Lange hat sich Carlotta Siering gegen das Lehrerdasein gesträubt. "Ich habe diesen Beruf einfach nicht als meinen Weg gesehen", sagt die 29-Jährige. Stattdessen machte sie eine Ausbildung zur Physiotherapeutin. Doch so richtig glücklich wurde sie damit nicht. Bockige Patienten ohne rechte Lust auf Übungen, das ging ihr zusehends auf die Nerven. Auch den Anteil älterer Menschen empfand sie als "herausfordernd". Gern hätte sie sich auf die Behandlung von Neugeborenen spezialisiert. "Dafür hätte man aber noch zehn Jahre lang Fortbildungen machen müssen", sagt Carlotta Siering. Also auch nicht das Gelbe vom Ei.
So rückte auf einmal doch wieder die pädagogische Option ins Blickfeld. "Mein Umfeld hat mir schon früh gesagt, ich sei die geborene Lehrerin." Die Aussicht, jeden Tag mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, bezeichnet sie als den entscheidenden Anstoß fürs Lehramtsstudium. Diese Beständigkeit habe ihr in der Physiotherapie gefehlt. Nun freut sich Carlotta Siering, als Referendarin endlich in die Schule zu kommen. Nach der Vereidigung im Landesinstitut für Schule (LIS) vor einer Woche steht an diesem Donnerstag ein zweiter Termin auf dem Programm: Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) empfängt alle neuen Lehrkräfte in der Kunsthalle. In diesem Schuljahr insgesamt 262 Personen, darunter 216 Referendarinnen und Referendare; hinzu kommen 33 Menschen, die den Seiteneinstieg gewählt haben, und 13 aus dem Programm "Back to School".
Ausbildung und erstes Studienjahr in Leipzig
Die Ausbildung zur Physiotherapeutin und das erste Studienjahr absolvierte Carlotta Siering in Leipzig. "Dort wollte ich eigentlich auch bleiben", sagt sie. Gebürtig kommt sie aber aus Bremen. Aufgewachsen ist sie im Ortsteil Peterswerder, hat die Gesamtschule Mitte besucht und ihr Abitur in der Gymnasialen Oberstufe der Oberschule am Leibnizplatz abgelegt. Der Wechsel von Leipzig nach Bremen im Sommer 2021 war mithin eine Rückkehr in heimatliche Gefilde. Dieser Schritt hatte auch persönliche Gründe. "Meine Oma ist krank gewesen, ich wollte wieder mehr Zeit mit der Familie verbringen." An ihrem Studieninhalt änderte sich indessen nichts – die junge Frau studierte weiter Deutsch und Spanisch auf Lehramt an Gymnasien und Oberschulen, ihren Masterabschluss an der Universität Bremen machte sie in diesem Sommer.
Mit der spanischsprachigen Welt hat Carlotta Siering schon einigen Kontakt gehabt. Als Elftklässlerin war sie für ein Auslandsschuljahr in Südamerika, in Ecuador. Während ihrer Studienzeit folgten zwei Auslandssemester in Spanien. Genauer gesagt: im Süden des Landes, in Cádiz, der am Atlantik gelegenen 110.000-Einwohner-Stadt der Autonomen Region Andalusien. "Ehrlich gesagt, wollte ich vor allem surfen", sagt sie. Mag auch der Schwerpunkt nicht auf Büffeln gelegen haben, ihrer Sprachkompetenz hat dieser vorerst letzte Auslandsaufenthalt ganz sicher nicht geschadet. Der Drang in die weite Welt liegt Carlotta Siering im Blut. Auch in der Zukunft kann sie sich vorstellen, als Lehrerin einmal ins Ausland zu gehen. Am liebsten natürlich irgendwohin, wo Spanisch gesprochen wird. "Aber grundsätzlich bin ich für alles offen."
Gelassen und furchtlos
Die 29-Jährige macht einen gelassenen, furchtlosen Eindruck. Schreckt sie denn der graue Schulalltag nicht doch ein bisschen? Und der Lehrerjob, dessen Ruf in den vergangenen Jahren nicht gerade besser geworden ist? Immer wieder sind Klagen über zu starke Arbeitsbelastung zu hören, viele Kinder und Jugendliche gelten als schwierig. Offenbar ficht das alles die angehende Lehrerin nicht an. Man könnte meinen: weil sie nicht weiß, was auf sie zukommt. Doch das stimmt nicht, Carlotta Siering hat schon als Studentin allerhand Unterrichtserfahrung gesammelt. Weshalb sie auch wie selbstverständlich sagt, ihre Schülerinnen und Schüler habe sie nach Ende der Sommerferien noch nicht gesehen. "Ihre" Schüler gehen zur Oberschule Roter Sand in Woltmershausen, sie hat dort ein Praxissemester mit Bravour hinter sich gebracht und als Aushilfslehrerin an der Stadtteilschule gearbeitet. "Ich hatte Glück, dass ich an dieser tollen Schule bleiben konnte", sagt sie. Von einem Wurf ins kalte Wasser kann also keine Rede sein. "Für mich jedenfalls nicht, für viele andere schon."
Die Routine macht viel aus. "Es gibt eben schon eine gewisse Vertrautheit mit den Schulabläufen, dem Kollegium, das nimmt Druck raus", sagt Carlotta Siering. Es hätten sich sogar schon einige Freundschaften entwickelt. In Woltmershausen unterrichtet sie Spanisch in einer achten und zehnten Klasse, bei 13- bis 16-Jährigen. Hinzu kommt Spanischunterricht in der Oberstufe des Hermann-Böse-Gymnasiums. Fast staatsmännisch klingt es, wenn sie sagt, sie habe großen Respekt vor ihrer Aufgabe und Verantwortung. Von Mentoren während des 18-monatigen Referendariats betreut zu werden, vom Erfahrungsschatz älterer Kollegen zu profitieren, sieht sie als große Chance. "Ich freue mich sehr, dass ich jetzt vom schultheoretischen Teil wirklich in die Praxis, in eine angeleitete Praxis übergehen kann."
Was noch alles werden wird, kann natürlich keiner wissen. "Die Zukunft ist immer bunt", sagt Carlotta Siering. Sie sei offen für alle Gelegenheiten, die sich bieten. Doch diese Gelegenheiten werden vermutlich irgendwie mit dem Lehrberuf zu tun haben. Denn: "Endlich finde ich Erfüllung im Beruf."