Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und Spitzenvertreter der evangelischen Kirchen in Bremen, Bremerhaven und Niedersachsen haben sich darüber verständigt, wie man künftig in Fällen von Kirchenasyl handeln will. Das von beiden Seiten so dringend gewünschte Gespräch fand bereits am Dienstagabend statt.
Beide Seiten haben dabei Zugeständnisse gemacht. Um die herausragend hohe Zahl von Kirchenasyl im Land Bremen zu senken, soll es künftig länderübergreifende Fälle nicht mehr geben. "Im Land Bremen sollen nur noch Menschen in ein Kirchenasyl aufgenommen werden, die zuvor bereits im Land Bremen gewohnt haben", heißt es in einer gemeinsam verbreiteten Erklärung. Im Gegenzug sagte der Innensenator zu, "kirchliche beziehungsweise sakrale Räume als geschützte Räume auch künftig akzeptieren".
Befristeter Abschiebestopp
Konkret läuft es auf einen zumindest befristeten Abschiebestopp für alle Menschen hinaus, die sich zum 18. Dezember im Bundesland Bremen im Kirchenasyl aufhielten. Bei ihnen "sieht der Senator für Inneres und Sport aktuell von Maßnahmen zur Rückführung ab", heißt es in dem gemeinsamen Papier. Ausdrücklich werden "Abschiebemaßnahmen aus einem bestehenden Kirchenasyl nicht vollstreckt". Dies gilt auch für den Fall, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) einen von kirchlicher Seite festgestellten Härtefall nicht anerkennt.
Dieser umfassende Verzicht auf Rückführungen aus dem Kirchenasyl gilt bis Ende Januar 2025. In den kommenden sechs Wochen sollen weitere Klärungen erfolgen. So will man sich auf feste Kriterien für „Härtefälle“ und „unzumutbare Härten“ einigen.
Grundsätzlich soll aber auch in Bremen am sogenannten Dossier-Verfahren, wie es Kirchen und Bamf Anfang 2015 vereinbart hatten, festgehalten werden. „Das Kirchenasyl ist ein Appell im Sinne des Rechtsstaates, Einzelfälle mit besonderen humanitären Härten besonders zu überprüfen“, bekräftigen die Kirchen. Damit bewege sich ihr Handeln im Rahmen eines Sonderpetitionsrechtes. Dieses sei vom Bremer Innensenator "bisher ausnahmslos respektiert" worden.
Ausdrücklich sagen die Kirchenvertreter deshalb zu, die Entscheidungshoheit des Staates zu respektieren: „Die Kirchen verfolgen mit dem Kirchenasyl nicht das Ziel, den Rechtsstaat in Frage zu stellen oder über das Kirchenasyl eine systematische Kritik am Dublin-System zu üben. Eine solche wird nur im Rahmen des politischen Diskurses vorgetragen.“
Mit dem Instrument des Kirchenasyls wolle man künftig "achtsam umgehen, um es zu erhalten". Bevor eine Kirchengemeinde künftig Kirchenasyl gewährt, soll sie sich "unbedingt" mit der jeweiligen Landeskirche abstimmen. Für die Bremische Evangelische Kirche (BEK) fungiert der Verein Zuflucht e.V. als entsprechende Beratungsstelle. Er prüft – wie bisher – die besondere Schutzbedürftigkeit der Geflüchteten im Einzelfall. Dazu soll er "eine mögliche Gefahrenlage im jeweiligen Ersteinreiseland in die EU sondieren". Denn zumeist geht es in den Kirchenasyl-Fällen nicht um eine Abschiebung ins Heimatland – etwa Somalia – sondern um die Rückführung in jenes Land, in dem die Geflüchteten erstmals die EU betreten haben.
Mäurer bezeichnete das Gespräch gegenüber dem WESER-KURIER als "hoch konstruktiv und erfreulich". Zur Erinnerung: Anfang Dezember war ein massiver Konflikt entbrannt, als Mitglieder der Zionsgemeinde in Bremen mit Unterstützung linker Sympathisanten die Rückführung eines Somaliers nach Finnland verhindert hatten.
Kirchen aus Niedersachsen eingebunden
In einer Bürgerschaftsdebatte – unterbrochen von Störern auf der Gästetribüne – verwies Mäurer eine Woche später darauf, dass allein in diesem Jahr 32 Rückführungen aus Bremen in EU-Staaten nach dem Dublin-III-Abkommen durch Kirchenasyl gescheitert seien. "Es sind vor allem die evangelischen Gemeinden, die dazu beitragen", betonte der Senator. Er wolle "zu einem pragmatischen Weg zurückfinden, dabei aber keinen Grundsatzstreit austragen".
Wegen der Zuständigkeit für die meisten evangelischen Gemeinden in Bremerhaven saß auch die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen mit am Tisch. Die katholische Kirche war nicht vertreten, denn in den Gemeinden der Bistümer Hildesheim und Osnabrück im Land Bremen gab es seit Jahren keinen Fall von Kirchenasyl. "Die bisherigen Regelungen zwischen den Kirchen und dem Staat waren beidseitig akzeptiert und sollten in dieser Form beibehalten werden", hatte Probst Bernhard Stecker schon im Vorfeld der Bürgerschaftsdebatte erklärt.
Allein der Versuch der Innenbehörde, auf Anforderung des Bamf jemanden aus dem Kirchenasyl in ein Flugzeug nach Helsinki zu setzen, war jedoch anderswo als "Tabubruch" empfunden worden – sowohl von Vertretern der evangelischen Kirche in Bremen als auch von Bürgerschaftsabgeordneten der Grünen und Linken, also Koalitionspartnern der SPD. Heftig attackiert wurde Mäurer auch vom Flüchtlingsrat und den Bremer Jungsozialisten, die Grüne Jugend forderte sogar seinen Rücktritt.