Eine dreiviertel Stunde vor ihrem geplanten Beginn wurde am Mittwochnachmittag die Sondersitzung der Innendeputation zur Feuerwehr abgesagt. "Auf Wunsch der Fraktionen", hieß es dazu kurz und knapp aus der Innenbehörde. Wer hinter der Absage einen Streit innerhalb der Rot-grün-roten Regierungskoalition vermutet, liegt falsch. Die Parteien untereinander sind sich einig. Der Dissens betrifft den Abschlussbericht von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Die Kritik daran reicht von "ein, zwei Punkten, die geändert werden müssen" (SPD), über "halbgar" (Grüne) bis zu "unbefriedigend und verharmlosend" (Linke).
Wie berichtet, liegt seit vergangener Woche der Abschlussbericht von Sonderermittlerin Karen Buse zu den Vorwürfen gegen die Bremer Feuerwehr vor. Darin listet die von Mäurer für diesen Zweck eingesetzte ehemalige Präsidentin des Oberlandesgerichts die Ergebnisse ihrer monatelangen Befragungen von Feuerwehrmännern und -frauen auf. Auf ihrem Bericht fußt seinerseits der Bericht des Innensenators. Und mit dessen Analysen, Wertungen und Schlussfolgerungen liegen die Regierungsfraktionen über kreuz. Und zwar gründlich.
Der Innensenator verharmlose in seinem Bericht bestimmte Umstände und Tragweiten, sagt Sofia Leonidakis, Fraktionsvorsitzende der Linken. Deshalb habe man derzeit keine geeignete Grundlage, was die politischen Schlussfolgerungen zur Zukunft der Feuerwehr angehe. Gerade hier sieht Leonidakis die Politik in der Pflicht. "Da müssen wir jetzt liefern und konkrete Maßnahmen beschließen."
Das sieht auch Mustafa Öztürk so, innenpolitischer Sprecher der Grünen: Die Sonderermittlerin habe weitgehende Verfehlungen deutlich beim Namen genannt. "Das muss sich auf politischer Ebene jetzt in Form von konkreten Handlungsanweisungen niederschlagen."
Um den Kern der Unstimmigkeiten machen weder Leonidakis noch Öztürk ein Geheimnis. Für Linke und Grüne steht nach dem Bericht der Sonderermittlerin fest, dass es in der Bremer Feuerwehr strukturellen Rassismus, Sexismus und Queerfeindlichkeit gibt. Doch das finde sich im Bericht des Innensenators ebenso wenig wieder, wie konkrete Handlungsanweisungen für wirkliche Reformen.
Während Grüne und Linke "massive Vorbehalte" des Regierungsbündnisses gegen den Bericht des Innensenators sehen, spricht Kevin Lenkeit, innenpolitischer Sprecher der SPD, davon, dass man es in der Koalition nicht geschafft habe, "den Bericht des Senators zu einen", beziehungsweise im Nachgang "ein, zwei Dinge zu ändern".
Ein gefundenes Fressen war die Absage der Sitzung für die Opposition. Marco Lübke, innenpolitischer Sprecher der CDU, spricht von "Regierungskrise" und "einem Affront gegen den Innensenator". Durch die Absage der Sondersitzung schade die Regierungskoalition nicht nur sich selbst, sondern in erster Linie dem Ansehen der Bremer Feuerwehr. „Die verweigernden Kolleginnen und Kollegen gehen so weit, ihre persönlichen Auffassungen vor eine sachgerechte Beratung zu stellen."
Für Birgit Bergmann, innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, ist die Absage der Sondersitzung ein Skandal. "Die Koalition ist offensichtlich tief gespalten und handlungsunfähig." Der Streit über die Auslegung der Berichte werde damit über das Wohl der Feuerwehren und ihrer Mitglieder gestellt.
Jan Timke (Bürger in Wut) schlägt von der Absage der Beratung über die Feuerwehr einen Bogen zu einem weiteren Thema, das auf der Sondersitzung zur Sprache kommen sollte - der Brandanschlag auf die Polizei am vergangenen Wochenende. Dieses wichtige Thema noch einmal zwei Wochen zu verschieben, zeige den geringen Stellenwert, den die Koalition dem Anschlag beimesse.
Innensenator Mäurer bedauert die Absage der Innendeputation durch die Regierungsfraktionen. "Wir hätten die Berichte gerne vorgestellt. In beiden wird nichts beschönigt oder bagatellisiert." Es bestehe kein Zweifel daran, dass die Probleme, die bei der Feuerwehr festgestellt wurden, angegangen werden müssen. Viele Maßnahmen seien allerdings schon auf den Weg gebracht, etliche weitere würden folgen. „Wir nehmen aber für uns in Anspruch, nicht in Schwarz-weiß-Denken verfallen zu wollen, sondern auch die Grautöne dazwischen zu berücksichtigen.“
Zu Wort meldete sich vor der Absage am Mittwoch auch die Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm. Sie warnte vor einer Verharmlosung der Vorfälle bei der Feuerwehr. Der Bericht von Karen Buse belege anhand von zahlreichen Beispielen Rassismus, Sexismus sowie homophobes Verhalten. Dabei handele es sich mitnichten um Einzelfälle. "Vielmehr geht es um ein strukturelles Problem, verursacht durch eklatantes Führungsversagen auf unterschiedlichen Ebenen." Um die sich in den vergangenen Jahrzehnten gebildeten Strukturen zu durchbrechen, bedürfe es umgehend einer Reform mit messbaren Zielen, gekoppelt an Erfolgskontrollen.