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Vor Koalitionsverhandlungen Die Bremer SPD hat die Qual der Wahl

Grüne/Linke oder lieber CDU – mit wem sollen die Sozialdemokraten nach der Bremen-Wahl Koalitionsverhandlungen aufnehmen? Der WESER-KURIER hat das Meinungsspektrum der Parteifunktionäre ausgelotet.
21.05.2023, 14:38 Uhr
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Die Bremer SPD hat die Qual der Wahl
Von Jürgen Theiner

Die Sozialdemokraten stehen vor einer Richtungsentscheidung: Wollen sie das bestehende Bündnis mit Grünen und Linken fortsetzen oder eine Verbindung mit der CDU eingehen, wie sie zwischen 1995 und 2007 schon einmal bestand? Erste getrennte Sondierungen mit Grünen, Linken und Christdemokraten sind bereits gelaufen, am Montag schließt sich eine Dreier-Runde mit Grünen und Linken an. Voraussichtlich am Mittwochabend wird der SPD-Landesvorstand dann beschließen, mit wem konkrete Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden sollen.

Bei einer Umfrage durch das Meinungsforschungsinstitut Infratest-Dimap im Auftrag des WESER-KURIER hatten sich im März 30 Prozent der befragten SPD-Anhänger für eine große Koalition (Groko) ausgesprochen, weitere 30 für ein rot-grünes Bündnis, für das es rechnerisch nun allerdings nicht reicht. 27 Prozent votierten für Rot-Grün-Rot (RGR). Was die bekennenden SPD-Wähler denken, lässt sich also einschätzen.

Doch welche Präferenzen gibt es im Funktionärskader der Partei, also in den Ortsvereinsvorständen und Arbeitsgemeinschaften? Die Stimmung im Maschinenraum der Partei wird Bürgermeister Andreas Bovenschulte sicher im Auge haben, wenn er zur Wochenmitte gemeinsam mit der Spitze des Landesverbandes die Weichen stellt.

Der WESER-KURIER hat sich unter Funktionsträgern in den drei Unterbezirken Bremen-Stadt, Bremen-Nord und Bremerhaven umgehört und das Spektrum der Ansichten ausgelotet – ohne Anspruch auf Repräsentativität.

Der Archetyp des sozialdemokratischen Funktionärs ist der Ortsvereinskassierer. Er verkörpert von jeher die Seele der Partei. Gisela Schwellach ist Kassiererin in Vegesack. Die ehemalige Landesschatzmeisterin sieht "größere Schnittmengen zwischen uns und Grünen und Linken als mit der CDU". Das Verhältnis zu den Grünen sei in der zurückliegenden Legislaturperiode zwar insbesondere im Bereich der Verkehrspolitik belastet gewesen. "Doch das lag eher an der Art, wie Senatorin Maike Schaefer mit dem Thema umgegangen ist", glaubt Schwellach. Eine alternative Verbindung mit der CDU will die Vegesackerin zwar nicht ausschließen, doch müssten sich die Christdemokraten dafür schon "sehr stark bewegen", etwa in der Bildungspolitik.

Cem Ali Aydin gehört als Beisitzer zum Ortsvereinsvorstand Arbergen-Mahndorf. Nach eigenem Bekunden könnte er mit beiden Varianten leben. Wichtig sei eine starke Vertrauensbasis zwischen den künftigen Koalitionspartnern. Rot-Grün-Rot hat aus Aydins Sicht in den vergangenen vier Jahren "ganz gut funktioniert". Diesen Eindruck kann Alexander Keil, Ortsvereinsvorsitzender in Borgfeld-Lehesterdeich, nur sehr eingeschränkt unterschreiben. Die linken Senatorinnen hätten zwar gute Arbeit abgeliefert, mit den Grünen habe es jedoch große Probleme gegeben. Außerdem verfügten die Grünen in ihrer gegenwärtigen Verfassung kaum über handlungsfähige Akteure. "Deshalb fände ich es gut, wenn wir Koalitionsgespräche mit der CDU führen würden", sagt Keil. Natürlich müssten die Christdemokraten auf wichtigen Feldern der SPD entgegenkommen, etwa bei der bisher von ihnen bekämpften Ausbildungsabgabe.

Svenja Möller engagiert sich im Ortsverein Burglesum und ist Mitglied im Landesvorstand der Jungsozialisten. Die 21-Jährige sieht "viel mehr Gemeinsamkeiten" zwischen der SPD und ihren bisherigen Regierungspartnern als mit der CDU, die sie als "Klientelpartei" empfindet. Bei Fragen wie der Ausbildungsabgabe, der sogenannten Freikarte für Kinder und Jugendliche und der Schuldenbremse habe es mit den Christdemokraten zuletzt keine Verständigung gegeben. Möller: "Da lagen wir meilenweit auseinander."

Ich möchte jetzt nicht in der Haut des Bürgermeisters stecken.
Edith Wangenheim, langjährige SPD-Stadtteilpolitikerin im Bremer Westen

Edith Wangenheim ist langjährige Stadtteilpolitikerin im Bremer Westen. Sie führte viele Jahre den Ortsverein Woltmershausen, war beruflich bei der AWO tätig – mehr SPD-Milieu geht nicht. "Ich möchte jetzt nicht in der Haut des Bürgermeisters stecken", sagt sie, denn sowohl die jüngeren Erfahrungen mit "grünem Gemuddel" in der Verkehrspolitik als auch die älteren aus Groko-Zeiten stimmten sie nicht gerade euphorisch – Stichwort Space-Park. Müsste sie sich entscheiden, würde sie leicht zu Rot-Grün-Rot tendieren, "aber das kommt wirklich auf den Verlauf der Gespräche an", fügt sie hinzu.

In Bremerhaven kann Sergej Strelow dieser Kombination nicht viel abgewinnen. Der Ortsvereinsvorsitzende in Lehe-Nord sieht auf wichtigen Politikfeldern eher Konsensmöglichkeiten mit der CDU und nennt beispielhaft den Hafenausbau, die Vertiefung von Unter- und Außenweser sowie Verkehr und Sicherheit. In Bremerhaven habe man bei der Zusammenarbeit mit den Christdemokraten im Grundsatz gute Erfahrungen gemacht. Aus Strelows Sicht hat zudem die Schwächung der Grünen bei der Wahl am 14. Mai "einen Willen der Wähler für einen Politikwechsel erkennbar werden lassen".

Die frühere Bürgerschaftsabgeordnete Birgit Busch ist bis heute in ihrem Ortsverein Findorff aktiv. Ihre Einschätzung: In der Partei hat eine neue Groko eher wenig Freunde. "Es gibt da noch viele Ressentiments aus der Zeit der ersten großen Koalition", so ihre Wahrnehmung. "Und wen hätte die CDU denn als Senatspersonal anzubieten?", fragt Busch. Deren Spitzenkandidat Frank Imhoff sei zwar "lieb und nett", ein Senatorenposten sei ihm aber kaum zuzutrauen.

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