In der neuen Bürgerschaft verläuft von Anfang an ein tiefer Graben. Das hat sich am Donnerstag in der konstituierenden Sitzung des Landesparlaments gezeigt. Die rot-grün-rote Koalition – überwiegend unterstützt von der Opposition aus CDU und FDP – fährt vom ersten Tag an einen scharfen Ausgrenzungskurs gegenüber dem rechtskonservativen Bündnis Deutschland (BD), das bei der Wahl am 14. Mai noch als Bürger in Wut 9,4 Prozent der Stimmen erreicht hatte. Der BD-Kandidat für den Bürgerschaftsvorstand – eine Art erweitertes Präsidium – fiel durch.
Auslöser der Konfrontation war ein BD-Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung des Parlaments. Das Bündnis Deutschland wollte erreichen, dass die Vorsitzenden der Bürgerschaftsausschüsse nicht per Wahl bestimmt werden. Bei der Besetzung dieser Funktionen sollte stattdessen der Proporz der Fraktionen berücksichtigt werden. Dadurch wäre auch das BD in einigen Gremien zum Zuge gekommen. Für SPD, Grüne, Linke, CDU und FDP kam das nicht infrage. SPD-Fraktionsvorsitzender Mustafa Güngör holte stattdessen zu einer heftigen Attacke gegen die neue Gruppierung aus. Das Bündnis Deutschland sei nicht so "bürgerlich und harmlos", wie es nach außen erscheinen möchte. Vor und nach der Wahl habe sich das BD wegen mutmaßlicher Kontakte mit Rechtsextremisten von zwei Akteuren trennen müssen. An BD-Fraktionschef Jan Timke richtete Güngör die Frage: "Wer garantiert uns denn, dass es das nun wirklich war mit den Rassisten, Verfassungsfeinden und Querdenkern in Ihrer Fraktion – von Ihrer Partei ganz zu schweigen?" Teile des BD-Wahlprogramms erinnerten an Reichsbürgerideologie. Man müsse das Bündnis Deutschland deshalb "bewusst von wichtigen Positionen in der Bürgerschaft, in Ausschüssen und Deputationen fernhalten", forderte Güngör.
So viel steifen Gegenwind hatte Jan Timke offenbar nicht erwartet. Er sprach von ungerechtfertigtem "pauschalen Bashing" seiner Partei. "Sie wollen uns unserer Rechte berauben", warf er Güngör vor. Es sei nicht an der SPD, über die Verfassungstreue des Bündnis Deutschland zu urteilen. Der Koalition warf er vor, zweierlei Maß anzulegen. So habe sich beispielsweise der Linken-Abgeordnete Olaf Zimmer im Wahlkampf von der "Sozialistischen Alternative" unterstützen lassen, die vom Verfassungsschutz als dogmatische Linksextremisten eingestuft werden. Darüber verliere man bei Rot-Grün-Rot jedoch kein Wort.
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Parlamentsvizepräsidentin verweigert BD-Abgeordneten den Handschlag
Timkes Erwiderung machte in den Reihen von Koalition, CDU und FDP jedoch nicht viel Eindruck. Der BD-Kandidat für den Bürgerschaftsvorstand, Holger Fricke, erhielt nur 13 von 87 Stimmen. Die Fraktion wird damit in diesem Gremium nicht vertreten sein. Eine weitere Zurücksetzung erfuhren die Rechtskonservativen, als sie der neuen Parlamentsvizepräsidentin Sahhanim Görgü-Philipp zur Wahl gratulieren wollten. Die Grünen-Politikerin verweigerte ihnen den Handschlag.
Zu Beginn der Sitzung hatte die Bürgerschaft die SPD-Politikerin Antje Grotheer an ihre Spitze gewählt. Die 56-jährige Juristin aus Schwachhausen erhielt 84 Ja-Stimmen. Es gab zwei Enthaltungen und eine Nein-Stimme. Auch die Stellvertreterinnen Christine Schnittker (CDU) und Görgü-Philipp erhielten breite Mehrheiten.
Antje Grotheer machte in ihrer Antrittsrede darauf aufmerksam, dass die Repräsentanz von Frauen im Parlament nach wie vor deutlich unter ihrem Anteil in der Bremer Bevölkerung liege, nämlich bei 37 Prozent. Das genüge nicht. Grotheer wies die neu gewählten Abgeordneten auf ihre große Verantwortung hin. Die Menschen im kleinsten Bundesland hätten Anspruch darauf, mit ihren Sorgen ernstgenommen zu werden. Die größte Gefahr für die Demokratie geht nach Grotheers Einschätzung derzeit nicht von außen, sondern von innen aus, nämlich von "Hass, Hetze und Fake News". Dieser Herausforderung gelte es zu begegnen. Grotheers Vorgänger Frank Imhoff, der den Vorsitz der CDU-Fraktion übernommen hat, appellierte an die Mandatsträger, "beharrlich, kämpferisch und menschlich" zu sein. Mit Blick auf die zurückliegende Wahlperiode und die inzwischen ausgeschiedenen Abgeordneten der AfD sagte Imhoff, es seien in der Vergangenheit "nicht alle ihrer Verantwortung als Parlamentarier gerecht geworden". Das habe sich nicht zuletzt in der Zahl der Ordnungsrufe gezeigt. Er hoffe, dass sich dies in der neuen Bürgerschaft bessert.