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Klage gegen den Senat Bremer Logistikriese BLG will nicht in Ausbildungsfonds einzahlen

335 Unternehmen haben gegen den Bremer Ausbildungsunterstützungsfonds Klage eingereicht. Jetzt stellt sich heraus: Unter den Firmen ist auch der überwiegend der Stadt Bremen gehörende Logistiker BLG.
03.09.2025, 17:50 Uhr
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Bremer Logistikriese BLG will nicht in Ausbildungsfonds einzahlen
Von Jürgen Theiner
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Der Ausbildungsunterstützungsfonds, den die Bürgerschaft im Frühjahr 2023 auf den Weg brachte, hat in der örtlichen Wirtschaft wenige Freunde. Zu bürokratisch, zu wenig Mehrwert für die Betriebe, lauten die Einwände meist. Einige Unternehmen haben bereits beim Verwaltungsgericht Klage gegen ihre Beitragsbescheide eingereicht. Darunter sind Branchengrößen wie Arcelor-Mittal und Mercedes. Doch nun stellt sich heraus: Sogar das mehrheitlich der Stadt Bremen gehörende Logistikunternehmen BLG geht gerichtlich gegen seine Zahlungsaufforderung vor. Der Vorstand der Aktiengesellschaft befürchtet im Falle einer Zahlung an den Ausbildungsfonds einen Verstoß gegen das Aktiengesetz.

Wie funktioniert der Fonds?

Der Fonds soll im Wesentlichen einen finanziellen Ausgleich zwischen solchen Betrieben herstellen, die viel ausbilden, und solchen, die sich auf diesem Gebiet wenig engagieren. Betriebe oberhalb einer Bagatellgrenze von 135.000 Euro müssen seit diesem Jahr von ihrer Arbeitnehmerbruttolohnsumme 0,27 Prozent an den Fonds abführen. Für jeden Auszubildenden, den sie beschäftigen, erhalten die Betriebe eine sogenannte Ausgleichszuweisung von 2.250 Euro. Je nachdem, ob eine Firma viel oder wenig ausbildet, kann die Summe der Ausgleichszuweisungen also die gezahlte Abgabe über- oder unterschreiten. Außerdem werden aus dem Fonds diverse Beratungs- und Unterstützungsleistungen für Betriebe und Azubis finanziert.

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Worin besteht die Kritik?

Handels- und Handwerkskammer, aber auch einzelne Unternehmen hatten frühzeitig Einwände gegen den Ausbildungsunterstützungsfonds erhoben. Aus ihrer Sicht ist er ein "Bürokratiemonster", das vor allem die Verwaltung aufbläht, wo die eingenommenen Mittel bewirtschaftet werden. Viele Unternehmen argumentieren zudem, sie fänden schlicht keinen ausbildungsfähigen Nachwuchs und würden dafür nun zusätzlich durch die Abgabe bestraft. Eine Klage mehrerer Kammern gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes aus dem März 2023 scheiterte jedoch vor dem Bremischen Staatsgerichtshof. Offen bleibt allerdings der Rechtsweg vor dem Verwaltungsgericht. Dort können betroffene Betriebe gegen ihren konkreten Abgabenbescheid vorgehen.

Wie viele Betriebe klagen aktuell?

Nach Angaben des Verwaltungsgerichts lagen zu Monatsbeginn 335 Klagen betroffener Unternehmen aus Bremen und Bremerhaven gegen ihre Abgabenbescheide vor. Laut Gerichtssprecher Niklas-Janis Stahnke strebt das Gericht an, "im Frühjahr 2026 in den ersten ausgewählten Verfahren Termine zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen". Stahnke weiter: "Kommt das Gericht dann zu der Auffassung, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Ausbildungsunterstützungsfondsgesetz durchgreifen, würde eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erfolgen." Sollte das Verwaltungsgericht jedoch von der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes ausgehen, würden die ausgewählten Verfahren "zeitnah in der Sache entschieden" – wobei den Klägern danach noch der Instanzenweg offen stünde. Endgültige Rechtssicherheit über den Ausbildungsfonds dürfte also erst in einigen Jahren herrschen.

Warum klagt die BLG?

Die städtisch kontrollierte BLG hat nach eigenen Angaben "für mehrere operative Tochtergesellschaften Klagen gegen den Abgabenbescheid" eingereicht, "wie das Großunternehmen dem WESER-KURIER auf Anfrage bestätigte. Grundsätzlich begrüße man zwar die Initiative des Senats zur Stärkung der beruflichen Ausbildung. Die BLG bilde auch weiterhin über Bedarf aus. "Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben" und der eigenen rechtlichen Einschätzung bestehe für den BLG-Vorstand jedoch "keine Alternative zur gerichtlichen Überprüfung der Bescheide". Konkret geht es um § 93 des Aktiengesetzes. Er regelt die Verantwortlichkeit und die Sorgfaltspflichten der Vorstände von Aktiengesellschaften. Angesichts der "bekannten Rechtslage würde eine Zahlung an den Fonds gegen diese durch das Aktiengesetz auferlegten Sorgfaltspflichten verstoßen", so Unternehmenssprecherin Britt van Delden.

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Was sagt die Arbeitssenatorin?

Für den Senat kommt die Nachricht, dass die eigene Unternehmensbeteiligung gegen den Ausbildungsfonds klagt, zur Unzeit. Schon durch die bereits vorliegenden Klagen von Firmen, die bis auf Weiteres keine Zahlungen leisten, klafft im Finanzplan des Fonds ein Loch. Es zeichnet sich ab, dass einige der angekündigten Unterstützungsleistungen für Betriebe und Azubis vorerst nicht realisierbar sind. Arbeitssenatorin Claudia Schilling (SPD) sieht allerdings keine Dramatik. Aktuell mache die Zahl der Klagen lediglich fünf Prozent aller am Ausbildungsfonds teilnehmenden Betriebe aus. "Daraus schließen wir, dass eine große Mehrheit einer solidarischen Ausbildungsumlage positiv gegenübersteht, und das freut mich", so Schilling. Dass sich auch die städtische BLG bei den Klägern eingereiht hat, nimmt sie "zur Kenntnis". Man lebe schließlich in einem Rechtsstaat, und deshalb stehe der Rechtsweg jedem offen.

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