Jeder siebte Einwohner in Bremen bezieht Bürgergeld nach dem Sozialgesetzbuch II, Erwachsene wie auch Kinder. An dieser Zahl hat sich seit drei Jahren nicht viel geändert, doch die Beträge sind erheblich gestiegen: zum Jahresbeginn 2023 und 2024 um jeweils rund zwölf Prozent. Wächst in der Folge auch die Zahl der Anträge? Welche Auswirkungen haben die Reformen, etwa der Vorrang von Qualifizierung vor Vermittlung? Ein Jahr, nach dem aus "Hartz IV" das Bürgergeld wurde, sind erste Ergebnisse verfügbar.
Wie viele Arbeitslose konnten 2023 vermittelt werden?
Die selbst gesteckte Zielmarke von 10.104 Vermittlungen hat das Jobcenter Bremen verfehlt. Mit 8.968 "Integrationen" – so der intern verwendete Begriff – blieb man um 9,6 Prozent unter dem Ergebnis des Vorjahres: 2022 kam man auf 9915 Integrationen. Damit sank auch die Vermittlungsquote von gut 19 auf knapp 17 Prozent. Als erfolgreich integriert gilt, wer ein Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnis neu aufnimmt oder dauerhaft einen selbstständigen Beruf ausübt.
Wie hat sich die Zahl er erwerbsfähigen Bürgergeld-Berechtigten entwickelt?
Zum Jahresende 2023 verzeichnete das Jobcenter Bremen etwas mehr als 53.000 erwerbsfähige Bürgergeld-Berechtigte – im Vergleich zum Dezember 2022 ein Zuwachs von gut 1000 Personen. Hinzugekommene Arbeitslose haben also im vorigen Jahr die Vermittlungserfolge mehr als ausgeglichen. Rund ein Fünftel der Bürgergeldbeziehenden arbeite auch schon wieder, berichtet Katrin Demedts, Sprecherin des Jobcenter Bremen. "Allerdings bekommen sie ergänzend Bürgergeld, denn der Verdienst reicht für den Lebensunterhalt nicht aus."
Gibt es bei einer Gruppe eine auffällige Zu- oder Abnahme?
"Aus Sicht des Controllings keine besonderen Auffälligkeiten", heißt es beim Jobcenter. Den stärksten Zuwachs hat es demnach mit 3,2 Prozent bei Menschen aus der Ukraine gegeben, der sich aber für Demedts "aus der Kriegssituation erklärt". Es folgen junge Erwerbsfähige unter 25 Jahren, bei denen das Plus 2,6 Prozent beträgt. Von einem "alarmierenden Anstieg junger Bürgergeld-Berechtigter", über den die "Welt" aus Berlin berichtet, kann in Bremen keine Rede sein. Die Gruppe der Alleinerziehenden ist um 1,6 Prozent geschrumpft, jene der Singles um 0,5 Prozent gewachsen.
Wie hat sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen verändert?
Sie ist im Laufe des Jahres um 2,4 Prozent gesunken. Die Langzeitarbeitslosen machen mit 35.447 Personen den Großteil der vom Jobcenter betreuten Erwerbsfähigen aus, fast 67 Prozent. Und sie gelten als besonders schwer zu vermitteln. Jobcenter-Sprecherin Demedts räumt ein, dass für einen Teil der Bürgergeldbeziehenden "der erste Arbeitsmarkt auch mit unserer Unterstützung kaum noch erreichbar ist". Das bewege sich "schätzungsweise im einstelligen Prozentbereich".
Wo liegen die Hauptprobleme bei der Vermittlung?
"Die Gründe, dass Menschen keine sozialversicherungspflichtige Arbeit aufnehmen können, sind ganz individuell und vielschichtig", betont Demedts. Fehlende Qualifizierungen, abgebrochene Ausbildungen, Sprachbarrieren und mangelnde Kinderbetreuung erschwerten die Vermittlung. "Natürlich spielen auch Lebensumstände wie Schulden oder auch körperlicher und seelischer Gesundheitszustand eine Rolle."
„Ziel aller gemeinsamen Bestrebungen muss es sein, Menschen, die arbeiten können, aus dem Bezug von Sozialleistungen zu holen", erklärt Cornelius Neumann-Redlin, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände im Lande Bremen. Die Reform der Arbeitslosenhilfe hält der Arbeitgeber-Vertreter jedoch für verfehlt: "Mit der überzogenen Erhöhung des Bürgergelds, die dieses attraktiver macht, sehen wir leider entgegengesetzte Schritte der Politik."
Der Sozialstaat helfe den Schwachen und verlange zugleich, dass jeder sich nach seinen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt einbringt. "Geschieht dies nicht, sind Sanktionen unverzichtbar", meint Neumann-Redlin mit Hinweis darauf, dass die Unternehmen auch gering qualifizierte Arbeitskräfte suchten, aber immer noch zu selten fänden.
Was bringt das Weiterbildungsgeld?
Arbeitslose erhalten automatisch 150 € monatlich bei einer beruflichen Weiterbildung, die zu einem Abschluss in einem Beruf führt, für den eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist. In Bremen wurden beim Jobcenter im vorigen Jahr rund 400 entsprechende Fälle verbucht.
Das findet auch den Beifall der Unternehmen: "Dass die Politik stärker auf Weiterbildung und nachgeholte Berufsabschlüsse statt auf die Vermittlung in Hilfsjobs setzt, ist zu begrüßen", sagt Neumann-Redlin. Der wachsende Mangel an Arbeitskräften mache es unverzichtbar, dass Menschen ihre Potentiale ausschöpfen. "Dass hier auch Prämien Anreize zur Qualifizierung schaffen, ist richtig.“