Fünf Tage nach der Bürgerschaftswahl haben die Bemühungen zur Bildung einer neuen Landesregierung begonnen. Am Freitagvormittag trafen sich Spitzenvertreter von SPD und Grünen zu einer ersten Sondierungsrunde, am Nachmittag kamen SPD und Linke zusammen. Bei den Gesprächen sollte erörtert werden, welche inhaltlichen Schnittmengen für eine mögliche Neuauflage des bisherigen Regierungsbündnisses bestehen.
Über konkrete Inhalte drang anschließend wenig nach außen, die Teilnehmer haben Stillschweigen vereinbart. Zu hören war allerdings, dass die Gesprächsatmosphäre zwischen SPD und Grünen besser war, als man angesichts der Spannungen in jüngster Zeit hätte vermuten können. Die Sozialdemokraten, so hieß es, hätten trotz der durch die Wahl deutlich verschobenen Gewichte nicht die Muskeln spielen lassen.
An diesem Sonnabend werden sich Sozialdemokraten und CDU zusammensetzen. Eine Entscheidung, mit wem konkrete Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden sollen, wird der SPD-Landesvorstand voraussichtlich am Mittwoch nächster Woche treffen.
Unterdessen ist die personelle Zusammensetzung der nächsten Bremischen Bürgerschaft geklärt. Sie hat 87 statt bisher 84 Sitze. In den Fraktionen sind mehr Abgeordnete denn je vertreten, die familiäre Wurzeln im Ausland haben. Das Mehr an Vielfalt verteilt sich ungleich über die Fraktionen. Während in der neuen SPD-Fraktion neun von 27 Mandatsträgern einen Migrationshintergrund haben, gibt es bei FDP und Grünen niemanden mit einer solchen Biografie.
Was sich über die Zusammensetzung der neuen Parlamentsfraktionen sagen lässt:
SPD
Bei der SPD machen sich die Auswirkungen des bremischen Wahlrechts am stärksten bemerkbar. Etwa zwei Drittel ihres Gesamtstimmenaufkommens (gut 328.000) waren Personenstimmen. Allein Bürgermeister Andreas Bovenschulte errang mehr als 140.000. Dadurch kam die von der Partei aufgestellte Liste nur in geringem Umfang zur Geltung. Viele Mandate wurden über den Personenstimmenanteil besetzt. Das wiederum nützte insbesondere Bewerbern mit Migrationshintergrund, die sich auf die Stimmen aus ihrer jeweiligen ethnischen Gemeinschaft verlassen können. Ein Beispiel dafür ist Mehmet Ali Seyrek. Er entstammt der alevitischen Community aus der Türkei. Der 63-Jährige ist seit zwölf Jahren Mitglied der Bürgerschaft, trat aber nie sonderlich in Erscheinung.
Die Fraktion besteht aus: Andreas Bovenschulte, Ulrich Mäurer, Elombo Bolayela, Sascha Aulepp, Mehmet Ali Seyrek, Mustafa Güngör, Arno Gottschalk, Valentina Tuchel, Volker Stahmann, Antje Grotheer, Ute Reimers-Bruns, Falk Wagner, Kevin Lenkeit, Anja Schiemann, Claudia Schilling, Martin Günthner, Janina Strelow und den Neumitgliedern Nils Bothen, Basem Khan, Hubertus Hess-Grunewald, Recai Aytas, Falko Bries, Medine Yildiz, Katharina Kähler, Heike Kretschmann, Selin Arpaz und Senihad Sator. Mehrere Mitglieder werden die Fraktion verlassen, um Senatsämter anzunehmen. Ihre Mandate werden von Nachrückern besetzt.
CDU
Prominente Abgänge sind nicht zu verzeichnen. Der Frauenanteil hat deutlich zugenommen. Der Vorsitz wird noch zu klären sein. Bisher stand Heiko Strohmann an der Spitze der christdemokratischen Parlamentsriege. Spitzenkandidat und Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff hatte nach der Wahl angekündigt, auch künftig ein wichtiges Amt bekleiden zu wollen. Da die CDU keinen Anspruch mehr auf den Präsidentenposten hat, käme für Imhoff der Fraktionsvorsitz infrage. Sollte die CDU in der neuen Landesregierung vertreten sein, wäre für ihn auch ein Senatorenamt denkbar.
