehaltung der deutschen Langemarckstraßen. Als Gradmesser starker Vorbehalte in der Bevölkerung verweist Poppek auf seine Petition. Binnen etwas mehr als zwei Wochen haben bis Sonntagabend mehr als 1000 Menschen gegen die Umbenennung votiert – allerdings nicht nur Anwohner der Langemarckstraße. Laut Bürgerschaftskanzlei hatten nach der ersten Woche 36 von 534 Unterzeichnern die Langemarckstraße als Anschrift angegeben.
Aus Sicht der CDU sollten die Beiräte in Zukunft nicht mehr allein über eine Umbenennung entscheiden. Der Beschluss müsse gemeinsam mit den Anwohnern in Form einer Abstimmung und Befragung erarbeitet werden. „Das Ergebnis soll als Entscheidungsgrundlage für alle weiteren Schritte dienen“, sagt Imhoff und kündigt einen Gesetzentwurf zur Änderung des Beirätegesetzes an. Parallel hat sein Fraktionskollege Michael Jonitz für die Fragestunde der nächsten Bürgerschaftssitzung am 28. Mai die Frage aufgeworfen, wie hoch die Kosten der Umbenennung für die Stadtgemeinde seien.
Wie berichtet, hat die Baudeputation Anfang April gegen die Stimmen von CDU und Bündnis Deutschland (BD) für die Umbenennung gestimmt. Damit folgte die Deputation dem Beiratsbeschluss, nun fehlt nur noch der Segen des Senats. Einen Termin für die Entscheidung gibt es laut Senatskanzlei noch nicht. Die Georg-Elser-Initiative rechnet mit grünem Licht in den kommenden Wochen. Als offiziellen Tag der Umbenennung favorisiert die Initiative den 8. November als Jahrestag des Elser-Attentats auf Hitler und wegen seiner Nähe zur Pogromnacht am 9. November.