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Missbrauch im Turnen Medaillen nicht um jeden Preis

Immer mehr Ex-Turnerinnen berichten von erschreckenden Erfahrungen im Leistungssport, von fragwürdigen Trainingsmethoden und Essenkontrollen. Es braucht eine Kultur des Hinschauens, meint Ingelore Rosenkötter.
11.01.2025, 05:00 Uhr
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Von Ingelore Rosenkötter

Es ist erschreckend, was in den letzten Tagen ehemalige Turnerinnen berichten. Es wühlt auf und fordert zum Nach- und Umdenken im Leistungssport auf. Was ist der Hintergrund dieser Berichte, die auch über Social-Media-Kanäle von den Turnerinnen selbst veröffentlicht wurden. Unter anderem sind es Trainingsmethoden, Kontrolle über Essverhalten und enormer Leistungsdruck und damit verbundene Versagensängste, die von den Turnerinnen beschrieben werden. Fast alle Sportlerinnen, die sich jetzt zu Wort melden, haben ihre leistungssportliche Karriere bereits beendet. Tragisch ist es, dass sie erst jetzt – zum Teil Jahre später – Kraft und Mut finden, sich öffentlich zu äußern. Tragisch ist auch, dass es niemanden gab, an den sie sich in ihrer Not vertrauensvoll wenden konnten. Das wirft einen gewaltigen Schatten auf Verbände und Verantwortliche.

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Leistungssport fordert viel: Talent, Disziplin, Fleiß und Durchhaltevermögen. Erfolge und die damit verbundene motivierende Freude stellen sich oft erst nach Jahren harter Trainingsarbeit ein. Gerade beim Turnen beginnen die Sportlerinnen schon im Alter von zehn bis zwölf Jahren mit einem wöchentlichen Trainingsaufwand, der nicht selten bis zu 20 Stunden umfasst. Es sollten alle Beteiligten – die Turnerinnen selbst, Eltern, Schule und Trainerteam – über eine der jeweiligen Turnerin angepasste Trainingsarbeit informiert sein. Es ist wichtig, dass sich jede Sportlerin zu jeder Zeit und ohne Sanktionen befürchten zu müssen, vertrauensvoll an ihre Trainerin oder sonstige Vertrauensperson wenden kann. Und ja, in dieser beim Turnen entscheidenden Aufbauphase erleben junge Sportlerinnen körperliche und mentale Entwicklungen, die ihrem geliebten Sport manchmal im Wege stehen. Doch niemals darf eine Sportlerin durch Essverbote, Bloßstellungen, Straftraining noch sonst irgendwie gedemütigt werden.

Richtig ist, dass die beteiligten Verbände sich sofort an eine umfassende Aufarbeitung der Vorwürfe gemacht haben. Einmal mehr wird deutlich, wie wichtig es war, dass sich der organisierte Sport jüngst mit dem „Safe Sport Code“ ein verpflichtendes Regelwerk gegeben hat, um interpersonelle Gewalt zu verhindern. Die Umsetzung wird ein langer Weg. Es gibt im Interesse aller Beteiligten hierzu keine Alternative.

Es geht nicht um Leistung um jeden Preis. Es geht um eine Kultur des Hinschauens und des Hinhörens. Es geht um Leistung mit Respekt.

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