Die Fraktion besteht aus: Frank Imhoff, Oguzhan Yazici, Jens Eckhoff, Marco Lübke, Rainer Bensch, Susanne Grobien, Sigrid Grönert, Heiko Strohmann, Martin Michalik, Sandra Ahrens, Bettina Hornhues, Yvonne Averwerser, Silvia Neumeyer, Claas Rohmeyer, Hartmut Bodeit, Sina Dertwinkel, Thorsten Raschen, Christine Schnittker und den Neumitgliedern Wiebke Winter, Michael Jonitz, Simon Zeimke, Theresa Gröninger, Hetav Tek und Kerstin Eckardt.
Grüne
Die Grünen-Fraktion geht aus der Wahl vom 14. Mai stark verkleinert hervor. Nach dem Abgang der bisherigen Parlamentsvizepräsidentin Sülmez Colak kommen die Grünen noch auf zehn statt bisher 16 Sitze. Bemerkenswert war das starke Personenstimmenergebnis (fast 5000) für die Abgeordnete Kai Wargalla, die damit Sozialsenatorin Anja Stahmann hinter sich ließ. Wegen des insgesamt schlechten Abschneidens der Grünen haben politische Talente wie die scheidende Abgeordnete Solveig Eschen das Nachsehen.
Die Fraktion besteht aus: Maike Schaefer, Kai Wargalla, Anja Stahmann, Björn Fecker, Philipp Bruck, Henrike Müller, Ralph Saxe und den Neumitgliedern Franziska Tell, Bithja Menzel und Michael Labetzke.
Linke
Das Grundgerüst der bisherigen Linken-Fraktion bleibt bestehen, neben der Fraktionsführung um Sofia Leonidakis und Nelson Janßen werden auch Fachpolitiker wie Miriam Strunge (Bildung), Klaus-Rainer Rupp (Haushalt) und Cindi Tuncel (Migration) wieder in der Bürgerschaft aktiv sein. Der Neustädter Abgeordneten Olaf Zimmer, der einen Solo-Wahlkampf in Abgrenzung zur Partei geführt hatte, verfehlte zunächst ein neues Mandat, könnte aber nachrücken, sofern wieder zwei Linke in den Senat gelangen.
Die Fraktion besteht aus: Sofia Leonidakis, Nelson Janßen, Kristina Vogt, Claudia Bernhard, Maja Tegeler, Miriam Strunge, Cindi Tuncel, Klaus-Rainer Rupp und den Neumitgliedern Dariush Hassanpour und Muhlis Kocaaga.
FDP
Die FDP-Fraktion wird in der kommenden Legislaturperiode überwiegend aus Neulingen bestehen. Nach dem Rückzug bekannter Gesichter wie Lencke Wischhusen, Birgit Bergmann und Magnus Buhlert übernehmen mehrere Neulinge ohne Parlamentserfahrung und müssen sich rasch in ihre Themenfelder einarbeiten.
Die Fraktion besteht aus: Thore Schäck, Hauke Hilz und den Neumitgliedern Ole Humpich, Marcel Schröder und Fynn Voigt.
Bürger in Wut
Was für die Liberalen zutrifft, gilt für die Bürger in Wut (BIW) in stärkerem Maße: Jan Timke und Piet Leidreiter sind die einzigen Abgeordneten mit Parlamentserfahrung. Voraussichtlich wird Timke eine Fraktion aus Neulingen anführen, die – wenn überhaupt – Erfahrungen in Beiräten und der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung haben. In Kürze werden sich Partei und Fraktion in „Bündnis Deutschland“ umbenennen. Mit dieser bundesweiten Neugründung besteht eine Kooperation, sie finanzierte große Teile des BIW-Wahlkampfs.
Die Fraktion besteht neben Timke und Leidreiter aus Sven Schellenberg, André Minne, Cord Degenhard, Holger Fricke, Meltem Sagiroglu, Julia Tiedemann, Sven Lichtenfeld und Sascha Schuster.