Die Corona-Infektionszahlen sinken weiter, auch in Bremen und Niedersachsen. 2G- oder 3G-Regeln gibt es bis auf einzelne Bereiche wie Kliniken oder Pflegeheime kaum noch, Testzentren fahren ihre Angebote herunter, fast überall sind die Masken gefallen. Gleichzeitig mahnen Wissenschaftler wie der Bremer Virologe Andreas Dotzauer, Vorkehrungen für den dritten Corona-Herbst jetzt auf den Weg zu bringen. "Es wird eine neue Infektionswelle geben", warnt er. Worauf müssen sich die Menschen einstellen?
Ab dem 1. Oktober werden die Regeln zum Corona-Impfstatus verschärft – was bedeutet das?
Ab Oktober sind für den vollständigen Impfschutz drei Impfungen erforderlich, derzeit reichen zwei Spritzen aus. Laut Robert Koch-Institut liegt die Quote der Drittimpfungen in Bremen bei 64,7 und in Niedersachsen bei 64,4 Prozent, der Bundesschnitt beträgt 59,6 Prozent. "Allerdings haben sich in den vergangenen Wochen und auch jetzt noch viele Menschen infiziert, die erst zwei- oder einmal geimpft sind. Sie gelten je nach Zeitpunkt der Infektion als genesen, dafür gibt es Ausnahmen", erklärt Lukas Fuhrmann, Sprecher der Gesundheitsbehörde.
Der Genesenen-Status gilt 90 Tage – danach verfällt er. Ab dann sei eine erneute Impfung wieder möglich. "Der Status 'vollständig geimpft' ist wichtig, wenn im Zuge einer neuen Infektionswelle wieder 2G oder 3G eingeführt werden sollten", so Fuhrmann. "Wer dann etwa nur zwei statt drei Impfungen vorweisen kann, muss bei 3G (geimpft, genesen, getestet) einen negativen Test vorlegen, bei 2G (geimpft, genesen) gibt es keinen Einlass", so Fuhrmann.
Wie bereiten sich Bremen und Niedersachsen auf einen Corona-Herbst mit mutmaßlich steigenden Infektionszahlen ein?
"Wir brauchen dringend das Handwerkszeug, um schnell handlungsfähig zu sein; um 2G, 3G, Maskenpflicht oder andere Regeln im Land einführen zu können, wenn das erforderlich ist", so Fuhrmann. Das ermögliche das aktuelle Infektionsschutzgesetz nicht. Die Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder, darunter Bremen und Niedersachsen, fordern vom Bund, das Gesetz im Sommer zu ändern. "Damit kann nicht gewartet werden, bis die Zahlen steigen, dann laufen wir einer Welle hinterher." Nach den Erfahrungen der bisherigen Corona-Jahre könne es bereits ab September zu einem Anstieg gekommen.
Dreh- und Angelpunkt bleibe das Impfen, so Fuhrmann. Aktuell verzeichnet die Behörde 250 bis 300 Impfungen am Tag in den städtischen Angeboten – gegenüber 5000 bis 6000 an Rekordtagen im Winter. Der größte Anteil entfalle derzeit auf Dritt- und Viertimpfungen. Bremen bietet seit Anfang Mai allen Erwachsenen die vierte Impfung in den städtischen Stellen an und geht damit über die Empfehlung der Ständigen Impfkommission hinaus. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte an, bis Herbst allen Erwachsenen die zweite Booster-Impfung zu ermöglichen, dafür werde neuer Impfstoff geordert.
Droht eine Infektionswelle wie zuletzt mit Hunderttausenden Infektionen am Tag – und mit gefährlicheren Virusvarianten?
Wie hoch die Welle ausfalle, hänge von frühzeitig scharf geschalteten Maßnahmen ab, vom Impf- sowie Immunstatus der Bevölkerung und davon, welche Virusvariante dominiere, so Dotzauer. Lauterbach warnte vor einer "Killervariante" und der Rückkehr des Delta-Typs, der deutlich schwerere Verläufe ausgelöst hatte.
"Ich sehe eher das Szenario, dass sich Omikron weiter verändert und neue Subtypen entstehen. Mit den Eigenschaften, dass sie noch einfacher übertragbar sind und dem Immunschutz einfacher entgehen können", sagt der Bremer Virologe. Dass sich eine neue, gefährlichere Hauptvariante entwickele, sei generell nicht ausgeschlossen: "Das zeigen die israelischen Daten zum Vorkommen von Delta im Abwasser. Dies ist vor allem auch wichtig für neue Impfstoffe, sie sollten alle Mutationen abdecken."
Was fordern Wissenschaftler?
Dotzauer fordert ein Frühwarnsystem: "Eine solche Überwachung gibt es bei der Influenza anhand von Daten aus ausgewählten Praxen. Das könnte man für Corona forcieren, auch in Bezug auf den Nachweis von Varianten." Neben Schnelligkeit komme es zudem auf eine gewisse Risikobereitschaft bei einer frühzeitigen Einführung von Maßnahmen an, sobald es Hinweise für einen Anstieg gebe. "Ich denke an das Masketragen in Innenräumen, Masken sind von entscheidender Bedeutung." 2G- oder 3G seien ebenfalls eine Option, vor allem in Bereichen wie Kliniken oder Pflegeheimen. "Außerdem brauchen wir dringend Daten zum Immunstatus der Bevölkerung."