Frau Grotheer, Sie sind sozusagen Wiederholungstäterin: 2019 waren Sie schon mal kurzzeitig Präsidentin, jetzt kehren Sie auf diese Position zurück. Wie fühlt sich das an?
Antje Grotheer: Super. Ich freue mich da unglaublich drauf.
Was bedeutet es, Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft zu sein – außer dass man dort die Sitzungen leitet und protokollarisch sozusagen erste Frau im Staate ist.
Parlamentspräsidentin ist jedenfalls mehr, als hier morgens das Licht anzumachen. Es gibt mir die Möglichkeit, für die Demokratie zu werben. Das ist die vornehmste Aufgabe. Es geht darum, Debatten mit der Bevölkerung zu organisieren und hier im Parlament. Das heißt nicht, dass das immer ganz harmonisch zugehen muss. Demokratie lebt vom Streit. Aber nicht über Aggression, sondern über die inhaltliche Auseinandersetzung. Für mich ist es wichtig aufzunehmen, was in der Bevölkerung diskutiert wird, auch in kleineren Gruppen.
Wo zum Beispiel?
Ich tue das unter anderem im Freundeskreis oder in dem Lokal, in dem ich häufiger sitze. Da kommen die Leute auch auf mich zu und sagen frank und frei: Was war das denn für 'ne Schnapsidee, auf die ihr da gekommen seid? Es ist auch richtig, dass man sich solcher Kritik stellt. Wir sind als bremische Abgeordnete sind ziemlich nahe dran an den Menschen.
Ihre Vorgänger haben auf unterschiedliche Weise versucht, Akzente außerhalb des Parlamentsbetriebs zu setzen. Frank Imhoff beispielsweise ging auf Wochenmärkte und traf sich dort "Auf ein Glas Milch" mit Besuchern, um einfach zu schnacken. Was haben Sie vor?
Das werden wir in den nächsten Monaten gemeinsam entwickeln. Ich würde zum Beispiel gern mehr Gruppen ins Haus holen, für die es keine Selbstverständlichkeit ist, sich hier aufzuhalten. Jugendliche zum Beispiel. Ich fand das Format von Frank Imhoff ziemlich gut. Es ist wichtig zu wissen, was die Leute von der Arbeit der Abgeordneten und vom Parlament als Ganzem halten.
Ihr Vor-Vorgänger Christian Weber hat immer sehr stark auf die Rechte der Bürgerschaft gegenüber dem Senat gepocht. War die Senatsbank in der Bürgerschaft mal schwach besetzt, empfand er das als Missachtung des Parlaments und hat das entsprechend gerügt. Sind Sie aus ähnlichem Holz geschnitzt?
Selbstverständlich.
Gleich am ersten Sitzungstag gab es eine erregte Debatte darüber, was von der neuen Fraktion Bündnis Deutschland zu halten ist. Zweifeln Sie an der demokratischen Gesinnung dieser Akteure?
Ich habe jedenfalls ganz viele Fragezeichen. Ich bin Juristin und habe eine bestimmte Vorstellung davon, was das Grundgesetz und unsere Landesverfassung zulassen. Und die ich kann Ihnen sagen: Einige Vorschläge zur Umgestaltung unserer staatlichen Ordnung, die die damaligen Bürger in Wut in ihrem Wahlprogramm gemacht haben, decken sich nicht mit meinem Verständnis von Demokratie. Deshalb werde ich mir sehr genau angucken, was für Äußerungen von dieser Seite kommen und welche inhaltliche Arbeit.
Wie sollte sich die Bremische Bürgerschaft weiterentwickeln? Es gibt hier sehr sterile Formate wie etwa die Fragestunde, bei der Abgeordnete ihre zuvor eingereichten Fragen ablesen und ein Senatsvertreter die ebenso vorgefertigten Antworten abliest. Da wäre mehr Lebendigkeit gefragt.
Anders als Sie finde ich die Fragestunde oft ziemlich spannend. Nämlich dann, wenn nach der Grundinformation weitere Nachfragen kommen und sich die fachlich zuständigen Senatsvertreter diesen Nachfragen stellen müssen. Da gibt es dann auch mal überraschende Antworten.
Gibt es andere Formate in der Bürgerschaft, die man bürgerfreundlicher und interessanter gestalten kann?
Ich könnte mir zum Beispiel offene Bürgersprechstunden vorstellen, zu denen dann gegebenenfalls auch mal Senatsmitglieder eingeladen würden. Aber das wäre außerhalb des eigentlichen Parlamentsbetriebs. Der ist halt doch relativ stark formalisiert.