Die Lebensräume von Bienen und anderen nützlichen Insekten schrumpfen. Wissenschaftler warnen seit Jahren vor dieser Entwicklung und appellieren an staatliche Stellen und private Flächenbesitzer, ihr etwas entgegenzusetzen. In Bremen wird es in naher Zukunft vermehrt kleine grüne Inseln geben, auf denen sich Insekten gern niederlassen. Und zwar dort, wo man sie nicht vermutet – an den Haltestellen der Bremer Straßenbahn AG.
Voraussichtlich im zweiten Halbjahr wird der Berliner Werbeflächenvermarkter Wall GmbH die ersten sechs bis zehn Haltestellenhäuschen aufstellen, die auf dem Dach eine Pflanzwanne mit insektenfreundlichen Pflanzen tragen. „Das werden sehr markante Punkte im Innenstadtbereich sein“, kündigt BSAG-Sprecher Jens-Christian Meyer an.
Die Wall GmbH ist in Bremen Vertragspartner von Stadt und BSAG. Sie stellt Haltestellen auf und refinanziert sich über die Vermarktung von Werbeflächen, die dort integriert sind. Die ersten dieser Flächen sind inzwischen mit großen digitalen Displays ausgestattet, die zentral mit Werbeinhalten bespielt werden können. So wie beispielsweise an der Haltestelle Schüsselkorb. Die Digitalisierung dieser Werbeflächen wird in den nächsten Jahren weiter voranschreiten. Parallel planen Wall und BSAG aber auch die ökologische Umgestaltung eines Teils der insgesamt 640 Haltestellen. „Wir werden das bisher bereits in Bremen bekannte Wartehallen-Design von Lord Norman Foster verwenden und diesen Wartehallentyp weiterentwickeln und für das Gründach-Projekt nutzen“, kündigt Wall-Sprecherin Anna-Sophia Schwarz an.
Bepflanzung wird auf das norddeutsche Klima abgestimmt
Die statischen Anforderungen an solch ein Vorhaben sind nicht überall im Bundesgebiet gleich. Bremen ist als relativ küstennahe Stadt in die sogenannte Windlastzone drei eingeordnet. Die Dachkonstruktion der Haltestellen, die die Pflanzwannen aufnehmen werden, muss deshalb besonderen Windlasten standhalten. Auch die Bepflanzung selbst wird auf das norddeutsche Klima abgestimmt. Für Bremen kommen laut Schwarz „windbeständige und trockenheitsresistente Farne und Moose infrage, die genügsame Ansprüche an die Substratschicht haben und mit wenig Nährstoffen und Wasser auskommen“. Ein Wall-Team werde sich um Pflege und Bewässerung der begrünten Haltestellen kümmern.
Erfahrungen aus anderen Städten liegen bereits vor. Vor 15 Jahren begann Wall in mehreren Ländern mit der Bepflanzung von Haltepunkten des öffentlichen Nahverkehrs. In Deutschland gab es in Hamburg und Stuttgart Pilotprojekte. In Stuttgart kommen inzwischen sogar begrünte Rückwände zum Einsatz, die über ein integriertes Bewässerungssystem mit Flüssigkeit versorgt werden. Für Hamburger Wartehallen wurden Gründächer konzipiert, die speziell auf die Bedürfnisse von Wildbienen abgestimmt sind. Dort kooperiert Wall mit der Deutschen Wildtier-Stiftung, die das Vorhaben wissenschaftlich begleitet.
Nun also Bremen. BSAG und Wall erwarten hier kurzfristig eine noch erforderliche Genehmigung der Verkehrsbehörde. Eine erste Vorstellung von den „blühenden Haltestellen“ vermittelt schon jetzt ein Provisorium in der Überseestadt. Im Bereich Überseetor haben BSAG-Techniker eine sogenannte Bedarfshaltestelle mit einer Pflanzfläche bekrönt. Dass sich dort oben eine wahre Blütenpracht entfaltet hätte, wäre zwar übertrieben. Doch das Prinzip ist erkennbar.