Herr Schmücker, Sie wollen vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg erreichen, dass die Stadt Winsen (Luhe), dort leben Sie, Ihnen eine Waffenerlaubnis erteilt. Bisher wird Ihnen die verwehrt. Am 6. September ist die Verhandlung. Warum brauchen Sie als Schäfer eine Waffe?
Wendelin Schmücker: Damit ich im Notfall mein Eigentum gegen den Wolf verteidigen kann. Ich bin Berufsschäfer, ich lebe davon. 75 Prozent meiner Einnahmen stammen aus dem Verkauf von Lammfleisch. Das ist die tragende Säule meines Betriebes. Der Wolf bedroht meine berufliche Existenz.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Wölfen bisher gemacht?
Ich habe 2018 den ersten Wolfsangriff auf meine Herde erlebt. In der Nacht vom 10. auf den 11. Mai sind damals von 100 Schafen 21 Tiere ums Leben gekommen. Danach hat es noch zwei weitere Angriffe gegeben. Insgesamt habe ich bis heute 40 Tiere verloren. Dazu kommen noch verletzte Schafe, die den Angriff aber überlebt haben.
Was macht so ein Angriff mit den Tieren, die überlebt haben?
Sie sind zunächst traumatisiert. Wir bringen die Schafe sofort vom alten Standort, also dem Tatort, in eine andere Herde. Dort können sie zur Ruhe kommen. Nach ein paar Tagen haben sie sich dort dann tatsächlich auch akklimatisiert und akzeptieren zum Beispiel den Hütehund wieder, weil sie festgestellt haben, dass sie vor ihm keine Angst haben müssen.
Wie wirkt ein Angriff auf Sie als Tierhalter nach?
Der Verlust des Tieres wird finanziell ersetzt, aber nicht die Arbeit, die wir nach einem Angriff haben, wenn wir die Tiere kilometerweit wieder einsammeln müssen. Bei dem ersten Angriff auf meine Herde 2018 sind außerdem nur 80 Prozent der tierärztlichen Behandlungskosten übernommen worden.
Das ist inzwischen anders.
Ja, jetzt gibt es 100 Prozent, aber nur wenn Sie einen wolfsabweisenden Grundschutz für ihre Herde nachweisen können.
Also zum Beispiel Zäune, deren Anschaffung ja auch bezuschusst wird.
Von den Zäunen wissen wir inzwischen aber, dass sie einen Wolf nicht davon abhalten, eine Herde anzugreifen. Der Wolf springt über die Zäune hinüber. Außerdem haben wir keine Rechtssicherheit. Die Gaben, die wir von der Politik bekommen, sind freiwillige Leistungen. Wenn irgendwann gesagt würde: Wir haben jetzt leider kein Geld mehr, um Risse zu entschädigen oder Zäune zu bezuschussen, gibt es morgen keine Unterstützung mehr. Deshalb brauchen wir einen rechtlichen Anspruch auf diese Leistungen, damit wir sie zur Not einklagen können.
Wie schätzen Sie die aktuelle Bedrohungslage für Ihre Herden ein?
Es ist viertel nach zwölf. Es hat zuletzt sogar schon Wolfsangriffe am helllichten Tag gegeben – in Gegenwart des Schäfers oder der Schäferin. Das ist die nächste Eskalationsstufe. Wölfe haben in Niedersachsen inzwischen auch schon Rinder, Pferde und Ponys angegriffen. Und nichts wird dagegen unternommen.
Es gibt Wolfsmonitoring, und es gibt Wolfsberater.
Das ist Wolfsverwaltung, aber kein aktives Wolfsmanagement. Wir wissen zwar, wo die Wölfe sich aufhalten, aber wir schauen zu, wie ihre Zahl wächst und wächst. Die Genehmigungsverfahren zur Entnahme von Wölfen sind viel zu langatmig. In der Zeit, in der Anträge genehmigt werden, haben die Wölfe schon wieder den nächsten Schaden angerichtet. Deshalb sagen viele Kollegen: Wir müssen jetzt ein Zeichen setzen. Wenn der Staat nicht handelt, müssen wir eben selber handeln.
Indem Sie zur Waffe greifen?
In Frankreich sind heute 1500 Weidetierhalter bewaffnet, um im Notfall auf Wölfe schießen zu können. Nach meinem Empfinden kann es nicht sein, dass in einem EU-Land etwas erlaubt ist, das in einem anderen EU-Land verboten ist. Wir müssen anfangen, wie alle anderen Wildtierarten auch den Wolf zu managen, sonst werden wir über kurz oder lang die Weidetierhaltung verlieren. Und das wäre auch dramatisch für den Naturschutz.
Was meinen Sie damit?
Den Deichschutz zum Beispiel. Schafe sind die Schützer unserer Deiche. Wenn wir die Schafe an den Deichen verlieren, verlieren wir auch den Kampf gegen das Wasser, weil die Deiche dort als erstes brechen, wo sie von den Schafen nicht mehr gepflegt und gesichert werden.
Wie könnte aus Ihrer Sicht ein Zusammenleben von Wölfen und Weidetieren möglich sein?
Indem wir die Anzahl der Wölfe reduzieren. Nehmen Sie das Beispiel Schweden. Dort leben ungefähr 400 Wölfe. Der schwedischen Regierung sind das zu viele, sie will die Zahl deshalb ungefähr halbieren.
In Deutschland leben schätzungsweise 2000 Wölfe. Wie viele Wölfe würden Sie akzeptieren?
Um das klar zu sagen: Ich will den Wolf nicht ausrotten. Deshalb brauchen wir in Deutschland eine Bestandsuntergrenze. Wir müssen eine Zahl finden, die zu unserer Flächenstruktur passt. Das können nicht zigtausende Wölfe sein.
Sondern?
Mit 170, ähnlich wie in Schweden, könnten wir in Deutschland klarkommen, glaube ich.
Das scheint im Moment undenkbar. Warum ist das so?
Weil die Politik auf Wählerstimmen schaut. Die meisten Menschen leben in der Stadt. Die Naturschutzorganisationen haben dort ihren Sitz und ihre Mitglieder. Dort werden Wolfspatenschaften verkauft, damit wird also Geld verdient. Wölfe haben eine starke Lobby.